# taz.de -- Schäfer-Gümbel über die SPD-Krise: "Alle hatten Frust und Angst"
       
       > Vor einem Jahr war Ypsilanti weg und Koch zurück. Und Schäfer-Gümbel
       > musste die SPD retten. Im sonntaz-Gespräch berichtet er aus dem
       > Innenleben einer Krisenpartei.
       
 (IMG) Bild: SPD-Fraktionschef Thorsten Schäfer-Gümbel (r) im hessischen Landtag .
       
       taz: Herr Schäfer-Gümbel, vor einem Jahr scheiterten Sie bei der
       Hessen-Wahl - und gingen daran, die SPD zu retten. Wie waren die zwölf
       Monate? 
       
       Thorsten Schäfer-Gümbel: Ich habe jetzt in meinem Tagebuch nachgelesen und
       gedacht: wow, was ein Jahr! Dass wir überlebt haben, ist echt eine kleine
       Sensation. Es gab viele in der politischen Konkurrenz, die gehofft hatten,
       dass wir uns vollständig zerlegen.
       
       Die SPD? 
       
       Die SPD insgesamt. Und dass ich auch als Person dabei kaputtgehe. Die
       Aufgabe und die Erwartungshaltung, mit der ich konfrontiert bin, die ist
       bis heute extrem hoch. Alle Rahmenbedingungen sind sehr schwierig. Wir
       haben weniger finanzielle Möglichkeiten, die Mitglieder sind müde, teils
       waren die Abgeordneten noch müder. Die letzten zwei Jahre sind eben an
       niemandem spurlos vorübergegangen.
       
       Wann haben Sie angefangen, Tagebuch zu führen? 
       
       Im November 2008 hat sich mein Leben verändert. Ich sollte die hessische
       SPD in den Landtagswahlkampf führen. Mir war klar, dass ich so etwas nie
       mehr erleben würde. Diese Zeit wollte ich nicht vergessen.
       
       Sie mussten in der Zeit vor der Landtagswahl am 18. Januar versuchen, nach
       dem Platzen der Regierungspläne von Andrea Ypsilanti die SPD am Leben zu
       erhalten. Wann haben Sie da geschrieben? 
       
       Wenn mich etwas besonders bewegt hat oder einfach wenn ich Lust dazu hatte.
       Das kann mal eine Bemerkung unterwegs gewesen sein, wenn ich ins Auto
       gesprungen und zum nächsten Termin gefahren bin, oder nachts zu Hause, kurz
       bevor ich ins Bett ging. Ich habe auf Zettel geschrieben oder mal auf eine
       Papierserviette. Es ist eher so eine Loseblattsammlung geworden. Nur vier,
       fünf, sechs Sätze. Ich mache das heute immer noch.
       
       Und dafür haben Sie Zeit? Sie haben eine Frau, drei Kinder, einen vollen
       Tag zwischen Gießen, Wiesbaden und Berlin. 
       
       Ich schreibe ja nicht gezwungen. Rein nach Lust und Laune. Oder auch nach
       Wut und Zorn.
       
       Zur Vorbereitung dieses Interviews haben Sie mir Auszüge aus dem Tagebuch
       zur Verfügung gestellt. Warum veröffentlichen Sie Ihre Aufzeichnungen
       nicht? 
       
       Das Tagebuch gibt an einigen Stellen natürlich einen sehr tiefen Einblick
       in Situationen, meine Stimmungslage und vieles andere mehr. Dieser Einblick
       ginge mir entschieden zu weit, es ist eben ein Tagebuch und kein Blog.
       
       Im Eintrag vom 2. Februar schreiben Sie: "Verhärtungen sind immer noch
       groß, im Kopf gehen die meisten schon mit, aber sie vertrauen sich noch
       nicht wieder. Kein Wunder nach der Geisterfahrt." Wen meinen Sie mit
       "Geisterfahrt": die Mehrheit der Hessen-SPD oder die Abweichler, die
       Ypsilanti nicht wählen wollten? 
       
       Letztere, weil mit der Geisterfahrt zum Beispiel das Verhalten und die
       Zusagen in Sitzungen oder die geheimen Abstimmungen gemeint sind. Vieles
       wird ja heute so dargestellt, dass ich mich frage, ob ich in derselben
       Veranstaltung war.
       
