# taz.de -- Satellitentechnik: Galileo mit zwei Gesichtern
       
       > Der Galileo-Auftrag für den Bremer Konzern OHB sorgt nicht bei allen für
       > Freude. Das europäische Navigationssystem wird auch militärisch genutzt.
       
 (IMG) Bild: Satellitensysteme wie Galileo nutzen auch die Küstenwachen, um Flüchtlinge aufzuspüren.
       
       In den Jubel über den millionenschweren Galileo-Auftrag für den Bremer
       Weltraumkonzern OHB mischen sich kritische Stimmen: "Galileo klingt rein
       zivil - ist es aber nicht", sagt Malte Lühmann von der renommierten
       Informationsstelle Militarisierung, ein friedenspolitischer Verein mit Sitz
       in Tübingen.
       
       14 von 30 Satelliten für das europäische Navigationssystem baut OHB. Anfang
       2014 soll Galileo in Betrieb gehen. Dann werden die Satelliten die Erde in
       23.000 Kilometern Höhe umkreisen und fünf Navigationsdienste anbieten. Vier
       seien für die zivile Nutzung vorgesehen, erklärt Lühmann, etwa als
       GPS-Alternative im Auto oder als Notfallsignal für den Schiffsverkehr. "Mit
       diesen Diensten soll Galileo kommerziell vermarktet werden", sagt er,
       "richtig spannend wird es aber beim fünften". Exakt auf eine Nutzung durch
       Militärs und Sicherheitsinstitutionen wie Küstenwachen sei der "Public
       Regulated Service" (PRS) zugeschnitten: Verschlüsselt, resistent gegen
       Störungen und von hoher Signalqualität.
       
       Lühmann verweist auf den Hintergrund von Galileo: Das Streben der EU nach
       Unabhängigkeit von amerikanischen Satellitensystemen. GPS wird von
       US-Militärbehörden kontrolliert. Und die können die Dienste von GPS - wie
       im Kosovokrieg geschehen - abschalten oder nur dem US-Militär Zugriff
       gewähren. "Damals wurde für die EU deutlich, dass ihre Militärs ein eigenes
       Satellitensignal brauchen", sagt Lühmann, "und eben das garantiert
       Galileo."
       
       Auch das Argument, Galileo stehe zivilen Nutzern - anders als GPS - selbst
       im Krisenfall zur Verfügung, stimme nicht. "Die EU behält sich ebenfalls
       vor, das öffentliche Navigationssignal abzuschalten, wenn ihre Interessen
       bedroht sind", erklärt er, "PRS würde dann aber weiterlaufen."
       
       Zur Sprache komme diese Seite von Galileo aber kaum. Weder von Seiten der
       EU, noch in Bremen, wo die Galileo-Satelliten gebaut werden. "Es wird stets
       der zivile Aspekt in den Vordergrund gestellt", sagt Lühmann. Auch um die
       Finanzierung zu legitimieren: Für die veranschlagten Kosten von 3,4
       Milliarden Euro würden rein zivile EU-Mittel verwendet.
       
       566 Millionen davon erhält OHB, das zu den weltweit führenden Herstellern
       ziviler wie militärischer Satelliten zählt. Bis zu zwei Dutzend neue
       Stellen sollen beim Bremer Konzern entstehen. Auch dort spricht man lieber
       davon, dass Galileo "als ziviles Projekt ausgelegt" sei. Lediglich einen
       "teilweise militärischen Dienst" solle es geben, erklärt OHB-Sprecher
       Steffen Leuthold. Aber: "Das sind Dinge, die uns vom Auftraggeber
       aufgezwungen werden", sagt er. "Wir sind nur die Bauer und führen
       Kundenwünsche aus."
       
       Auch die der Bundeswehr. Für sie hat OHB das Aufklärungssatellitensystem
       SAR-Lupen produziert. Die OHB-Tochterfirma Luxspace ist am
       EU-Satellitennetzwerk GMES beteiligt. GMES-Daten zur Erdbeobachtung will
       unter anderem die EU-Grenzschutzagentur Frontex nutzen. Die steht für das
       Zurückweisen von Flüchtlingsbooten in der Kritik. Position beziehen mag man
       dazu bei OHB nicht. Er sei "generell kein Freund der Formulierung, OHB sei
       ein Rüstungskonzern", sagt Unternehmenssprecher Leuthold.
       
       10 Jan 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Gras
       
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