# taz.de -- Zugausfälle unter dem Ärmelkanal: Chaos im Tunnel
       
       > Das Wunderwerk des Schienenverkehrs ist nicht ganz schneetauglich: Die
       > Eurostar-Züge zwischen Paris und London blieben liegen. Reisende mussten
       > 15 Stunden in den Wagen ausharren.
       
 (IMG) Bild: Eurostar zahlt den Passagieren die 170 Euro Reisekosten zurück und schenkt ihnen ein Gratisticket.
       
       PARIS taz | Zum Schluss landeten die Eurostar-Passagiere am Samstag wieder
       im Pariser Bahnhof Gare du Nord, von wo sie am Freitag guter Dinge in
       Richtung London St. Pancras abgefahren waren. Geschlagene siebzehn Stunden
       hat ihre Reise von Paris und wieder zurück gedauert. In London sind sie nie
       angekommen. Denn ihr Hochgeschwindigkeitszug blieb unter dem Ärmelkanal
       stecken.
       
       Nicht weniger als fünf Züge kamen so in der Nacht auf den Samstag im 50
       Kilometer langen Euro-Tunnel zwischen Calais und Folkstone zum Stehen, und
       weder Fluchen noch gutes Zureden konnte die bockenden Hightech-Lokomotiven
       dazu bringen weiterzufahren. Für rund 2.400 Passagiere begannen
       unerträgliche Stunden. Es kam sogar zu Handgreiflichkeiten mit den nicht zu
       beneidenden Eurostar-Leuten, die wie die Lautsprecherstimme um Geduld baten
       und ständig wiederholen mussten, dass es den Reisenden verboten sei, die
       Türen der stehenden Züge zu öffnen. Was einige Passagiere am Ende dennoch
       taten.
       
       "Wie waren eingesperrt, was mit der Zeit sehr mühsam wurde, auch in
       hygienischer Hinsicht", berichtete später in Paris ein junger Mann. "Das
       darf doch nicht wahr sein, ein bisschen Schnee, und alles kommt zum
       Erliegen", protestierte ein anderer. Einige Passagiere fielen in Ohnmacht,
       andere bekamen Asthmaanfälle oder Weinkrämpfe, erzählte ein Brite.
       Beängstigend war es auch für jene, die schließlich durch die Notausgänge in
       den Nebentunnel und mit einem für Güterverkehr vorgesehenen Shuttle aufs
       Festland gebracht werden mussten.
       
       Noch am selben Tag starteten aus Paris erneut zwei Eurostar-Züge, mussten
       aber nach Pannen im Tunnel ebenfalls abgeschleppt werden. Seither ist der
       Bahnverkehr nach London unterbrochen. Davon waren allein am Samstag und
       Sonntag insgesamt rund 60.000 Menschen betroffen, die eigentlich mit dem
       Eurostar fahren wollten.
       
       Und die Lage wird sich auch so schnell nicht bessern, neue Flocken brachten
       am Sonntag auch starke Behinderungen im Flug- und Straßenverkehr.
       Eurostar-Sprecher Paul Gorman sagte, mit Testzügen solle herausgefunden
       werden, warum die Bahnen in der Nacht zum Samstag ausfielen. Man hoffe, den
       Zugverkehr am Montag wieder aufnehmen zu können.
       
       Der Schnee, zusammen mit dem Temperaturunterschied, scheint die
       Achillesferse der Eurostar-Hochgeschwindigkeitszüge zu sein. "Der
       schmelzende Schnee gelangt ins Ventilationssystem und löst einen
       Kurzschluss im Stromkreis des Antriebssystems aus, der Motor fällt aus und
       geht nicht mehr an", erklärt der Technikchef des Tunnels, Pascal Sainson.
       Das sei keineswegs neu. Erstaunlich ist bloß, dass diese hinlänglich
       bekannten Pannenursachen nicht längst behoben wurden. "Seit der Eröffnung
       des Tunnels vor fünfzehn Jahren habe ich noch nie eine solche Situation
       erlebt", sagte hingegen der Eurostar-Vizedirektor Nicolas Petrovic, der
       sich im Gare du Nord persönlich bei den sehr aufgebrachten Kunden
       entschuldigen wollte. Diese erhalten ihre Reisekosten ersetzt und als
       Kompensation 170 Euro sowie ein kostenloses Ticket.
       
       20 Dec 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rudolf Balmer
       
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