       Sie waren vorher einfacher Abgeordneter. Plötzlich standen Sie im
       Scheinwerferlicht und nun sitzen Sie sogar im SPD-Präsidium. Wie ist es da
       oben? 
       
       Anders. Das Zusammenwirken von Medien und Politik führt zum Beispiel zu
       einer Sprache ohne Ecken und Kanten. Außerdem ist man rund um die Uhr
       gefordert, darunter leidet das Leben außerhalb des Politikbetriebs. Man hat
       weniger Zeit für Familie und Freunde. Das spielt auf dieser politischen
       Ebene aber keine Rolle, es wird erwartet, dass man "funktioniert". Ich
       versuche hingegen, mir wieder Zeit für Privates zu nehmen, weil ich merke,
       wie mich das letzte Jahr auch verändert hat. Bestimmte Veränderungen will
       ich nicht.
       
       Welche? 
       
       Na ja, ich bin ein unbeschwerter Mensch und rede, wie mir der Mund
       gewachsen ist. Da es ja nicht alle gut mit einem meinen, wird man dann auch
       angreifbarer. Deswegen wird man vorsichtiger, man gibt ein Stückchen
       Spontanität her und dann noch eins. Es gab Phasen, wo ich zu viel
       aufgegeben habe.
       
       Aber im Funktionieren bestand doch Ihr Erfolg: Dass alle dachten, jetzt
       kommt so ein ungeschickter Neuling mit Doppelnamen. Dann wurde überrascht
       registriert: Der funktioniert ja! 
       
       Ich wehre mich gegen dieses Bild des "Funktionierens". Menschen bestehen
       nicht nur aus einer Aufgabe, sondern auch aus ihrer Emotion, ihrem Ich,
       ihrer Persönlichkeit. Das ist mir wichtig, und deswegen dürfen Sie auch in
       meine Aufzeichnungen schauen. Ich will offen bleiben, ohne einen
       Seelenstriptease zu machen oder auch zu viel Privates freizugeben. Es gibt
       harte Grenzen: meine Kinder zum Beispiel spielen in der Politik keine
       Rolle.
       
       Das hört sich nach einer unmenschlichen Branche an. 
       
       Unmenschlich nein, dann müsste ich sofort aufhören. Sie ist hart, und
       häufig werden Politiker reduziert und als Maschinen gesehen. Sie müssen
       eben ständig funktionieren, immer sagen, wo es langgeht, selbst wenn sie
       selber Fragen haben. Ich denke, dass dies auch einer der Punkte war, wo
       viele hochgradig irritiert waren von meinem Führungsstil. Ich habe offen
       gesagt: Leute, wir sind jetzt bei 23,7 Prozent in Hessen. Wir haben auf die
       Ohren gekriegt. Wir haben Vertrauen verloren. Wir nehmen jetzt eine Auszeit
       und besprechen uns. Ich halte das Einräumen von Fehlern für die
       Voraussetzung für einen Neuanfang. Aber das ist derzeit zu guten Teilen
       systemfremd in der Politik.
       
       Aber Sie geben doch zu, dass die Politik auch Sie verformt hat. 
       
       Ich bin beherrschter geworden, definitiv. Auch nicht mehr so ironisch, weil
       ich merke, dass sich Ironie im Parlament oder in Interviews fast nie
       transportieren lässt, was ich schade finde. Lachen, auch über sich selber,
       tut gut.
       
       Beherrschen Sie jetzt den Umgang mit Fotografen? Im Tagebuch schreiben Sie
       nach einem Shooting: "Mittwoch, 31. 12. 2008, Horrortermin ganztags, Fotos
       machen. Superteam, aber meine Sperre gegen Fotos ist noch extrem hoch." 
       
       Fototermine sind harte Arbeit für mich, strengen mich wirklich an. Ich bin
       selten entspannt, und das merkt man auch.
       
       Was ist der Grund dieser Fotosperre? 
       
       Das ist ein sehr persönlicher. Es gibt Bilder aus meiner Jugend, die für
       einen Model-Wettbewerb ungeeignet sind.
       
       Während des Wahlkampfs berichteten Sie, zehn, fünfzehn Kilo verloren zu
       haben. 
       
