# taz.de -- Brasilianische Staudamm-Träume: Lulas Dampfwalze
> Am Xingu, einem Nebenfluss des Amazonas, soll mit dem Belo Monte das
> drittgrößte Wasserkraftwerk der Welt gebaut werden.
(IMG) Bild: Indigene am Xingu: Wird der Staudamm gebaut, müssen sie sich eine neue Heimat suchen.
PORTO ALEGRE taz | Selbst über Weihnachten gab Brasiliens oberster
Staudammlobbyist keine Ruhe. Die Energieversorgung Brasiliens stehe auf dem
Spiel, unkte Energieminister Edson Lobão. Dabei hat Umweltminister Carlos
Minc bereits signalisiert, dass er die Genehmigung für den Staudamm Belo
Monte bald durchsetzen will. Mit einer Kapazität von gut 11.000 Megawatt
soll am Amazonas-Nebenfluss Xingu das drittgrößte Wasserkraftwerk der Welt
entstehen – nach dem Drei-Schluchten-Damm in China und Itaipú an der Grenze
zu Paraguay.
Itaipú ließ das brasilianische Militärregime (1964-85) bauen. "Auch im Fall
Belo Monte erinnert die Arroganz der Regierungsplaner an die Zeiten der
Militärdiktatur", sagt Bischof Erwin Kräutler. Der 70-jährige
Austrobrasilianer, der der flächenmäßig größten Diözese Lateinamerikas
vorsteht, ist der prominenteste Staudammkritiker. Auf einer Audienz im Juli
versprach ihm Präsident Lula da Silva, das Mammutprojekt werde nicht um
jeden Preis durchgesetzt.
Dabei verweisen Betroffene und Experten darauf, dass sich Belo Monte wegen
der saisonalen Schwankungen bei der Wasserzufuhr erst rechne, wenn am
Oberlauf des Xingu weitere Staudämme gebaut werden. Und dann würde sich die
Emissionsbilanz radikal verschlechtern: Je größer die gefluteten Flächen,
desto größer ist der Ausstoß des Treibhausgases Methan. In den ersten zehn
Jahren nach der Flutung würden zwei Xingu-Staudämme mehr Treibhausgase
produzieren als das Ballungsgebiet São Paulo mit seinen 20 Millionen
Einwohnern, kalkuliert Klimaforscher Philip Fearnside aus Manaus. Über
20.000 Menschen müssten umgesiedelt werden, der Lebensraum mehrerer
indigenen Völker würde ebenso zerstört wie große Teile des Regenwaldes.
Célio Bermann, Professor für Energie und Elektrotechnik in São Paulo, war
bei dem Juli-Treffen mit Lula dabei. In den Medien hätten die
Staudammbefürworter leichtes Spiel, meint er. Das wiederum mache es dem
Präsidenten leicht, von seinem Versprechen abzurücken.
Ähnlich wie 2007, als das Umweltministerium zur Genehmigung der
Wasserkraftwerke Santo Antônio und Jirau am Amazonas-Nebenfluss Madeira
gezwungen wurde, setzt die Regierung auch jetzt auf ihre
Dampfwalzenpolitik:. Die Justiz sekundiert, den Großteil der Finanzierung
übernimmt die staatliche Entwicklungsbank BNDES.
Ein Großteil des Stroms aus Wasserkraft werde für die elektrointensive
Produktion von Aluminium, Stahl oder Zellstoff benutzt, so Bermann: "Das
sind Industrien, die die Länder des Nordens nicht mehr wollen." Der Bau-
und Stromlobby ist das egal. Die Staatsbetriebe Eletronorte und Eletrobras
sind von jeher eine Domäne der Gruppe um den mächtigen Senatspräsidenten
José Sarney, eines Parteifreunds von Minister Lobão. Die Baukonzerne
Odebrecht, Camargo Corrêa und Andrade Gutierrez werden im kommenden
Wahlkampf wieder zu den größten Parteispendern gehören.
Aufträge für Turbinen und Stromtechnik gehen an die Konzerne Voith Hydro,
Siemens oder Andritz aus Österreich. Erst neulich wurde Bischof Kräutler
von dem österreichischen Handelsdelegierten in São Paulo hart attackiert.
Doch er lässt sich nicht beirren: "Es ist ein pharaonisches,
größenwahnsinniges Todesprojekt", sagt er. Auch die Kayapó-Indianer, die im
Mai 2008 einen Eletrobras-Ingenieur medienwirksam mit einem Machetenhieb
verletzten, wollen sich weiter wehren.
29 Dec 2009
## AUTOREN
(DIR) Gerhard Dilger
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