# taz.de -- Das Antifa-Haus von Mügeln: "Jetzt fällt auf, dass es hier Rechte gibt"
       
       > Seit der Verein "Vive le Courage" ein Haus in Mügeln gemietet hat, muss
       > er immer wieder mit Nazi-Angriffen rechnen. Bisher wollte im Ort niemand
       > eine rechte Szene zur Kenntnis nehmen.
       
 (IMG) Bild: Das beschauliche Mügeln in Sachsen: Vor zwei Jahren war es hier beim Stadtfest zu einer Hetze gegen die indischen Betreiber einer Pizzeria gekommen.
       
       MÜGELN taz | Die Haustür des Gebäudes Ernst-Thälmann-Straße 55 im
       sächsischen Mügeln ist von innen verbarrikadiert. Zerstörte
       Oberlicht-Scheiben über der Tür verraten noch, wo Mitte November der
       Feuerwerkskörper der Profi-Klasse 4 in den Hausflur geschossen wurde. Dort
       hängt, wie zum Hohn, das Jugendschutzgesetz. "Sprengstoffanschlag klingt
       ein bisschen übertrieben, aber wenn jemand im Haus gewesen wäre, hätte es
       mit Sicherheit Verletzte oder mindestens Hörschäden gegeben", meint Roman
       Becker, Gründungsmitglied des Vereins "Vive le Courage" in Mügeln.
       
       Seit der Jugendverein, der den Nazis am Ort etwas entgegensetzen will, sich
       in dem verlassenen großen Wohnhaus im Gründerzeitstil einmieten konnte,
       muss er täglich mit Anschlägen rechnen. Die Fenster im Erdgeschoss sind
       inzwischen komplett entfernt und durch Bretterverschläge ersetzt worden.
       
       Ins Haus gelangt man nur über eine Hintertür aus Metall. Erstaunlich
       gelassen gehen die Jugendlichen mit den festungsartigen Umständen um. "Am
       schlimmsten war die Belagerung am 28.August", berichtet Roman. Das war der
       Abend vor einem Konzert zum Abschluss der antirassistischen Aktionswoche.
       Ein Mob von über 40 Personen "teilweise aus dem rechten Spektrum", so die
       Polizei, hatte sich vor dem Haus versammelt. Flaschen und Feuerwerkskörper
       flogen.
       
       Nach den weit über die Stadt hinaus bekannt geworden Übergriffen auf Inder
       beim Stadtfest vor zwei Jahren wollten junge Leute mit der Gründung von
       "Vive le Courage" ein Zeichen setzen. Ein Zeichen gegen das Schweigen und
       die Ignoranz in der Stadt. Nicht-rechte Jugendkultur will man pflegen,
       ähnlich wie die bekannte "Aktion Zivilcourage" in Pirna.
       
       Die Gartenlaube, in der man sich anfangs traf, wurde bald zu klein. Auf der
       Suche nach einem Domizil konnte man sich mit dem Immobilienverwalter des
       abgewohnten Hauses auf jener Straße einigen, die noch immer nach dem von
       den Nazis ermordeten KPD-Führer Thälmann benannt ist. Die 300 Euro Miete
       und ein bisschen Geld für die Kohlenheizung und Veranstaltungen kommen aus
       dem Landesprogramm "Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz".
       
       Die Reaktionen auf die Übernahme des Hauses sind für eine Kleinstadt wie
       Mügeln typisch. Selbstverständlich sind es die Linken, die nun für Unruhe
       sorgen. Angeblich häufen sich Einbrüche in der Nachbarschaft und
       ausgebrochene Zaunlatten. "Die Nazis haben sich wahrscheinlich nur mal in
       der Tür geirrt", heißt es dazu im Haus. André berichtet von seinen Eltern,
       nach deren Auffassung hier "nur Arbeitslose herumsitzen und morgens schon
       Bier trinken". Roman aber bringt den Konflikt auf den Punkt: "Seit wir das
       Haus haben, fällt auf, dass es Rechte in Mügeln gibt!" Eine Tatsache, die
       Bürgermeister Gotthard Deuse (FDP) bislang beharrlich geleugnet hat.
       
       In seinem Rathaus gibt es auch keine Stellungnahme zum Jugendhaus von "Vive
       le Courage". Jugendfachkraft Kristin Jarke erklärt sich auf Anfrage nur für
       die beiden städtischen Jugendklubs zuständig. Das zwischen Linken und
       Rechten lange umkämpfte "FreeTimeInn" ist im Vorjahr umstrukturiert wieder
       eröffnet worden. Der Verein, der es ehemals verwaltete, verlor seine
       Aufgabe. Nun hat die Stadt hier die Oberhand. Ende November konnte sich
       "Vive le Courage" im Verwaltungsausschuss der Stadt vorstellen.
       Selbstverständlich distanziert man sich dort offiziell von den
       Ausschreitungen und will dem Verein Gelegenheit geben, sich im Amtsblatt
       für alle Bürger vorzustellen und so "aus der Anonymität herauszukommen".
       
       Auf das Wohlwollen der Stadt ist der Verein angewiesen. Denn das Gebäude
       gilt als Wohnhaus und müsste für eine halböffentliche Nutzung mit bis zu 50
       Gästen Brandschutz- und andere Sicherheitsauflagen erfüllen. Bis dahin
       haftet Bürgermeister Deuse für mögliche Vorfälle. Etwa 5.000 Euro würde ein
       solcher Umbau kosten. Das schafft das größtenteils noch in der Ausbildung
       stehende runde Dutzend Vereinsmitglieder nicht allein. Auch die
       Kleinspenden von Gewerbetreibenden in Mügeln, die es immerhin gibt, reichen
       nicht.
       
       Den sächsischen Demokratiepreis, dessen Geld für Sicherheitsglas verwendet
       werden sollte, hat man nur knapp verfehlt. So bleibt für die Verwirklichung
       der schönen Pläne, die es für die zahlreichen Räume gibt, nur das Zupacken
       mit den eigenen Händen. Die bunten Graffitis sind, wie sich denken lässt,
       längst da.
       
       20 Dec 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Bartsch
       
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