       (Lacht). Nee, nee, nee. Im Ergebnis waren es neun.
       
       Und die kamen dann wieder? 
       
       Nein, die kamen nicht alle wieder, dafür lebe ich nach wie vor zu hektisch.
       Es gibt da ziemliche Schwankungen, je nachdem, ob ich zum Essen komme und
       was mich emotional beschäftigt. Womit ich oft kämpfe, ist Müdigkeit.
       
       Weil Sie keine Zeit haben oder weil Sie nicht schlafen können? 
       
       Es ist beides. Im Prinzip könnte ich einen 48-Stunden-Tag gebrauchen, weil
       wir in der Partei die Kommunikation ausweiten ohne Ende. Wir müssen einfach
       reden und arbeiten. Und dann gibt es natürlich auch Momente, wo man
       schlecht schläft. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die Sachen abstreifen,
       wenn sie durch die Wohnungstür gehen.
       
       Roland Koch hat einmal gesagt, er könne immer schlafen, egal was passiert. 
       
       Tja. Er funktioniert.
       
       Sehen Sie ihn als Feind? 
       
       Als Gegner.
       
       Warum nicht als Feind? 
       
       Weil das ein Tabuwort ist. Es gehört aus dem Sprachschatz der Politik
       gestrichen. Feinde gibts in der Politik nicht. Das mag für manchen nur ein
       Wortspiel sein, ich will damit mehr sagen: Genau dort verläuft die Grenze.
       
       Gerade in Hessen pflegen doch Politiker, mit Emotion zu mobilisieren. Es
       werden Dämonen und Lichtgestalten beschworen. Und plötzlich geht es Ihnen
       zu leidenschaftlich zu? 
       
       Politik muss leidenschaftlich sein. Ich ertrage Technokraten kaum. Man
       braucht innere Spannung, Emotionen, ein Verhältnis zu dem, was da passiert.
       Es darf nur nicht in Feinddenken münden oder im Fanatismus.
       
       Sind Verletzungen nicht auch der Preis für jede starke Emotionalisierung,
       ohne dass es Fanatismus sein muss? 
       
       Das ist so. Ich sage ja: ein Spannungsverhältnis.
       
       Jetzt klingen Sie ganz schön bedächtig. Sind Sie ein Softie-Chef? 
       
       Nein, den Ruf habe ich nun wirklich nicht. Aber wer von mir erwartet, dass
       ich den großen Zampano mache und erkläre, alle anderen sind blöd, wird
       enttäuscht. Dieses autoritäre Bild von Führung, das ist nicht meins.
       
       Ich glaube Ihnen einfach nicht, dass Sie in diesem Geschäft nicht selber
       hart sind. 
       
       Das wäre auch falsch. Mein Ziel ist es aber, dass sich das Bewusstsein
       verändert, und dazu braucht man politische Debatte, Transparenz, und genau
       das mache ich. Da bin ich sehr entschieden, und das haben wir auch
       verabredet. Wer sich an die Spielregeln nicht hält, der ist dann eben auch
       raus. Die Spielregeln heißen: Wir tragen einen Konflikt dort aus, wo er
       hingehört. In der Fraktion und im Vorstand.
       
       Sie verbieten den Mund. 
       
       Nie.
       
       Aber Sie drängen in die Ecke. 
       
       Nein. Neue Diskussions- und Entscheidungskultur heißt aber, wenn etwas
       unterschwellig wabert, wird der Punkt öffentlich benannt. Dann wird
       debattiert und entschieden.
       
       Im Februar 2009 schreiben Sie: "Fünf Tage bis zum Landesparteitag.
       Unfreundliche Gespräche werden deutlich mehr, Erwartungshaltung extrem
       hoch. Listenplätze, Vorstandspositionen könnte man bis zu fünfmal vergeben.
       Werde mich nicht brechen lassen." 
       
       Das war zwischen der Landtagswahl und dem Landesparteitag. Vier sehr harte
       und anstrengende Wochen. Das war die aufgewühlteste Phase, alle hatten
       Frust und Angst.
       
       Wovor? 
       
