# taz.de -- Deutscher Eiskunstlauf vor Insolvenz: Pleitegefahr dank Stasi-Trainer
       
       > Während die Athleten um Meistertitel laufen, kämpft die Deutsche
       > Eislauf-Union ums nackte Überleben. Erfolgstrainer und Stasi-IM Ingo
       > Steuer könnte den Verein in die Insolvenz treiben.
       
 (IMG) Bild: Aljona Savchenko und Robin Szolkowy bei der Eiskunstlauf-EM in Helsinki Anfang 2009 - Zur Zeit trainieren sie für Olympia.
       
       Die Besten fehlen. Paarlauf-Weltmeister Aljona Savchenko und Robin Szolkowy
       sind bei den Deutschen Meisterschaften im Eiskunstlauf nicht am Start. Sie
       wollen Olympiasieger werden. In den Grand-Prix-Wettkämpfen haben sie ihre
       Programme jedoch nicht fehlerfrei präsentieren können und wurden von zwei
       chinesischen Paaren geschlagen. Grund für die Chemnitzer, die Zeit lieber
       zum Training zu nutzen. Den Titel hat das in Oberstdorf trainierende Paar
       Maylin Hausch/Daniel Wende so gut wie sicher.
       
       Spannend wird es bei den Männern. Die Berliner Stefan Lindemann und Peter
       Liebers bewerben sich um den einzigen deutschen Startplatz bei Olympia. Der
       29-jährige Lindemann, der schon sechs Mal deutscher Meister und 2004
       WM-Dritter war, in den letzten beiden Jahren aber an Verletzungen
       laborierte, will es noch einmal wissen. Sein acht Jahre jüngerer
       Trainingskamerad Peter Liebers, der Titelverteidiger, ist wie Lindemann
       sprungtechnisch stark, im künstlerischen Bereich aber meilenweit von der
       Weltspitze entfernt.
       
       Das Olympiaticket bei den Frauen hat die 16-jährige Mannheimerin Sarah
       Hecken bereits in der Tasche. Sie gilt als riesiges Talent. "In Mannheim
       ist sie bereits sehr bekannt", sagt Verbands-Vizechefin Elke Treitz. Ihr
       ist es zu verdanken, dass die 600 Plätze in der kleinen Nebenhalle Süd der
       Mannheimer Großarena nahezu ausverkauft sind. Das ist keinesfalls
       selbstverständlich. Oft sind kaum mehr Menschen als die Angehörigen der
       Athleten zu den Meisterschaften gekommen.
       
       Doch Hecken ist nicht die einzige hoffnungsvolle Läuferin. Dank einer
       jahrelangen Förderpolitik im Juniorenbereich geht es wieder aufwärts.
       Gleich mehrere Läuferinnen zwischen 13 und 16 Jahren konnten in diesem Jahr
       in internationalen Juniorenwettkämpfen dicke Ausrufezeichen setzen. Die
       Titelverteidigerin Annette Dytrt hat ihre Teilnahme wegen einer Verletzung
       kurzfristig abgesagt.
       
       Die grazile 26-Jährige hat eine Ausstrahlungskraft, die ihren jüngeren
       Konkurrentinnen noch fehlt. In Vancouver wollte sie ihre Karriere
       eigentlich krönen, doch daraus wird nichts. Die fünffache deutsche
       Meisterin scheiterte in Wettkämpfen immer wieder an ihrem schwachen
       Nervenkostüm. Dytrt wird vermutlich ihre Laufbahn sang- und klanglos
       beenden und als eher tragische Gestalt in die Sportgeschichte eingehen. Die
       Bayerin hat keinen Beruf, finanzierte ihren Sport lange als Putzfrau, ließ
       sich auch schon in Unterwäsche fotografieren.
       
       Im Eistanzen läuft die Entscheidung auf einen Dreikampf zwischen den
       Geschwisterpaaren Christina und William Beier und Carolina und Daniel
       Hermann sowie der Kombination Nelly Zhiganshina/Alexander Gazsi hinaus.
       Letztere haben allerdings keine Chance auf eine Olympiateilnahme, weil der
       aus Russland stammenden Tänzerin der deutsche Pass fehlt.
       
       Für die Deutsche Eislauf-Union könnten die Titelkämpfe in Mannheim trotz
       sportlicher Funken am Horizont die letzten sein: Dem Verband droht die
       Insolvenz. In einem außergerichtlichen Vergleich mit dem Stasi-belasteten
       Trainer der Weltmeister Savchenko/Szolkowy hatte er sich 2008 bereit
       erklärt, Ingo Steuer bis nächstes Frühjahr 250.000 Euro aus
       Sponsorengeldern zu zahlen.
       
       Der Grund: Das Bundesinnenministerium hat dem Verband untersagt, Steuer mit
       öffentlichen Fördergeldern zu bezahlen. Davon rückt das Ministerium nicht
       ab, wie eine Sprecherin der taz sagte. Derzeit bestreitet Steuer seinen
       Lebensunterhalt mit dem Geld, das er als Trainer eines Schweizer und eines
       ukrainischen Paares verdient.
       
       Sponsorengelder in dieser Höhe sind in einer Randsportart allerdings eine
       Illusion, sagt der Berliner Stützpunktleiter Reinhard Ketterer. Und Steuer
       hat nach Angaben seiner Anwältin Karla Vogt-Röller bisher keinen einzigen
       Cent davon gesehen.
       
       Im Gegenteil: Seit mehreren Wochen würde der klamme Verband von seinem Paar
       Abgaben von seinen internationalen Preisgeldern verlangen. Von diesen
       hätten die beiden bisher ihren Trainer zumindest minimal bezahlen können.
       Verbandssprecherin Elke Treitz weist auf die mangelnde Kooperation des
       Paares bei der Wahrnehmung von Sponsorenterminen hin.
       
       "Als ehemaliger Stasi-IM ist es derzeit leichter, in ein Parlament
       einzuziehen als auf dem Eis eine bezahlte berufliche Laufbahn
       einzuschlagen", sagt Vogt-Röller und sie hat noch einen anderen Vergleich:
       Ein anderer deutscher Eiskunstlauftrainer wurde vor Jahren rechtskräftig
       als Sexualstraftäter verurteilt. "Nach dem Verbüßen seiner Strafe hat er zu
       recht eine zweite Chance verdient. Stasitätigkeit ist aber keine Straftat
       und deshalb gibt es so eine Verjährung nicht", meint die Anwältin des
       streitbaren Steuer.
       
       Wenn das Geld wie erwartet nicht kommt, wird Vogt-Röller "den Vergleich
       gegebenenfalls widerrufen", sagt sie der taz. Dann sei die Insolvenz des
       Eislaufverbandes nicht mehr abzuwenden. Wer in einem Jahr die Deutsche
       Meisterschaft austrägt, steht in den Sternen.
       
       18 Dec 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marina Mai
       
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