# taz.de -- Nach dem Erdbeben in Haiti: Durst und Hunger
       
       > In Haiti verschärfen sich die Versorgungsprobleme, obwohl immer mehr
       > Helfer und Hilfsgüter eintreffen. Die UN erklärt das Beben als die
       > schlimmste Katastrophe ihrer Geschichte.
       
 (IMG) Bild: Die Überlebenden suchen verzweifelt Trinkwasser. Hilfsorganisationen verteilen Essen im Fußballstadion.
       
       PORT-AU-PRINCE apn | Vier Tage nach der Erdbebenkatastrophe in Haiti kommen
       die Rettungsbemühungen allmählich besser voran. Trinkwasser und
       Lebensmittel wurden am Wochenende an die zunehmend verzweifelten
       Überlebenden in Port-au-Prince verteilt. Rettungsteams bargen mindestens
       vier Personen lebend aus den Trümmern. Die Vereinten Nationen erklärten,
       das Beben sei die schlimmste Katastrophe in ihrer Geschichte. Und
       US-Außenministerin Hillary Clinton traf am Samstag in Haiti ein, um sich
       selbst ein Bild vom Ausmaß der Zerstörung zu machen.
       
       Die logistischen Probleme seien größer als die nach dem Tsunami in Asien
       2004, erklärten die UN. Die haitianische Regierung befürchtet mindestens
       100.000 Tote, rund ein Drittel der Bevölkerung sind von den Folgen der
       Katastrophe betroffen. Ein starkes Nachbeben in Port-au-Prince versetzte am
       Samstag die ums Überleben kämpfenden Bewohner erneut in Panik. Die
       Rettungsarbeiten mussten kurzzeitig unterbrochen werden.
       
       Am Sonntag bargen Rettungskräfte eine 62-Jährige lebend aus den Trümmern
       eines Hotels der völlig verwüsteten Stadt. Die Frau war dehydriert, aber
       unverletzt. Am Samstag waren bereits drei Menschen leben gefunden worden.
       Zur Befreiung der 29-Jährigen Saint-Helene Jean-Louis brauchten
       amerikanische Retter 30 Stunden, bis sie die Studentin aus den Schuttmassen
       eines Universitätsgebäudes befreien konnten. Hoffnung auf weitere
       Überlebende gab es laut Rotem Kreuz mehr als 72 Stunden nach dem Erdstoß
       kaum noch.
       
       Nach Angaben von Bundesaußenminister Guido Westerwelle wurde ein erstes
       deutsches Todesopfer geborgen, etwa 30 weitere Deutsche wurden vermisst.
       Westerwelle kündigte an, Deutschland werde seine Haiti-Hilfe von bislang
       1,5 Millionen Euro auf 7,5 Millionen Euro aufstocken.
       
       ## "Jeder fragt nach Wasser"
       
       In Port-au-Prince wurde die Lage unterdessen zunehmend verzweifelt. "Die
       Menschen sind hungrig, jeder fragt nach Wasser", sagte ein Augenzeuge.
       Hilfsorganisationen bemühten sich um die Weiterleitung von Wasser und
       Lebensmitteln, wurden jedoch immer wieder auf blockierten Straßen
       aufgehalten. Bei der Verteilung von Essen in einem Fußballstadion prügelten
       sich rund 200 Jugendliche um die Rationen und warfen Steine.
       
       UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sagte, das Welternährungsprogramm (WFP)
       stelle derzeit mehrmals täglich Lebensmittel für etwa 8.000 Bedürftige zur
       Verfügung. "Das ist angesichts der großen Not natürlich nur ein Tropfen auf
       den heißen Stein", räumte er ein.
       
       Die US-Streitkräfte übernahmen die Kontrolle über den Flughafen von
       Port-au-Prince und koordinieren die Ankunft der Maschinen mit Hilfsgütern.
       Bis Montag sollen 9.000 bis 10.000 US-Soldaten in Haiti oder auf Schiffen
       vor der Küste im Einsatz sein, wie Generalstabschef Mike Mullen mitteilte.
       
       ## 2.000 Leichen auf Müllhalde verbrannt
       
       Auf einem Friedhof vor Port-au-Prince luden Lastwagen Dutzende Leichen in
       ein Massengrab. Im Süden der Stadt verbrannten Arbeiter mehr als 2.000
       Leichen auf einer Müllhalde. Die haitianische Regierung erklärte, allein
       sie habe bereits 20.000 Leichen geborgen. Vermutlich seien mindestens
       100.000 Menschen ums Leben gekommen, sagte Ministerpräsident Jean-Max
       Bellerive der Nachrichtenagentur ap. Unter den Toten ist Ban zufolge auch
       der Leiter der UN-Friedensmission in Haiti, der Tunesier Hedi Annabi.
       
       Die früheren US-Präsidenten Bill Clinton und George W. Bush riefen die
       US-Bürger zu Spenden für die Erdbebenopfer auf. Es gehe nicht nur um
       dringend benötigte Hilfe bei den unmittelbaren Folgen der Katastrophe,
       sondern auch um ein langfristiges Konzept zum Aufbau eines wohlhabenden
       Haitis, erklärten beide am Samstag in Washington. "Wir haben die Chance, es
       besser als beim letzten Mal zu machen, ein besserer Nachbar zu sein, als
       wir bisher waren und dem haitianischen Volk zu helfen, seinen Traum von
       einer stärkeren, sichereren Nation zu verwirklichen", schrieben sie in
       einem Offenen Brief, der auf der Webseite der Zeitung New York Times
       erschien.
       
       17 Jan 2010
       
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