# taz.de -- Urheberrecht: Indies gegen Kulturflatrate
       
       > Illegale Downloads sind weiterhin ein Problem für die Musikbranche. Eine
       > Kulturflatrate wollen die im VUT organisierten Indielabels nicht – lieber
       > eine eigene zentrale Musikbibliothek.
       
 (IMG) Bild: Kampagne der Electronic Frontier Foundation gegen die Kriminalisierung von Filesharern.
       
       Mittwochabend lädt der grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck zu einer
       [1][Podiumsdiskussion], an der unter anderem Stephan Benn vom Verband
       unabhängiger Musikunternehmen (VUT) und Tom Steinle, Chef des Indielabels
       Tomlab aus Köln teilnehmen werden.
       
       Ein wichtiger Punkt in der Diskussion wird die Kulturflatrate sein. In
       einem Gespräch mit der taz sagten Volker Beck und Netzaktivist Markus
       Beckedahl, dass die Pauschalabgabe eine gute Möglichkeit sei, die "Freiheit
       im Internet" zu wahren. Dem hielten Stephan Benn, Tom Steinle und Thomas
       Morr, Labelchef von Morr Music entgegen, dass ein solches System ungerecht
       für KünstlerInnen und Labels sei, da es sich nicht an der tatsächlichen
       Nutzung orientiere.
       
       Nicht nur für die Indielabels, die in erster Linie für den Künstler und
       nicht für den eigenen Geldbeutel wirtschaften, seien die illegalen
       Downloads ein großes Problem. Auch Künstler, die von ihrer Musik leben
       wollten, seien mehr und mehr verbittert. "Für unsere KünstlerInnen ist
       jeder illegale Download ein Einbruch in ihre Privatsphäre", klagt Morr. Es
       sei das eine, wenn MusikerInnen freiwillig ihre Lieder zum download
       anböten, anders sehe es aus, wenn sich Leute die Musik einfach "nehmen"
       würden. Das Label stellte auf seiner Homepage zum Beispiel viele Stücke
       ihrer Künstler als kostenlosen Stream bereit.
       
       Deshalb, so fordern die drei Indie-Vertreter, müsse über Konzepte
       nachgedacht werden, diese "Einbrüche" zu verhindern und Labels und
       KünstlerInnen angemessen zu entschädigen. Denn Filesharing ist in der Welt
       und die Tatsache, dass Leute Musik und andere Inhalte herunterlüden, ist
       nicht wegzureden.
       
       Bitkom: Auf jeden legalen Download acht illegale 
       
       Eine Umfrage des IT-Branchenverbandes Bitkom zu dem Schluss, dass legale
       Downloads immer populärer werden, 40 Millionen heruntergeladene Alben und
       Lieder wurden 2008 registriert, dass aber auf jeden dieser legalen Dowloads
       acht illegale kämen.
       
       Auf der anderen Seite existieren aber auch Studien, die den Gedanken nahe
       legen, dass die ökonomischen und kulturellen Effekte des Filesharings
       sowohl kurz- als auch langfristig positiv einzuschätzen sind – die
       niederländische Studie "[2][Ups and Downs]" (PDF) legt nahe, dass den
       Verlusten der Musikindustrie "Wohlfahrtsgewinne" in Höhe von 100 bis 200
       Millionen Euro gegenüber stehen. Einer Verschärfung des Urheberrechts
       erteilen die Autoren der von den Niederländischen Ministerien für
       Wirtschaft, Justiz und Bildung, Kultur und Wissenschaft in Auftrag
       gegebenen Studie eine Absage.
       
       VUT fordert "stärkere Schutzrechte" 
       
       Der VUT sieht für das "Download-Problem" bisher nur eine mögliche Lösung:
       Stärkere Schutzrechte für kulturelle Inhalte. Benn konkretisiert: die
       Durchsetzung der bestehenden Schutzrechte sei möglich, aber
       unverhältnismäßig kompliziert, es müsse nach neuen Wegen gesucht werden.
       
