# taz.de -- Brennende Autos: "Wo gehobelt wird, fallen Späne"
> Ein Autoabfackler erzählt über einen aufgezwungenen Krieg, ein für ihn
> menschenverachtendes System und das Ziel, andere durch brennende Autos
> wachzurütteln.
(IMG) Bild: In Flammen aufgegangener Wagen in Berlin.
Dass unser Gespräch nicht in ein normales Zeitungsinterview münden würde,
war mir schnell klar. Es war ungewiss, ob es überhaupt zustande kommen
würde, bei einem so sensiblen Thema wie dem Autoabfackeln. Es brauchte dann
auch eine Reihe von Zufällen, bis es zum Austausch von Fragen und Antworten
kam.
Es war Freitag, eine gewöhnliche WG-Party im Berliner Bezirk Wedding. Leute
auf dem Hausflur, viel mehr Leute noch in der Wohnung. Bier. Musik. Bei
meinem ersten Gespräch mit Friedrich stehen wir an der provisorisch
errichteten Theke an.
Wir reden über Belangloses. Stellen fest, dass wir beide aus Mecklenburg
stammen, das stiftet irgendwie Gemeinsamkeit. Er lebt noch heute dort, ich
in Berlin. Was er denn in der Hauptstadt mache, frage ich. Er sagt, dass er
häufiger hier sei, um Freunde zu besuchen. Dann verlieren wir uns aus den
Augen, weitere Biere und Stunden vergehen.
Als wir uns das nächste Mal treffen, fällt mir sein schwarzes Käppi mit den
Pins auf. In Kombination mit dem schwarzen Kapuzenpullover erinnert mich
sein Outfit an einen linken Aktivisten. Ich spreche ihn darauf an. Ja, er
sei aktiv, sagt er.
Die Frage, wie denn diese Aktivitäten aussähen, beantwortet er mit "Autos
abfackeln". Ich werde hellhörig. Seit längerem will ich diese extreme Form
des Protests journalistisch näher untersuchen, sie aus der Perspektive
eines Abfacklers erzählen. Friedrich willigt in ein Interview ein, erbittet
sich aber - natürlich - nicht mit seinem echten Namen genannt zu werden.
Meine Fragen schicke ich ihm zu. Ob die Antworten von ihm allein oder von
mehreren Menschen beantwortet worden sind, weiß ich nicht.
Die folgenden Zeilen sind eine Mischung aus Gedächtnisprotokoll, das ich in
den Stunden nach dem Gespräch zu Papier brachte, und den schriftlichen
Antworten. Die Fassung wurde vom Befragten autorisiert.
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Wie viele Autos hast du schon angezündet und wo war das?
Es waren zwei Fahrzeuge, die brannten. Ein weiteres hat nicht richtig Feuer
gefangen. Alles spielte sich in Friedrichshain ab.
Du kommst aus Mecklenburg, warum zündelst du dann in Berlin?
Weil in der Stadt, in der ich lebe, die Auswirkungen der Verdrängung von
ärmeren Menschen bei weitem nicht so krass sind. Zwar steigen auch da die
Mieten, doch hat das bei weitem nicht die Auswirkungen wie in Berlin.
Warum dann ausgerechnet Friedrichshain?
In Friedrichshain sind die Auswirkungen der Verdrängung am deutlichsten
spürbar. Prenzlauer Berg ist abgeschrieben, dort lohnt es sich nicht mehr.
Aber wenn ein Benz oder Audi eines Reichen brennt, wird er es sich
überlegen, ob er doch lieber aus dem Kiez verschwindet.
Was ist, wenn es den Falschen trifft, einen guten Menschen?
Wo gehobelt wird, fallen Späne. Wir können nicht vorher den Besitzer eines
Fahrzeugs ermitteln, das ist Quatsch. Hauptsächlich trifft es die
Richtigen. Wer einen Porsche fährt und diesen in einem von Gentrifizierung
betroffenen Stadtteil abstellt, macht einen Fehler. Autos sind für Yuppies
keine Gegenstände, es sind Statussymbole, auf die sie sich einen
runterholen. Und auf die haben wir es abgesehen.
Was erreichst du denn mit der Zündelei?
Ich sage mal: Es ist eine Art Krieg, der uns aufgezwungen wurde. Ich hätte
lieber Frieden. Doch es gibt eine Schieflage - Leute mit Geld verdrängen
Leute ohne Geld aus der Innenstadt. Ich erwarte nichts von der Politik, sie
ist von Wirtschaftsinteressen bestimmt. Es muss also Menschen geben, die
das Heft in die Hand nehmen. So lange werden Autos brennen, bis es wieder
ausreichend Räume gibt, die nicht kapitalistischen Interessen dienen.
Kann die aktuelle Entwicklung überhaupt durch brennende Autos umgekehrt
werden?
Das ist im Moment nicht die Frage. Es laufen Aktionen, und die sind
vielfältig. Es geht nicht darum, Menschen zu verletzen oder zu töten. Es
geht darum, das menschenverachtende System zum Rückzug zu bewegen. Es soll
an verschiedenen Stellen getroffen werden.
Und Abfackeln hilft?
Früher wurde versucht, Gentrifizierung mit diplomatischen Mitteln
einzudämmen. Doch wo Profite winken, werden schnell Tatsachen geschaffen.
Die Polizei hilft bei Räumungen von Häusern, obwohl Bewohner noch gültige
Mietverträge haben. Diese Menschen bekommen keine Hilfe und werden
obendrein noch kriminalisiert.
Kann man die Entwicklung noch umkehren?
Bis dahin ist noch ein weiter Weg.
Ein CDU-Politiker hat kürzlich einen RAF-Vergleich gemacht. Damals habe es
auch mit brennenden Autos begonnen. Gibt es Parallelen? Wird es sie geben?
Das kann noch niemand sagen. Doch die Probleme von damals sind noch nicht
gelöst, haben sich sogar verschärft. Deutschland nimmt wieder an Kriegen
teil und ist weltweit größter Waffenexporteur. Die Schere zwischen Arm und
Reich ist größer denn je. Es gibt genug Motivation, das System aus Gier,
Macht und Erniedrigung zu bekämpfen. Menschen müssen wachgerüttelt werden,
denn zu viele sind durch die Zustände in eine Art Lethargie verfallen,
lassen sich ihr Gehirn durch Konsum und Medienterror zerschießen. Wir
können nicht länger warten, bis die breite Masse sich erhebt, sondern
beginnen die revolutionären Taten hier und jetzt.
*TIM GODEMANN, 27, heißt eigentlich anders, studiert in Berlin
Umweltwissenschaften und stammt von der Ostsee
31 Dec 2009
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