# taz.de -- Merkels Neujahrsrede: "Wir fangen erst an"
> In ihrer Neujahrsansprache wird sich die Kanzlerin von einer
> Klientelpolitik für alle verabschieden und eine Politik für die
> Generation nach Seehofer entwerfen. Eine fundierte Prophezeiung
(IMG) Bild: "Unsere Probleme sind kleiner, aber unsere Schulden sind größer. Das haben wir geschafft"
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
ein rechter Haushälter möchte zum Jahresende gerne einen rechten Abschluss
vorlegen. Aber es will nicht recht gelingen. Zu viele Konten sind
offengeblieben: Wie soll er sie bewerten?
Mit diesen Worten begann der erste Bundespräsident Theodor Heuss seine
Neujahrsansprache zum Jahreswechsel 1950/51. Warum zitiere ich das? Weil
ich sagen will: Unsere Probleme sind zwar kleiner als damals, aber unsere
Schulden sind erheblich größer. Das haben wir geschafft. Deshalb bin ich
fest davon überzeugt: Ich werde stärker aus der Krise meiner Regierung
herauskommen, als ich hineingegangen bin.
Wie ich vor einem Jahr schon sagte: Es sind Ihre Schulden, liebe
Mitbürgerinnen und Mitbürger, die Schulden der Steuerzahler, für die wir in
der Politik Verantwortung tragen.
Viele von Ihnen warten seit Wochen auf ein Lebenszeichen aus dem
Kanzleramt. Ich habe zu Afghanistan nichts gesagt, ich habe zum
Steuerstreit nichts gesagt. Deshalb sage ich Ihnen heute: Wir alle in der
neuen Bundesregierung wollen eine Brücke bauen, um die schwierige Zeit bis
zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen zu überwinden. Politische
Unterstützung der Kurzarbeit und Qualifikation der Mitarbeiter werden
verstärkt. Das fordern wir nicht nur von den Bürgern, wir fangen in der
Koalition damit an.
Ich habe die wichtigsten Gruppen aus meiner Koalition zusammengerufen und
mit ihnen beraten. Ich habe mit Guido Westerwelle gesprochen, ich habe mit
Horst Seehofer gesprochen, und ich habe einen neuen Geist gespürt:
Verantwortung für die eigenen Wählergruppen, Verantwortung für die eigene
Partei. Wir haben die Beliebigkeit der großen Koalition überwunden. Wir
verzetteln uns nicht mehr in dem vergeblichen Versuch einer
Klientelpolitik, die alle Wählerschichten zugleich bedienen will. Auch wir
überfordern den Staat. Aber wir setzen unsere Prioritäten nicht zufällig.
Wir setzen sie dort, wo FDP und CSU es wollen.
In der Krise bewährt sich Eigeninitiative, und mit dieser Eigeninitiative
haben wir im nächsten Jahr zu rechnen. Mitte Januar erwartet Horst Seehofer
eine neue Umfrage für seine bayerische CSU. Minus zwanzig Prozent in zwei
Jahren, das ist ein Einbruch, wie wir ihn in der Geschichte der
Bundesrepublik noch nicht hatten. Deshalb investieren wir in bayerische
Hotels und Gasthöfe. Wir handeln schnell und warten auf die kommende
Generation, auf die Generation nach Horst Seehofer.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
ich habe schon ganz andere Herausforderungen gemeistert. Ich habe meine
zerstörte Partei nach dem Spendenskandal wieder aufgebaut und mich fest an
der Macht verankert. 2010 feiere ich den zehnten Jahrestag meiner Wahl zur
Parteivorsitzenden und den fünften Jahrestag meiner Wahl zur
Bundeskanzlerin.
Damals stand meine Partei vor der Aufgabe, die Folgen von 25 Jahren Helmut
Kohl zu beseitigen. Auch wenn für mich noch viel zu tun bleibt, so bin ich
doch alles in allem ein gewaltiges Stück vorangekommen.
Zum Jahreswechsel bin ich mit meinen Gedanken bei Guido Westerwelle. Ich
wünsche ihm, dass er 2010 mit Dankbarkeit auf das Jahr 2009 zurückblicken
kann. Ich wünsche ihm Trost und Kraft, wenn wir am Ende des Jahres Steuern
und Abgaben erhöhen. Ich bin zuversichtlich: Die FDP wird die Chance zum
qualitativen Wachstum nutzen.
Ganz besonders danke ich meinem Bundesminister Dirk Niebel dafür, dass er
meine Ansprache dieses Mal nicht kommentieren wird. Meine Rede sei zwar
sympathisch, enthalte aber nichts Neues, sagte er vor einem Jahr. Die
Probleme eilten in größerem Tempo voran als die kleinen Schritte, mit denen
ich Abhilfe schaffen will.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
verstehen Sie es, wie Sie wollen - die zurückliegenden Wochen haben aus
meiner Sicht deutlich gezeigt: Wir stehen mit unserer Regierung zum
Jahreswechsel nicht am Ende, wir fangen jetzt erst richtig an.
FIKTIVES PROTOKOLL: RALPH BOLLMANN
30 Dec 2009
## AUTOREN
(DIR) Ralph Bollmann
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