       Im Gegensatz zu den Majorlabels, die ihre Anwälte auf das Internet
       losließen, hielten sich die Indies bisher zurück. "Unsere Hörer abzumahnen,
       ist nicht unser Stil", sagte Stephan Benn vom VUT. Offenbar will der VUT
       nicht die Filesharer kriminalisieren – oder er traut sich das nicht laut zu
       sagen. Man fordert bisher lediglich die Abschaltung von Seiten wie
       Rapidshare oder Megaupload, die durch ihre Strukturen die illegale
       Verbreitung kreativer Inhalten ermöglichen.
       
       Hier will der VUT die Bedingungen für diese Webhoster erschwert sehen, etwa
       durch eine Regelung, dass Filehoster prüfen müssten, ob derjenige, der
       Musik bei den Plattformen hochstellt, auch wirklich der Urheber ist.
       Stephan Benn findet, dass diese Sperrung von illegalen Börsen nichts mit
       Zensur zu tun hat. "Wir brauchen hier eine differenzierte und unpolemische
       Debatte", sagt Benn.
       
       Volker Beck hingegen ist das schon zu viel. "Wer nur auf abschalten setzt,
       hat nicht verstanden, dass wir im Internet in einem globalen Rahmen
       agieren, ohne dass es bislang einen globalen Rechtsrahmen gibt", sagte der
       Abgeordnete. Für ihn sei die Kulturflatrate eine "geeignete Lösung",
       MusikerInnen und Labels zu entschädigen und gleichzeitig den "Druck und die
       Repression" aus dem Netz zu nehmen. Der Anspruch der Major-Musikindustrie
       auf den strafrechtlichen Apparat halte er für "unverhältnismäßig".
       
       Auch Netzaktivist Markus Beckedahl, der auf [3][Netzpolitik.org] bloggt,
       wirbt intensiv für eine Kulturflatrate. "Das wäre der vernünftige Mittelweg
       für alle Interessenten", sagte er. Damit das Geld gerecht verteilt wird,
       könne er sich vorstellen einen Audioscrobbler, wie bei der Musikplattform
       last.fm, in Abspielgeräte wie den Windows Media Player oder itunes zu
       implementieren.
       
       Dieser könne dann, unter der Vorraussetzung der Anonymisierung, exakt
       ermitteln, welche Musik wie oft gehört wird und so MusikerInnen und Labels
       angemessen entschädigen. So bräuchte man im Idealfall nicht mal einen
       Kontrollmechanismus.
       
       "Kulturflatrate" – Begrifflichkeit zu diffus 
       
       Von der Musikflatrate halten Morr, Steinle und Benn erstmal nichts,
       jedenfalls nicht in der momentan eher diffusen Begrifflichkeit. Stephan
       Benn stellte fest, dass der inflationär genutzte Begriff der Kulturflatrate
       mehr Fragen offen lasse als beantworte. Nicht zuletzt, so scheint es ihm,
       als hätten Musikindustrie, KünstlerInnen, unabhängige Unternehmen, Medien
       und Politik eine recht unterschiedliche Auffassung davon, was eine solche
       Flatrate sei und wie man sie umsetzen könne.
       
       Es sei nicht abzusehen, ob die Systeme, die mit kreativen Inhalten
       handelten, ihren Wert durch Implementierung einer Flatrate nicht komplett
       verlören. Er und Steinle verlangen statt einer Pauschalvergütung eine
       Entschädigung, die sich an der "tatsächlichen Nutzung orientierten". Eine
       Lösung hierfür liege in neuen Geschäftsmodellen.
       
       Eine staatlich organisierte Kulturflatrate will der VUT nicht, er könnte
       sich aber vorstellen, selbst eine zentrale Musikbibliothek einzurichten, in
       die alle UrheberInnen ihre Musik einstellen und auf die NutzerInnen dann
       gegen eine monatliche Abgabe oder sogar kostenlos auf Musik frei zugreifen
       könnten. Auf legalem und komfortablen Wege. Vorbild hierfür: [4][Spotify]
       aus Schweden. Das sei ein wirklicher Kompromiss für User und MusikerInnen.
       
       3 Feb 2010
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.gruenekoeln.de/kreisverband/aktuell/news/veranstaltung-mit-volker-beck.html
 (DIR) [2] http://www.ivir.nl/publicaties/vaneijk/Ups_And_Downs_authorised_translation.pdf
 (DIR) [3] http://netzpolitik.org
 (DIR) [4] http://www.spotify.com/en/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lukas Dubro
       
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