# taz.de -- Trittin zum Weltwirtschaftsforum: "Die Herren sind unbelehrbar"
       
       > Laut Jürgen Trittin behindert das Weltwirtschaftsforum den notwendigen
       > Aufbau globaler Regulierungsmechanismen. In der rot-grünen
       > Finanzmarktpolitik räumt er Fehler ein.
       
 (IMG) Bild: Würde trotz Einladung nicht zum Weltwirtschaftsforum gehen: Jürgen Trittin.
       
       taz: Herr Trittin, Sie wurden als Hauptredner zur Gegenveranstaltung nach
       Davos eingeladen. Wäre das nicht eine gute Gelegenheit, auch bei der
       Wirtschaftselite vorbeizuschauen? 
       
       Jürgen Trittin: Beim Weltwirtschaftsforum selbst war ich nicht eingeladen -
       und wäre dort auch nicht hingegangen. Es hat ohnehin an Bedeutung verloren.
       Zwar ließen die selbstkritischen Reden der Wirtschaftselite im letzten Jahr
       noch aufhorchen. Doch im Gegensatz zu den damaligen Ankündigungen ist die
       Re-Regulierung der internationalen Finanzinstitutionen nicht vorangekommen.
       Die Herrschaften scheinen unbelehrbar zu sein und haben wohl auch das
       Interesse daran verloren, aus der Krise zu lernen: Die Spekulation floriert
       wieder, riskante und gänzlich unregulierte Finanzprodukte werden noch immer
       verkauft. Auch in Europa gibt es noch immer keine einheitliche
       Finanzaufsicht und keine Finanztransaktionssteuer.
       
       Während der rot-grünen Koalition hatten Sie sieben Jahre Zeit, die Aufsicht
       über die Finanzmärkte zu verändern. De facto hat Rot-Grün bei der
       Deregulierung der Finanzmärkte aber mitgemacht. 
       
       Ich teile diese pauschalisierte Betrachtung nicht - auch wenn es sicher
       kritikwürdige Punkte bei den Finanzmarkt-Entscheidungen von Rot-Grün gibt.
       Es mag keine glorreiche Bilanz sein, aber sie ist zumindest gemischt.
       Rot-Grün hat etwa mit der BaFin zum ersten Mal eine integrierte
       Finanzaufsicht eingeführt. Das war ein Schritt in die richtige Richtung,
       auch wenn sich während der Finanzkrise zeigte, dass sie mit zu wenig
       Kompetenzen - etwa zur rechtzeitigen Teilverstaatlichung der Hypo Real
       Estate - ausgestattet wurde.
       
       Rot-Grün hat die Hedgefonds reguliert, und zwar so streng, dass es nur eine
       Handvoll Hedgefonds nach deutschem Recht gibt. Von einer Zurückhaltung bei
       der Regulierung kann also keine Rede sein. Rückblickend erwies es sich
       allerdings als großer Fehler, die Veräußerungsgewinne beim Verkauf von
       Unternehmen von der Steuer zu befreien. Das wirkte wie ein Turbo für
       Spekulationen und ließ damals an den Börsen die Sektkorken knallen.
       
       Die Öffentlichkeit erfährt nicht, was bei dem WEF-Jahrestreffen wirklich
       vor sich geht. Dennoch hat die Veranstaltung über die Jahrzehnte einen
       beträchtlichen politischen Stellenwert erlangt. Was bedeutet so ein Treffen
       der globalen Elite für demokratisch verankerte Entscheidungsprozesse? 
       
       Was die Weltfinanzpolitik betrifft, dient Davos vor allem der informellen
       Vernetzung und damit zweifellos der Verfestigung bestehender
       Herrschaftsstrukturen. Insofern trägt das Treffen nicht zur Verbesserung
       der internationalen Governance bei und konkurriert mit dem notwendigen
       Aufbau von Institutionen, die wir eigentlich bräuchten. Andererseits muss
       man einräumen, dass sich Davos als Forum für die Kommunikation zwischen
       Wissenschaft und politischen Entscheidungsträgern geöffnet hat. Man sollte
       es deshalb nicht auf das Zerrbild einer konspirativen Veranstaltung
       reduzieren.
       
       Spätestens die Blamage auf dem Weltklimagipfel in Kopenhagen hat gezeigt,
       welcher weltpolitische Schaden droht, wenn es kein institutionalisiertes,
       demokratisches und vor allem effektives internationales Forum gibt. Wie
       kommen wir aus dieser Sackgasse heraus? 
       
       Das Hauptproblem der Globalisierung ist der Mangel an Recht. Eine globale
       Marktwirtschaft ohne einen rechtlichen Rahmen ist kriminell. Diesen Mangel
       an verbindlichem Recht kann man nur durch eine globale Vereinbarung
       zwischen den Staaten beheben - neben den Vereinten Nationen gibt es dafür
       kein anderes legitimes Forum. Die Krise hat außerdem gezeigt: Die G 8 ist
       tot. Es ist heute nicht mehr möglich, die Weltwirtschaft zu gestalten, ohne
       die wichtigsten Schwellenländer zu berücksichtigen.
       
       Was folgt daraus? 
       
       Die Rolle der G 8 wird in der internationalen Governance von der G 20
       übernommen, wie schon beim Welthandel. Auch die G 20 aber muss man
       perspektivisch wieder in die Vereinten Nationen überführen. Das Scheitern
       in Kopenhagen zeigt, dass die Mechanismen, die man von den G 20 kennt,
       nicht für ein Problem wie den Schutz des Weltklimas taugen. In Kopenhagen
       hat ein Land mit dem Finger auf das andere gezeigt, ohne selbst
       verbindliche Verpflichtungen eingehen zu wollen. Hier hat auch das alte
       Format der UN-Klimakonferenz zu dem Debakel beigetragen. Die Lehre aus
       Kopenhagen lautet: Die Chefs regeln die Probleme nicht. Wenn die Staats-
       und Regierungschefs versuchen, ein solches Problem zu lösen, kommt nicht
       mehr, sondern weniger dabei heraus.
       
       27 Jan 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tarik Ahmia
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Weltwirtschaftsforum in Davos: Ökonomen watschen Sarkozy ab
       
       Beim Weltwirtschaftsforum stößt die Forderung, die Währungspolitik besser
       zu koordinieren, auf Kritik. Sie halten ein zweites Bretton Woods schlicht
       für unrealistisch.
       
 (DIR) Weltwirtschaftsforum: Das Ende von Davos
       
       Das Elite-Treffen steckt in einer tiefen Krise. Sein Niedergang könnte das
       Ende der bisherigen finanzkapitalistischen Strukturen markieren. Und China
       hat sein eigenes Davos.
       
 (DIR) Grünen-Fraktionschef: Trittin im Krankenhaus
       
       Sorge um Jürgen Trittin: Der Grünen-Fraktionschef ist überraschend ins
       Krankenhaus gekommen. Er sagte alle Termine in dieser Woche ab.