# taz.de -- Schwarz-gelbe Gesundheitspolitik: Berlin will Pharmakritiker loswerden
       
       > Ein Zufall? Während Schwarz-Gelb den Chef des wichtigsten
       > Kontrollinstituts im Gesundheitswesen absägen will, tauchen plötzlich
       > neue Vorwürfe gegen ihn auf.
       
 (IMG) Bild: Gesundheitspolitische Demonstration in Berlin.
       
       BERLIN taz | An einer Personalie wird sich in diesen Tagen zeigen, wieviel
       Pharmakritik die Republik verträgt. Mehreren Quellen zufolge soll der
       Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im
       Gesundheitswesen (IQWiG), Peter Sawicki, seinen Posten im kommenden Jahr
       verlieren. Sawickis Gegner scheinen nun auch einen Vorwand gefunden zu
       haben, womit sich eine Absetzung öffentlich begründen ließe.
       
       Laut dem SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach haben sich das
       FDP-geführte Gesundheitsministerium und die Deutsche
       Krankenhausgesellschaft darauf verständigt, gegen eine Vertragsverlängerung
       Sawickis ein Veto einzulegen. "Die Krankenhausgesellschaft wird Sawicki aus
       politischen Gründen ablehnen, um der FDP einen Gefallen zu tun", sagt
       Lauterbach.
       
       Sawickis Institut untersucht seit 2004 im Auftrag des "Gemeinsamen
       Bundesausschusses" von Ärzten und Kassen die Wirksamkeit neuer Medikamente.
       Als "Pillen-TÜV" hat es sich in der Pharmaindustrie viele Feinde gemacht.
       Rainer Hess, Chef des Bundesausschusses, stärkt Sawicki jetzt den Rücken.
       Auch er wisse von einer Diskussion um dessen Ablösung.
       
       Er spricht sich aber ausdrücklich dagegen aus.
       
       Hess sagte der taz: "Meine Befürchtung ist, dass bei einer Abberufung der
       Eindruck entsteht, Sawicki werde auf Druck der Industrie von der Politik
       abgelöst". Das wäre verheerend. "Wir brauchen den wissenschaftlich
       unabhängigen Sachverstand des Instituts", sagte Hess.
       
       Auch Bigritt Bender, gesundheitspolitische Sprecherin der
       Grünen-Bundestagsfraktion, befürchtet, Schwarz-gelb wolle es der
       Pharmaindustrie künftig leichter machen. „Wenn Sawicki abgelöst wird, liegt
       der Verdacht nahe, dass dies ein Liebesdienst für die Pharmalobby ist“,
       sagte Bender der taz. Dies wäre keine gute Nachricht für das bundesdeutsche
       Gesundheitswesen und dessen Effizienz.
       
       Weder die Krankenhausgesellschaft, noch Union, FDP oder das
       Gesundsheitsministerium selbst wollten sich zur Personalie Sawicki äußern.
       Das Ministerium widersprach jedoch dem Vorwurf, es habe interne Absprachen
       über die Personalentscheidung gegeben.
       
       Ab sofort dürften jedoch die neu aufgetauchten Vorwürfe gegen Sawicki ihre
       Wirkung entfalten. Nach taz-Informationen wird derzeit geprüft, ob es in
       den vergangenen zwei Jahren zu internen Fehlern bei Abrechnungen,
       Lieferungen und Auftragsvergaben gegeben hat. In einem von Gegnern Sawickis
       als "Selbstbezichtigungsschreiben" bezeichneten Brief, der der taz
       vorliegt, räumt der IQWiG-Chef die Möglichkeit solcher Fehler ein und
       kündigt schnelle Aufklärung an.
       
       Der Stiftungsrat des Instituts trat daher am Dienstagabend zusammen und
       befragte Sawicki zu diesen Vorwürfen. Auf die Frage, ob die Anschuldigungen
       etwas mit der Debatte um seine Person zu tun hätten, sagte Sawicki
       lediglich: "Formal gibt es da keinen Zusammenhang" - mit der Betonung auf
       "formal". SPD-Mann Lauterbach sagte, die Vorwürfe würden "gezielt gestreut,
       um die Abberufung zu begründen. Das ist systematisches Wegmobben".
       
       Sawicki jedenfalls steht weiterhin zur Verfügung. "Es gibt einen hohen
       Druck der Pharmaindustrie. Unsere Arbeit wird aber national wie
       international hoch geschätzt", erklärte er. Die Politik lasse sich zu sehr
       von der Industrie beeinflussen. "Die Lobbyisten laden sich ständig ein, und
       bei den Gesprächen mit den Politikern ist keine unabhängige
       
       Instanz dabei", so Sawicki. Damit würden die Politiker durch eine
       Verzerrung der Tatsachen fehlgeleitet. "Natürlich sind wir unbequem, aber
       das sind Geschwindigkeitsbegrenzungen auch. Was sind die Alternativen?"
       
       Das IQWiG wurde 2004 im Rahmen der Gesundheitsreform gegründet, um den
       Nutzen medizinischer Leistungen zu untersuchen. Insbesondere die
       Wirksamkeit von neuen Medikamenten wurde vom IQWiG kritisch beleuchtet. Der
       gebürtige Warschauer Sawicki war - bevor er die Leitung des IQWiG annahm -
       Oberarzt und Diabetes-Experte an der Düsseldorfer Uniklinik.
       
       Besonderen Aufruhr verursachte Sawicki zum Beispiel 2006, als das IQWiG mit
       seiner kritischen Bewertung von künstlichem Insulin dafür sorgte, dass die
       sehr teuren, so genannten Insulinanaloga in der Regel nicht von den
       gesetzlichen Kassen bezahlt werden. Vergangenes Jahr gab es schon einmal
       Vorwürfe gegen Sawicki, er habe Vetternwirtschaft betrieben. Damals wurde
       er öffentlich rehabilitiert.
       
       8 Dec 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Paul Wrusch
       
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