# taz.de -- taz-Serie "Soziale Stadt" (7b): Schule entwickelt Stadt - mit Erfolg
       
       > Zwei Schulen im Brunnenkiez haben auf die Herausforderungen reagiert: Die
       > eine bietet eigene Klassen für Kinder, die gut Deutsch sprechen, die
       > andere hat Frontalunterricht und Zeugnisse abgeschafft.
       
 (IMG) Bild: Online-Bewerbung der Townhouse-Siedlung
       
       Sieben staatliche Schulen liegen im Brunnenviertel, vier Grund-, drei
       Oberschulen. Keine von ihnen hat einen Migrantenanteil unter 80 Prozent.
       Für viele bildungsinteressierte Eltern - nicht nur deutscher Herkunft -
       sind solche Zahlen Grund, sich nach anderen Schulen umzuschauen. Zwei
       Privatschulen gibt es am Rande des Viertels schon. Nicht nur deshalb sagt
       Frank Bielka, Vorstand von Berlins größter kommunaler Wohnungsgesellschaft
       Degewo, dass "Stadtentwicklung heute nur noch über Bildung funktioniert".
       
       77 Prozent von 1.000 Befragten haben in einer Degewo-Umfrage erklärt, dass
       der Ruf von Schulen und Kitas bei der Wahl ihres Wohnortes eine
       entscheidende Rolle spielt. Vor gut vier Jahren rief die Degewo deshalb den
       Bildungsverbund Brunnenviertel ins Leben, der die Schulen vernetzen und
       unterstützen soll, ihr Image zu verbessern. Ziel sei, mehr
       "bildungsorientierte Bewohner" im Kiez zu halten oder neu zu gewinnen, um
       eine "stabile Bevölkerungsstruktur" zu erhalten, sagt Eduard Heußen,
       Moderator des Verbunds.
       
       Die Gustav-Falke-Grundschule bietet deshalb ab kommendem Schuljahr eine
       spezielle Klasse für Kinder, die besonders gut Deutsch sprechen: Mit
       Englisch ab der ersten Klasse und einer Extrastunde Naturwissenschaft. Den
       Eltern gefällts: Zwei Tage vor Ablauf der Anmeldefrist hatte die Klasse 28
       BewerberInnen. Für den Degewo-Bildungsbeauftragten Heußen ein gutes
       Konzept: "Man muss den Kindern bildungsorientierter Eltern Angebote
       machen."
       
       Die Willy-Brandt-Schule am nördlichen Rand des Kiezes geht einen anderen
       Weg. Neun von zehn SchülerInnen der Gesamtschule ohne Oberstufe kommen aus
       Einwandererfamilien aus der Türkei und arabischen Ländern, aus Osteuropa,
       Afrika, Asien. Der Ruf der Schule war schlecht, die Schließung drohte. Der
       Leiter der Schule, Wilfried Kauert, baut mit engagierten KollegInnen das
       Lernkonzept seit drei Jahren radikal um. Statt Frontalunterricht gibt es
       selbstständiges Arbeiten mit Lernbausteinen, jeder Schüler folgt einem
       individuellen Lernplan. Wer das Thema verstanden hat, meldet sich zur
       Prüfung, Noten gibt es ebenso wenig wie klassische Zeugnisse. Stattdessen
       werden in von der Schule entwickelten Kompetenzrastern Fortschritte und
       Ergebnisse festgestellt. Im "Projekt Verantwortung" sucht sich jeder
       Schüler eine Aufgabe im Kiez: Vorlesen in der Kita, Helfen im Altenheim.
       
       "Wir müssen uns an den Stärken der Schüler orientieren, nicht immer bloß
       ihre Schwächen ermitteln", sagt Kauert. Dass solche Lernmethoden vielen
       Lehrern für leistungsschwächere Schüler, zumal mit Migrationshintergrund,
       als ungeeignet gelten, beirrt ihn nicht: "Das sind ganz normale Kinder mit
       allen Stärken und Schwächen, die andere Kinder auch haben."
       
       Für sein Kollegium bedeutete die Umstellung eine Menge Arbeit: die
       Entwicklung neuer Lernmaterialien und Unterrichtsstile, eine neue
       Gestaltung der Schulräume. "Selbst das Ordnunghalten in den Klassen
       funktioniert anders", erklärt der Schulleiter. Über Erfolge will er aber
       noch nicht reden: "Es ist zu früh, um zu sagen, ob Abschlüsse besser
       werden."
       
       Sichtbar ist, dass in den Klassen ruhig gelernt wird, in den Fluren wird
       der Schulleiter freundlich gegrüßt. "Die Kinder kommen gerne zur Schule",
       sagt Kauert. Die Schließung der Schule ist jedenfalls vom Tisch: "Und bei
       der Umstellung auf das gemeinsame Lernen an der Sekundarschule sind wir den
       anderen drei Jahre voraus." ALKE WIERTH
       
       22 Jan 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Alke Wierth
       
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