# taz.de -- Plagiatsvorwurf gegen Jungautorin: Hegemann verteidigt sich
       
       > Die gefeierte Jungautorin Helene Hegemann soll für ihren Roman "Axolotl
       > Roadkill" aus einem Blog abgeschrieben haben. Sie selbst spricht vom
       > "Recht auf Kopie".
       
 (IMG) Bild: "Von mir selber ist überhaupt nichts, ich selbst bin schon nicht von mir" (dieser Satz ist übrigens von Sophie Rois geklaut), so Hegemann über den Plagiatsvorwurf.
       
       Mit dem Erscheinen ihres Debütromans "Axolotl Roadkill" gilt die 17-jährige
       Helene Hegemann als literarisches Wunderkind. Die Exzesse der jungen
       Schulschwänzerin Mifti, Ende Januar bei Ullstein erschienen, wurden rasch
       zum Bestseller und von Kritikern als "Coming-of-age-Roman der Nullerjahre"
       gehandelt.
       
       Doch nun sind Plagiatsvorwürfe gegen Hegemann aufgetaucht: Für ihre
       authentischen Drogenschilderungen aus dem Berliner Nachtleben soll sie sich
       großzügig aus den Texten des Bloggers Airen bedient haben. Der 1981
       geborene Wirtschaftswissenschaftler und Technofan schreibt seit 2004 unter
       [1][airen.wordpress.com] Texte über das Berliner Nachtleben. Im Jahr 2009
       erschien im kleinen Sukultur-Verlag sein Buch "Strobo". Der Blogger Deef
       Pirmasens listete jetzt auf der Seite [2][gefuehlskonserve.de] detailliert
       einige Textstellen auf, die beweisen sollen, wie dicht Textpassagen aus
       "Axolotl Roadkill" bei Airens Texten liegen und nachempfunden sind.
       
       Er finde es grundsätzlich legitim, dass sich AutorInnen von anderen
       inspirieren ließen, sagt Pirmasens. Bei Hegemann nehme die Inspiration aber
       "Copy-Paste-mäßige Züge" an. Tatsächlich ist die Ähnlichkeit zwischen
       beiden Texten an einigen Stellen frappierend. "Ich habe Fieber,
       Koordinationsschwierigkeiten, ein Promille im überhitzten Blut …" heißt es
       bei Hegemann. Bei Airen: "Ich habe ein Grad Fieber sowie ein knappes
       Promill Alkohol im überhitzten Blut." Nicht nur einzelne Wendungen hat
       Hegemann übernommen, ganze Handlungsstücke aus "Strobo" tauchen in "Axolotl
       Roadkill fast unverändert wieder auf. So schreibt Hegemann: "Ich mache drei
       Schritte nach vorn und knalle rückwärts gegen irgendeinen sich im
       öffentlichen Raum befindlichen Werbeträger von Langnese. Ich drehe mich um
       und knalle rückwärts gegen einen grobporigen Typen in grünen Klamotten. Er
       [der Polizist] setzt mich in ein Taxi …" In "Strobo" liest sich die Passage
       so: "Ich steige aus, mache drei Schritte nach vorn und pralle rückwärts
       gegen die Bahn. Dann stehe ich auf, mache drei Schritte nach vorn und
       pralle rückwärts gegen die Bahn. Schließlich kommen zwei so grobporige
       Bahnbullen und verfrachten mich in ein Taxi."
       
       Helene Hegemann hat inzwischen Stellung zu den Vorwürfen genommen. Sie
       entschuldigt sich für ihre Gedankenlosigkeit, verteidigt ihr Vorgehen aber
       als legitim. Sie habe eben einen Nullerjahre-Roman mit den Vorgehensweisen
       dieses Jahrzehnts geschrieben, "also mit der Ablösung von diesem ganzen
       Urheberrechtsexzess durch das Recht zum Kopieren und zur Transformation".
       
       Ihr Verlag vertritt in der Urheberrechtsfrage die traditionelle Position.
       In einer zeitgleich verbreiteten Erklärung von Ullstein heißt es, Hegemann
       hätte ihre Quellen deutlich kennzeichnen und Zitate vom Urheber genehmigen
       lassen müssen. Ullstein bemüht sich nun beim Sukultur Verlag um eine
       nachträgliche Genehmigung. In der zweiten Auflage von "Axolotl Roadkill"
       wird der Blogger Airen auch in die Liste der Danksagungen am Ende des
       Buches aufgenommen. Ob ihm das genügt, ist noch offen.
       
       Auf gefuehlskonserve.de geht derweil die Suche nach weiteren
       Inspirationsquellen von Helene Hegemann weiter. Auch einen Songtext der
       Band Archive soll Hegemann, ins Deutsche übersetzt, ungekennzeichnet
       übernommen haben. Plagiat oder Sample, wie man dies ähnlich von der
       elektronischen Musik her kennt? Ein Text der neu eingebettet auch etwas
       ganz Neues ergibt?
       
       In der Literatur gilt dies bislang doch eher als Frevel, der mit Ächtung
       der Autorin und schlimmstenfalls mit eingestampften Auflagen enden kann.
       "Originalität gibts sowieso nicht, nur Echtheit", schreibt Hegemann in
       ihrer Erklärung. Dieses trotzige Statement einer mit der Remix-Kultur
       aufgewachsenen Autorin könnte schon ihr Ende sein - oder der Auftakt für
       eine neue Urheberrechtsdiskussion im Literaturbetrieb.
       
       8 Feb 2010
       
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