       Vor der Zukunft. Wer bekommt welchen Platz auf der Liste für die
       Bundestagswahl im Herbst? Wie sieht der neue Landesvorstand aus? Wie stellt
       sich die neue Fraktion auf? Sorge, Unsicherheit - alles in vier Wochen und
       alles nach einem Wahlkampf, der extrem kraftraubend war. Alle
       Bundestagsabgeordneten wollten möglichst weit nach vorne auf der Liste, um
       im Falle eines schlechten Ergebnisses abgesichert zu sein. Wir hatten
       gerade erlebt, dass wir nach der Wahl dreizehn Landtagsmandate weniger
       hatten. Das wurde alles bei mir in den Vorgarten gepackt. So. Und dann gab
       es auch Streit.
       
       Wer wollte Sie denn brechen? 
       
       Ich verstehe Ihr Interesse, aber das ist abgeschlossen und geklärt.
       
       Was war kaputt in Hessens SPD, als Sie Chef wurden? 
       
       Vertrauen. Gegenseitiges Vertrauen. Wir haben einen sehr langen und
       intensiven Diskussionsprozess gehabt. 41 von 42 Landtagsabgeordneten haben
       in geheimer Abstimmung gesagt, dass sie den Weg einer Minderheitsregierung
       gehen wollen. Regionalkonferenzen, Parteitage, Mitgliederversammlungen und
       viele persönliche Gespräche. Dann kommt der 3. November. Alle fragen sich,
       was ist da passiert. Ich habe deshalb viel Vertrauen vorgeschossen, es war
       die einzige Chance, neu aufzubauen. Und dieser Weg war erfolgreich.
       Gleichzeitig habe ich gesagt, Leute, es geht um die Frage, welche Fehler
       wir gemacht haben.
       
       Im Tagebuch schreiben Sie einmal, wie Parteifreunde darauf setzen, dass die
       SPD bei einer regionalen Wahl scheitert. An verschiedenen Stellen ärgern
       Sie sich, dass Leute auf die persönliche Karriereplanung schauen, statt auf
       den Erfolg des Teams. Ist Egoismus symptomatisch für die Krise der SPD? 
       
       Quatsch. In allen Parteien gibt es - wie in allen anderen Lebensbereichen
       auch - Menschen, die sich nicht um das gemeinsame Wir scheren, sondern um
       das Ich. Das ändern sie nur dadurch, dass man wieder über Politik redet.
       Politik ist der Auftrag zu Veränderung. Wir sind ja nicht als Politiker für
       uns selbst da.
       
       Kurz vor dem SPD-Landesparteitag, bei dem Sie Vorsitzender werden sollten,
       schreiben Sie: "Freitag, 27. Februar. Anruf der dritten Art am frühen
       Morgen. Manche glauben wirklich, dass ich alles auf einmal verändern kann.
       Kernproblem bleibt, dass wir eine neue Kultur der Aussprache brauchen.
       Landesparteirat und Landesvorstand trotz Fieber überstanden, meine Rede
       habe ich noch nicht vorbereitet, Nachtschicht." - Wie hält man so einen Job
       aus? 
       
       Mir ist früher nichts geschenkt worden. Mein Vater war Lkw-Fahrer und meine
       Mutter Putzfrau. Und es ist nicht sehr lustig gewesen, dass man zum
       Beispiel auf Klassenfahrten nicht mitgehen kann: Wenn die Lehrerin sagte,
       es gibt 40 Mark Zuschuss vom Elternverein, aber die Fahrt kostet 400 Mark.
       Ich weiß, wie man solche Situationen durchsteht. Ich musste immer hart
       arbeiten.
       
       Sie wurden dann am 28. Februar mit 90 Prozent zum Chef der Hessen-SPD
       gewählt. Hat die Politik Ihnen nicht einen tollen Aufstieg ermöglicht? Und
       nun können Sie leicht die Karrieresehnsucht anderer kritisieren? 
       
       Ich kritisiere die Karrieresehnsucht anderer nicht. Ich betone nur, dass
       eine politische Karriere kein Selbstzweck ist.
       
       Ihre Tagebucheinträge vermitteln den Eindruck, dass Politik im Grunde aus
       zwei Dingen besteht: Aus Gerangel und Wahlwerbung. 
       
