# taz.de -- Pat Mooney über Klima und Welthunger: "Die Pflanze wird neu entwickelt"
       
       > Mit großflächigen Eingriffen in das System Erde oder der synthetischen
       > Biologie sind die heutigen Probleme nicht zu lösen, sagt der kanadische
       > Umweltexperte Pat Mooney.
       
 (IMG) Bild: Zuckerrohranbau für die Ethanolgewinnung in Brasilien.
       
       taz: Herr Mooney, im März treffen sich im kalifornischen Monterey
       Wissenschaftler aus aller Welt. Worum geht es da? 
       
       Pat Mooney: Sie werden verkünden, die Rettung der Welt vor den Folgen des
       Klimawandels liege im Geo-Engineering. In Kopenhagen habe sich gezeigt,
       dass die Regierungen und die UNO nicht mit dem Klimawandel fertigwerden.
       Also soll eine Koalition der Willigen her, ein paar Länder, ein paar
       Milliardäre, um diesen Plan B durchzusetzen.
       
       Was ist Geo-Engeneering? 
       
       Großflächige Eingriffe in die Erdatmospäre, in die Ozeane oder in den
       Boden, etwa indem man Schwefelpartikel in die Stratosphäre bläst, um die
       Sonnenstrahlen zurückzuwerfen: Oder man streut Eisenpartikel auf die
       Meeresoberfläche, um CO2 absorbierende Algen zu vermehren und die
       Meerestemperatur zu senken. Es ist kein Zufall, dass sich diese Leute
       gerade im malerischen Asilomar-Resort treffen.
       
       Was ist an diesem Ort so besonders? 
       
       Vor genau 35 Jahren fand dort ein Treffen von Gentechnikern statt, die
       einen freiwilligen Verhaltenskodex verabschiedeten. Tatsächlich kamen die
       ersten staatlichen Regelungen 20 Jahre später. Damals wie heute lautete die
       Botschaft: Die Wissenschaft wird es schon richten.
       
       Hält sich Politik heute auch so zurück? 
       
       Im US-Kongress und im britischen Parlament finden gerade Hearings mit dem
       Ziel statt, öffentliche Mittel für Geo-Engineering-Versuche im großen Stil
       frei zu machen. Für die USA oder auch für Großbritannien hat das den
       Vorteil, dass die UNO nicht zustimmen muss. Solche absurden Strategien
       kamen erstmals in den Siebzigerjahren auf, jetzt werden sie leider
       salonfähig.
       
       Was meinen Sie, warum wird gerade jetzt ernsthaft über diese Experimente
       nachgedacht? 
       
       Einige von ihnen scheinen jetzt umsetzbar zu sein. Die furchterregendsten
       sind wohl jene, mit denen die Veränderungen in der Stratosphäre angestrebt
       werden. Man pustet Schwefel oder Salz hinauf, um durch künstliche
       Wolkenbildung die Temperatur zu senken. Der Nobelpreisträger Paul Crutzen
       vom Max-Planck-Institut in Hamburg schätzt, dass es 25 bis 50 Milliarden
       Dollar im Jahr kosten würde, diesen "kosmischen Staub" zu produzieren. Gar
       nicht so viel, wenn man das mit der Rettung einer Bank oder einer Autofirma
       vergleicht …
       
       Wie verhält sich die US-Regierung dazu? 
       
       Obamas Wissenschaftsberater und andere Leute waren früher gegen
       Geo-Eingineering, jetzt schweigen sie. Und Energieminister Steven Chu ist
       dafür. Für die Industrie ist es eine wunderbare Lösung, sie müsste sich
       nicht umstellen, und auch die Politiker müssten ihren Wählern nicht
       zumuten, ihren Lebensstil zu ändern.
       
       Woher dürfte am ehesten Widerstand kommen? 
       
       Von den Regierungen des Südens. Warum sollten sie diesen überwiegend
       weißen, englischsprachigen Männern die Lösung ihrer Probleme anvertrauen?
       Selbst wenn durch Interventionen in die Stratosphäre die Temperaturen in
       den gemäßigten Zonen um zwei Grad sinken würden, sind Auswirkungen auf
       Tropengebiete wahrscheinlich, etwa Dürren in Indien oder in der Sahelzone.
       
       Sie arbeiten auch zum Thema Welternährung. Da werden ebenfalls
       Wunderlösungen angeboten. 
       
       Ja, da gibt es den Bereich der synthetischen Biologie. Da wird nicht nur
       wie in der Gentechnik ein Gen von einer Art in eine andere verschoben,
       sondern da werden DNA-Sequenzen neu gebastelt, große DNA-Stränge in
       Pflanzen eingebaut, oder die Pflanze wird ganz neu entwickelt. Das ist noch
       viel riskanter als die Gentechnik, es ist auch völlig ungewiss, ob das
       funktioniert.
       
       Könnte das dennoch ein Mittel gegen den Welthunger sein? 
       
       Nein, im Gegenteil. Das große Ziel ist die zweite, die dritte Generation
       des Agrosprits. In Brasilien gibt es ja heute schon einen Dominoeffekt: Das
       Zuckerrohr für die Ethanolproduktion verdrängt die Soja, diese wiederum die
       Viehweiden, die auf den Regenwald zurücken. In Afrika ist das noch viel
       direkter. Die Firmen nehmen das Land mit dem besten Zugang zu Wasser, oder
       sie leiten das Wasser von benachbarten Gebieten auf ihre bewässerten
       Agrospritfelder.
       
       Es heißt ja oft, in Afrika gäbe es genug Land, um Agrotreibstoffe anzubauen
       … 
       
       Nein, dieses angeblich marginale Land ernährt ein Drittel aller Afrikaner,
       die in ländlichen Gebieten leben, ohne es würden noch viel mehr an Hunger
       sterben. Die Frage ist ja auch: Wie überleben wir den Klimawandel? Das
       agroindustrielle Modell hat ja in den letzten 50 Jahren konsequent die
       Vielfalt zerstört und auf eine Handvoll von Getreide-, Nutztier- oder
       Fischarten reduziert. Das hat uns extrem verwundbar gemacht. Andererseits
       gibt es ja immer noch unglaublich diverse Kleinbauernsysteme. Kleinbauern
       sind auch viel innovativer als die industriellen Farmer.
       
       Was heißt das für die Produktion von Lebensmitteln? 
       
       85 Prozent der Lebensmittel werden im selben Land hergestellt, wo sie
       konsumiert werden, und 85 Prozent werden ohne Pestizide oder importiertes
       Saatgut hergestellt. Das ist lokale Produktion, was man durch den Blick auf
       Monsanto, DuPont oder Syngenta leicht übersieht. Wir müssen erkennen, dass
       wir ohne die Kleinbauern nicht überleben werden. Schon heute ernähren sie
       die Welt.
       
       Doch die Macht liegt zu mindestens 85 Prozent beim Agrobusiness … 
       
       Man muss verstehen, dass für unser Überleben und die Lösung des
       Hungerproblems die Vielfalt ganz zentral ist. Schon heute werden die über
       eine Milliarde Hungernden nicht primär durch Nahrungsmittelhilfe ernährt
       oder gar von Monsanto oder Cargill, sondern von ihren Nachbarn. Drei
       Viertel aller Hungernden leben in ländlichen Gebieten. 85 Prozent der
       Nahrung werden nicht vom Agrobusiness produziert, auch das ist eine Macht.
       
       5 Feb 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gerhard Dilger
       
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