# taz.de -- Pro und Kontra: Soll Homeschooling verboten bleiben?
       
       > Die Schulpflicht wurde lange Zeit als Errungenschaft gefeiert. Ist sie es
       > immern noch wert, verteidigt zu werden? Oder ist Homeschooling eine
       > Alternative?
       
 (IMG) Bild: Uwe Romeike und seine Frau Hannelore beim Unterricht ihrer fünf Kinder.
       
       Pro 
       
       Die armen Romeikes! Da wollte der böse deutsche Staat sie zwingen, dass
       ihre fünf Kinder an einer staatlichen Schule etwas von der Evolutionslehre
       erfahren, vom Humanismus und vom Dialog der Religionen - unzumutbar für die
       evangelikalen Christen, weshalb sie ihre Kinder seit Jahren zuhause
       unterrichtet haben. Ihr exklusiver Hausunterricht, das Homeschooling, war
       ihnen so wichtig, dass sie in die USA ausgewandert sind. Ja, sie haben gar
       politisches Asyl dort gefunden, weil sie in Deutschland wegen ihrer
       Schulverweigerung angeblich verfolgt würden!
       
       Nun geht es nicht um die absurde Entscheidung eines "Immigrations-Richters"
       aus der amerikanischen Provinz - dieses Urteil ist eher eine Posse. Wichtig
       ist vielmehr, dass vor allem religiöse Fundamentalisten gleich welcher
       Glaubensrichtung das Instrument Hausunterricht wie die Romeikes
       erklärtermaßen am liebsten dazu nutzen würden, ihre Kinder von jeglicher
       Konfrontation mit anderen Weltanschauungen, ja mit der modernen Welt
       abzuschirmen. Es ist ein hohes Gut, dass der demokratische Staat von seinen
       jüngsten Bürgern neben der neunjährigen Schulpflicht verlangen kann, in
       eine Schule zu gehen, in der sie Toleranz lernen müssen gegenüber Menschen
       und Ideen, die ihren Eltern vielleicht nicht so gefallen.
       
       Sicher, manche staatliche Schulen sind, etwa was das Niveau oder die
       Ausstattung angeht, zum Erbarmen. Und, keine Frage, der Wissensstand der
       Hausunterrichts-Kinder kann bestenfalls umfassender sein als der von
       Schülern öffentlicher Schulen. Dies aber sind alles nicht ausreichende
       Gründe, um die Schulpflicht aufzuweichen. Denn wer die staatliche Schule
       vor Ort dem teuren Nachwuchs nicht zumuten will, dem bietet sich eine Fülle
       öffentlicher Schulen in privater Trägerschaft, die solche Defizite
       ausgleichen - zu erträglichen und meist sozial gestaffelten Preisen. Hier
       können dann, staatlich überwacht, auch etwa die Kinder evangelikaler Eltern
       einen christlich gefärbten Unterricht erfahren, der die Indoktrination der
       Eltern bricht, ohne ihre Weltanschaung zu verraten. Man müsste nur zu etwas
       Toleranz und Kompromissen bereit sein.
       
       PHILIPP GESSLER ist Reporter der taz. 
       
       * * * 
       
       Kontra 
       
       Homeschooling ist igitt igitt, weil es Fundis machen, die ihre Kinder zu
       einer sektiererischen Haltung erziehen - diese Position ist zu simpel. Denn
       im Sinne einer Re-Vergesellschaftung von Lernen und Schule kann
       Homeschooling ein wichtiger Reformstachel sein.
       
       Jahrelang dachten wir, die Schulkrise hänge an den schlechten Pisaplätzen.
       Dabei ging es stets um die hohe Zahl an Risikoschülern und Schulabbrechern.
       Sie resultieren nicht aus einem bedauerlichen Webfehler, es ist das falsche
       Konstruktionsprinzip der staatlichen Schule.
       
       Diese Schule ist veraltet und in den Denkstrukturen des Obrigkeitsstaates
       gefangen. Nicht umsonst sagt der neue Präsident der
       Kultusministerkonferenz, Ludwig Spaenle (CSU), er werde Bildungsstandards
       notfalls "durch Vorzeigen der Folterinstrumente" erzwingen. Wer da noch
       meint, die Kultusfritzen dächten um, sitzt einem großen Missverständnis
       auf.
       
       Das Turbogymnasium wird ebenso stümperhaft wie brutal eingeführt. Und die
       Debatte über die Bildungsrepublik ist nichts als empörend. Man gaukelt den
       Bürgern vor, die verwahrlosten Schulgebäude würden mit mehr Geld für
       Bildung saniert. Unsinn. Es wird absolut und relativ weniger Geld in die
       Schulen fließen.
       
       Warum sollte der Staat irgendetwas besser machen? Er hat die Schulen im 19.
       Jahrhundert verstaatlicht und bürokratisiert - aber er hat sie nie
       demokratisiert und grundlegend modernisiert. Demokratisierung schenkt einem
       der Staat nicht, die muss man sich erkämpfen - indem die Gesellschaft ihre
       Schulen sich wieder zurückholt.
       
       Wie das geht?
       
       Paradoxerweise durch eine Privatisierung oder, schöner, Vergesellschaftung.
       Indem Kommunen und Reforminitiativen eigene gute Schulen gründen. Und indem
       die Eltern dem Staat ihre Kinder wegnehmen, solange er sie für seinen
       Sortierauftrag missbraucht. Eltern sollten mit Fördervereinen die
       Staatsschule unterwandern, sie in Schulgremien zivilisieren; und sie
       sollten, schmerzvollster Akt, ihre Kinder selbst unterrichten. In diesem
       Sinne kann Homeschooling eine nützliche Waffe sein.
       
       CHRISTIAN FÜLLER ist Autor und taz-Redakteur.
       
       30 Jan 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) P. Gessler
 (DIR) C. Füller
       
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 (DIR) Schule
       
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