       Das liegt daran, dass das letzte Jahr Krisenbewältigung war und zugleich
       ein Wahljahr. Ich hatte zu wenig Zeit über Perspektiven zu reden, über
       Konzepte und Ideen. Mit unseren Vorschlägen zur Reform der
       Arbeitsmarktpolitik haben wir nun wieder einen ersten Beitrag eingebracht.
       Weitere werden folgen. Zum Beispiel zur Finanzpolitik. Wir können die
       Grundrechenarten nicht außer Kraft setzen. Schuldenbremse einerseits und
       Steuersenkung anderseits geht nicht. Die FDP wird umfallen, hoffentlich
       einmal in die richtige Richtung. Angesichts der dramatischen Lage und der
       Herausforderungen unter anderem für Bildung in diesem Jahrzehnt muss beides
       hinterfragt werden.
       
       Wie ist Ihr Verhältnis zu Andrea Ypsilanti? In den Tagebuchpassagen, die
       Sie mir gegeben haben, kommt sie kaum vor. 
       
       Andrea Ypsilanti hat eine unglaublich schwere Zeit hinter sich. In der
       Auseinandersetzung mit ihr wurden Grenzen überschritten: Diese absolute
       Personifizierung der Auseinandersetzung um das, was in Hessen passiert ist,
       bis hart an den Versuch, sie wirklich kaputtzumachen - das meine ich jetzt
       im übertragenen Sinne - fand ich unsäglich.
       
       Aber wie ist Ihr Verhältnis? Ist sie Ihre Mentorin? Ihr Schatten? Oder sind
       Sie ihr Beschützer? 
       
       Wir sind befreundet. Da gibts nichts hineinzugeheimnissen. Und ich habe was
       dagegen, dass politische Verantwortung nur auf eine Person abgedrückt wird.
       
       Nach der Bundestagswahl gab es eine Meldung, dass Ypsilanti wieder eine
       größere Rolle spielen und sogar ins Parteipräsidium wolle. Da müssen Sie
       doch explodiert sein! 
       
       Ja, ich bin explodiert, weil das eine Falschmeldung des Spiegels war. Zwei
       Minuten, nachdem die raus war, hat Andrea mich angerufen, und die Sache war
       geklärt.
       
       Sie haben nicht gedacht: Die Frau hat ihre Chance gehabt, und jetzt will
       sie noch meine Chance haben? 
       
       Nein. Andrea Ypsilanti und ich sprechen regelmäßig miteinander und nicht
       übereinander. Dass ich manches anders mache, liegt daran, dass ich ein
       anderer Mensch bin.
       
       Die SPD ist bei der Bundestagswahl dort gelandet, wo Sie davor schon
       standen: Bei 23 Prozent. Was können Ihre Parteifreunde in Berlin von Ihnen
       lernen? 
       
       Wie man nach einem Desaster zur Politik zurückfindet. Wie man wieder
       aufbaut. Man kann auch lernen, wie man Wahlen gewinnt. 2008 hat die
       Hessen-SPD 7,6 Prozent dazu gewonnen, das sollten wir nicht klein reden.
       
       Sie sind in Gießen aufgewachsen, in der Nordstadt, einem schwierigen
       Viertel. Mögen Sie die Berliner Politgesellschaft? 
       
       Ich fremdele mit Berlin nicht. So lange ich weiterhin selbstbewusst durch
       die Nordstadt laufen kann und mir nicht wie ein Fremdkörper vorkomme, so
       lange ist alles in Ordnung.
       
       Schreiben Sie dafür Ihre Tagebuchzettel? Um sich nicht zu verlieren
       zwischen dem Wiesbadener Landtag, dem Willy-Brandt-Haus und dem Café
       Einstein in Berlin? 
       
       Sie haben in der Aufzählung Lich-Birklar, das 750-Seelen-Dorf in dem ich
       lebe, vergessen. Nein, ich habe keinen Tagebuchzettel dafür. Ich habe ein
       paar Freunde gebeten, mir es bitte zu sagen, wenn ich mich verliere.
       
       Wie soll das klappen? Sie sehen die Freunde doch gar nicht mehr, haben Sie
       vorhin gesagt. 
       
       Ich habe schon gesagt, dass ich mir gerade manches wieder zurückhole. Das
       gehört dazu.
       
       15 Jan 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Georg Löwisch
       
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