# taz.de -- Erweiterter Kunstbegriff: Feminismus mit Holzhammer und Humor
       
       > Die Kestnergesellschaft in Hannover zeigt eine große Ausstellung der
       > Künstlerin Elke Krystufek. Sie ist mindestens so gut wie ihr reichlich
       > turbulentes Zustandekommen.
       
 (IMG) Bild: Wallende Jesus-Matte, üppiges Gemächt: Krystufeks "Your childhood" aus dem Jahr 2009
       
       Man(n) schlug die Pressemappe auf und wusste gleich: Elke Krystufek ist ein
       harter Brocken. "Wunschgemäß", heißt es da, sei der Künstlerin die
       Presseerklärung zur Überarbeitung überlassen worden. Sie verstehe "ihre
       Überarbeitung im Sinne eines KünstlerInnentextes". Als Krystufek später
       neben Veit Görner, dem smarten Chef der renommierten Hannoverschen
       Ausstellungshalle, Platz genommen hatte, war das Klima so frostig wie
       draußen vor der Tür.
       
       Man versicherte zwar, eine schöne Ausstellung zusammengebracht zu haben,
       aber Görner konnte nicht verhehlte, dass ihm die Dame gehörig auf den
       Nerven herumgetrampelt war - und umgesetzt hatte, was im Pressetext
       angedroht war: nicht weniger als eine feministische Attacke auf die
       "männerdominierte Kunstinstitution". Und das mit dem "weiblichen
       Holzhammer".
       
       Den, so die Künstlerin, habe es auch gebraucht, um "allen 7 ausschließlich
       männlichen Vorstandsmitgliedern, dem aus 18 Männern und 1 Frau bestehenden
       Kuratorium, sowie dem männlichen Direktor und dem männlichen Kurator
       klarzumachen, was feministische Gegenwartskunst" sei.
       
       Ganz Anhängerin eines erweiterten Kunstbegriffs, holte Krystufek schon weit
       im Vorfeld zum Erstschlag aus: Im Mittelpunkt der Kestner-Schau sollte ein
       Videofilm stehen, der sich mit den Südsee-Utopien der Avantgarden
       auseinandersetzt. Arbeitstitel "Palau". Auf den Spuren des Expressionisten
       Max Pechstein, er hatte die gleichnamige Insel 1914 besucht, reiste
       Krystufek in den pazifischen Ozean. Im Gepäck neben Kamera und Skizzenblock
       ein männliches Modell.
       
       Aus- und eingeladen 
       
       Die Reisekosten liefen allerdings derart aus dem Ruder, dass Görner den
       Filmschnitt nicht mehr bezahlen konnte oder wollte. Nach weiteren
       Unstimmigkeiten und Streitereien sagte die Deutsch-Österreicherin die
       Ausstellung kurzerhand ab - zwei Tage vor der geplanten Eröffnung am 4.
       Dezember. "Die künstlerischen Forderungen und die organisatorischen
       Möglichkeiten der Veranstalter" passten nicht zusammen, hieß die
       Sprachregelung. Man schätze Elke Krystufek aber weiterhin als Künstlerin,
       "nicht zuletzt aufgrund ihrer institutionenkritischen Arbeitsweise", ließ
       Görner verlauten und holte sie wieder ins Boot. Schließlich muss sein Haus
       über die besucherträchtigen Feiertage irgendetwas anzubieten haben.
       
       Einige Kunstkritiker fielen daraufhin in die branchenübliche
       Schwerdenkerei. "Ist diese Absage Kunst", fragte sich die Neue Presse,
       während die Hannoversche Allgemeine unwidersprochen Krystufek-Sätze wie
       diesen druckte: "Geld ist ohnehin nicht immer der bestimmende Faktor für
       erfolgreiche Kunstproduktionen." Da hat der Kestner-Chef wahrscheinlich
       schmerzlich aufgelacht - sein Haus muss ohne einen Cent öffentliche
       Subventionen auskommen.
       
       Den Betrieb vorgeführt 
       
       Auch die Künstlerin dürfte sich gefreut haben, wie einfach es mancherorts
       ist, den Betrieb vorzuführen. Sie jedenfalls ließ den Holzhammer munter
       weiter kreisen. Um das Filmprojekt zu retten, bekam sie von der
       Kestnergesellschaft ein Darlehen. Krystufek warf die Kamera und hielt die
       Korrespondenz mit Veit Görner vor das Objektiv. Der geistert anfangs als
       stetig mahnender "Moritz" durch den Streifen, läuft jedoch am Ende zu ganz
       großer Form aufläuft, wenn er der eigenwilligen Heroine mit sprühenden
       Geistesfunken Kontra gibt.
       
       Der Film ist urkomisch und verschafft dem Laien Einblicke in das
       Kunstgetriebe, die er nicht vergessen wird. Überdies stellt er bei allem
       kleinteiligen Irrsinn auch große Fragen nach dem Sinn von Kunst, dem
       Zusammenhang von Kapital und Kreativität - und unter welchen Bedingungen
       letztere heutzutage zu haben ist. Das Werk heißt nun "Palau 1 - below the
       male belt", weil es, so Krystufek, "obskure Vorgänge unterhalb der
       männlichen Gürtellinie verhandelt". Als da sind "Begehren, Frustration,
       Eindruck schinden und Verstecken".
       
       Die Künstlerin indes versteckt nichts. In der oberen Etage hat sie das
       Inselmodell nackert auf Ölbilder gebannt. Dort hängt er mit wallender
       Jesus-Matte und üppigem Gemächt neben anderen Unbekleideten oder auch
       Porträts von verehrten Künstlern. Im Nebenraum hat sie die Namen aller je
       in der Kestnergesellschaft Ausgestellten an die Wand gemalt: 391 Männer in
       Blau, 32 Frauen in Rot. Das mag Feminismus mit dem Holzhammer sein.
       Ästhetisch aber macht es, wie die Ausstellung insgesamt, bella figura. So
       haben die Männer der Kestnergesellschaft wenigstens nicht umsonst gelitten.
       
       17 Dec 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Quasthoff
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Hannover
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Abgang im Guten: Ein begründeter Abschied
       
       Der Direktor der Kestnergesellschaft Hannover geht mit nur 61 Jahren in den
       Ruhestand. Er könne kein Scout mehr sein für die „Generation Whats-App“,
       sagt Veit Görner.