# taz.de -- Volksnähe im TV: Sarkozy, mitfühlender Landesvater
       
       > Wie kann man das Volk besser beruhigen als in der Rolle des mitfühlenden
       > Zuhörers? Das dachte sich wohl auch Präsident Sarkozy. Kritik einer
       > TV-Inszenierung.
       
 (IMG) Bild: L'état, c'est moi: Herr Sarkozy gibt sich trotzdem volksnah. Kommt nämlich gut an.
       
       Volksnah, voller Verständnis für die großen Alltagssorgen der kleinen Leute
       solle er sich zeigen, hatten ihm die Kommunikationsexperten für diesen
       Fernsehauftritt am Montagabend geraten. Sarkozy gab den mitfühlenden
       Landesvater, hörte sich die Klagen an, schließlich herrscht noch Krise.
       Schuld daran ist ja nicht der Präsident. Oder doch?
       
       Vor der Großen Revolution von 1789 durfte die Bourgeoisie dem König in
       einem "Cahier des doléances" die Beschwerden und Anliegen der gewöhnlichen
       Bürger zu Gehör bringen. Nicolas Sarkozy ist zwar aristokratischer
       Herkunft, aber kein Monarch. Er begab sich darum zu einer Begegnung mit
       Volksvertretern in ein Fernsehstudio des Senders TF1, der seinem
       Busenfreund Martin Bouygues gehört; man war da also wenigstens doch nicht
       bei wildfremden Leuten.
       
       Die Einrichtung war von spartanischer Bescheidenheit. Schließlich würde man
       von der Rezession und von Massenarbeitslosigkeit reden. Darum wählte TF1
       ein ganz einfaches Dekor, das einer Cafeteria in einer Fabrik gut anstehen
       würde. Der Präsident saß da wie die elf ausgewählten Leute aus dem Volk an
       kleinen Bistrot-Tischchen, der Gesprächsleiter Jean-Pierre Pernaut musste
       stehen wie ein Kellner in diesem nüchtern ausgestatteten Lokal, in dem es
       für die Gäste dieser Sendung nicht mal was zu trinken gab.
       
       Das muss wohl die "Liberté, Egalité, Fraternité" der Republik sein: Der
       Staatschef plaudert mit einer jungen Arbeitslosen, einem traurigen Rentner,
       einer frustrierten Krankenschwester, einem sichtlich ewig unzufriedenen
       Automobilarbeiter und CGT-Gewerkschafter, einem Farbigen aus der Vorstadt
       oder einem aus Nordafrika stammenden Mittelschullehrer. Aus dem ehrgeizigen
       "Hyperpräsidenten", der alles kann und selber macht, ist ein Vertreter
       geworden, der seine Politik wie an einem Tupperware-Abend in der guten
       Stube der Nachbarin verkauft.
       
       Die fünf Frauen und sechs Männer, die TF1 als Sparringpartner für den
       sichtlich gut trainierten Präsidenten ausgewählt hatte, waren in den
       letzten Monaten in diversen Fernsehreportagen befragt worden - und so
       qualifiziert, um Sarkozy mit der kurzer Schilderung ihrer persönlichen
       Probleme Stichworte zu liefern. Sie waren manchmal durchaus hartnäckig oder
       sogar angriffig wie die 26-jährige Nathalie, die trotz ihres
       Marketingdiploms keine Stelle findet und vom Staatschef vergeblich eine
       Lösung erwartet hat. Dieser hörte sich die Klagen aus dem Volk unbeirrt an
       und zeigte Mitgefühl, wandte sich anbiedernd mit ihren Vornamen an seine
       Gesprächspartner, oft gab er sich sogar sichtlich entrüstet über diese
       Einzelschicksale: "Das ist nicht normal", und "das ist ein wahrer Skandal",
       meinte er. Natürlich kannte er diese Geschichten im Voraus, zu jedem Thema
       konterte er mit Zahlen, die er dazu auswendig gelernt hatte.
       
       Den Rentner, der den Tränen nahe wie viele Zuschauer bestimmt auch
       schilderte, wie er unverschuldet alles verloren hat und nun wegen seiner
       winzigen Rente noch mit 67 in Gelegenheitsjobs weiterarbeiten muss, hatte
       TF1 in dieser Inszenierung als emotionale Pointe für den Schluss
       aufgespart, damit Sarkozy geloben konnte, er werde die Mindestrenten
       erhöhen und für die Finanzierung der Altersvorsorge ohne Leistungskürzung
       garantieren. Wer hat da behauptet, er mache leere Versprechen?
       
       27 Jan 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rudolf Balmer
       
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