# taz.de -- Moderne Kommunikation: "hdgdlusnm is vll out, alta!"
       
       > In der heutigen Gesellschaft wird der Raum für die Sprache immer kleiner.
       > Wie SMS unsere Kommunikation verändert, wenn in 160 Zeichen das Leben
       > erzählt wird.
       
 (IMG) Bild: "Shuu,über,tobi hat ne ische-.- Scheiße kp was jezt?hab sie grad zsm gesehn..lassma späta telen un ne runde harzen^^shlaan muss jezt erstma kla kommen:* cu mb"
       
       Ich habe eine jüngere Schwester. Sie ist 15, ich bin 26. Und wir sind uns
       sehr ähnlich, sagen alle. Bisher war ich immer ihr Vorbild, doch mein Image
       der coolen Älteren beginnt zunehmend zu bröckeln. Schuld daran ist eine
       kurze Nachricht von 160 Zeichen. Das Problem heißt SMS. Das Dilemma: Ich
       verstehe meine kleine Schwester nicht mehr!
       
       "Shuu,über,tobi hat ne ische-.- Scheiße kp was jezt?hab sie grad zsm
       gesehn..lassma späta telen un ne runde harzen^^shlaan muss jezt erstma kla
       kommen:* cu mb". Das ist so eine SMS von ihr. Nur: Was bitte soll das
       heißen?
       
       Mit dem Handy in der Hand stehe ich da, auf dem Gesicht ein großes
       Fragezeichen. Und dann versuche ich krampfhaft die aneinandergereihten
       Buchstaben Schritt für Schritt zu dechiffrieren.
       
       Versuchen wir es: Tobi kenne ich, das ist der Junge, der sie auf dem
       Schulhof immer anlächelt. Sie findet ihn ganz toll. Bislang hatte aber
       keiner von beiden den ersten Schritt gewagt. Ich verstehe: Es scheint also
       ein Problem zu geben. Aber was ist eine ische? Ein Mädchen? Und harzen und
       shlaan? Verdammt nochmal!
       
       In neun von zehn Fällen gebe ich entnervt auf. Auch dieses Mal rufe ich sie
       an, damit sie mir wie einem Analphabeten ihre Nachricht erklären kann. Ich
       sehe sie förmlich vor mir - in ihrer juvenilen Coolness mit den Augen
       rollend, wirft sie ihren Freundinnen entnervte Blicke zu. Als wäre ich
       nicht 11, sondern mindestens 50 Jahre älter, entschlüsselt sie ihre
       Geheimsprache, die mich aus ihrem Leben ausschließt.
       
       Ich gebe zu: Die meisten Abkürzungen folgen tatsächlich einer gewissen
       Logik. Oder sie tauchen so häufig auf, dass sie fast als neue Sprachnorm
       fungieren. "Prinzip der Sprachökonomie" würde mein Linguistik-Professor
       dazu sagen. Im praktischen Leben ist das viel einfacher: Es geht darum, in
       einer SMS mit begrenzten Zeichen möglichst viele Informationen so knapp wie
       möglich unterzubringen.
       
       So erklären sich all die Buchstaben-Zahlen-Kombinationen (F2F - face to
       face), die Akronyme (bvid - bin verliebt in dich) sowie die falsche
       Schreibweise, um "überflüssige" Buchstaben weglassen zu können (jezt oder
       späta). Schwieriger wird es da schon bei komplett neuen Wortbildungen
       (harzen) oder den unterschiedlichen Smiley-Kombinationen.
       
       Harzen ist tatsächlich eine Ableitung von Hartz IV und bezeichnet
       Nichtstun. Mein Entsetzen über die Gleichsetzung eines Hartz-IV-Empfängers
       mit jemandem, der faul in der Ecke rumhängt, kann meine Schwester nicht
       verstehen. "Ist nicht wirklich ernst gemeint", sagt sie. Das Zeichen -.-
       stehe für vor Wut zusammengekniffene Augen, erklärt sie weiter: "Wenn man
       halt angepisst ist!'"
       
       Nur mal zum Hintergrund: Meine Schwester geht auf ein humanistisches
       Gymnasium, lernt Latein und Altgriechisch, liest gern, und wenn mich nicht
       alles täuscht, bekommt sie für Schulaufsätze ganz annehmbare Noten. Aber:
       In ihrer Welt muss sie noch eine andere Sprache beherrschen.
       
       Ein bisschen kenne ich das ja noch. Als ich 15 war, hatte ich kein Handy.
       Aber Abkürzungen und Geheimsprachen haben auch wir damals in unserer
       Mädels-Clique gebraucht. Je nachdem, wie sehr wir uns gerade mochten,
       variierten unsere Zettelnachrichten von "hdl" (hab dich lieb) über "hdgdl"
       (hab dich ganz doll lieb) zum eher seltenen und ganz besonderen "hdgdlusnm"
       (hab dich ganz doll lieb und sogar noch mehr). Diese Anekdote lässt meine
       Schwester jedes Mal vor Peinlichkeit erschaudern.
       
       Sie weiß: Man muss sich abgrenzen können. Lehrer, Eltern, Jungs - je
       weniger sie dich verstehen, desto besser. Aber warum ich? Sicher, das
       Phänomen der Jugendsprachen ist nicht neu, schon immer hat die ältere
       Generation die jüngere nicht verstanden und über den Verfall der Sprache
       geschimpft. Aber ich wurde doch nur elf Jahre vor meiner Schwester geboren!
       
       Warum sehen meine SMS aus wie kleine Briefe, in denen ich akribisch auf
       Groß- und Kleinschreibung und korrekte Zeichensetzung achte? Ist das dieser
       berühmte Punkt im Leben, an dem man zum ersten Mal das Gefühl hat, nicht
       mehr am Puls der Zeit zu sein?
       
       Auch wenn ich das Wie nicht verstehe, das Was ist mir am Ende dann doch
       noch klar geworden: Der tolle Tobi hat leider eine Freundin, meine
       Schwester weiß nicht mehr weiter und sucht meinen Rat. Warum sie das nicht
       in normalen Worten sagen kann? "Ist doch witziger so."
       
       Sie scheint mich zu brauchen und mir gleichzeitig klarmachen zu wollen: So
       ähnlich sind wir uns gar nicht, ich habe etwas, das du nicht hast. Ich
       beherrsche einen Raum, der dir zu klein ist!
       
       Wissen Sie: Meine Schwester hilft mir die Welt zu verstehen - und ich rate
       Ihnen, bleiben Sie einfach ganz locker, wenn Sie mal eine SMS folgenden
       Inhalts bekommen: SIMS (Schatz, ich mach Schluss), ISDINL (Ich sehe dich im
       nächsten Leben) oder aber DUWIPA! (Du wirst Papa!). Vor allem für Letzteres
       findet meine kleine Schwester hoffentlich andere Worte, wenn es irgendwann
       so weit ist. Wenn nicht, verstehe ich das natürlich auch.
       
       31 Dec 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Emilia Smechowski
       
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