# taz.de -- Srebrenica-Genozid in Serbien: Präsident verurteilt die Verbrechen
       
       > Serbiens Staatschef wird vorgeworfen, den Srebrenica-Genozid lediglich
       > für eine EU-Mitgliedschaft zu verurteilen. Die Koalition und Opposition
       > zerstreiten sich über die Anerkennung.
       
 (IMG) Bild: Zeugen des Genozides: Flüchtlinge in der UN-Enklave bei Tuzla im Juli 1995.
       
       BELGRAD taz | Srebrenica ist derzeit in Serbien wieder in aller Munde. Über
       das totgeschwiegene Abschlachten von über 8.000 Muslimen in dem bosnischen
       Städtchen am 11. Juli 1995 wird heftig diskutiert, debattiert und
       gestritten.
       
       Der Anlass war eine Initiative von Staatschef Boris Tadic, in den kommenden
       Monaten eine parlamentarische Resolution verabschieden zu lassen, die die
       Verbrechen in Srebrenica verurteilt. Zudem schlug Tadic vor, auch noch über
       eine zweite Resolution abzustimmen, die "alle" Verbrechen beziehungsweise
       die an Serben begangenen Gräueltaten verurteilt. Nach dem Motto: Wenn wir
       uns schon selbst schlechtmachen müssen, dann wollen wir zeigen, dass wir
       nicht schlechter sind als alle anderen, wie Kritiker anmerkten.
       
       Andere sind jedoch der Meinung, dass Tadic sich von politischem
       Pragmatismus leiten ließ, denn eine eigene Resolution über Srebrenica hätte
       auch heute keine Chance auf eine parlamentarische Mehrheit in Serbien.
       
       Die Regierungskoalition ist in der Srebrenica-Frage genauso zerstritten,
       wie die Gesellschaft. Daran hat sich seit 2005 nichts geändert, als ein
       erster Versuch, eine Srebrenica-Resolution zu verabschieden, scheiterte.
       
       Für Nenad Prokic von der "Liberal demokratischen Partei" (LDP) ist Serbien
       das erste Land, das der EU mit der Bürde eines unaufgearbeiteten Genozids
       beitreten wolle. Deshalb sei Belgrad verpflichtet, den Völkermord beim
       Namen zu nennen und ihn als solchen auch in Geschichtsbüchern zu
       bezeichnen. Andrija Mladenovic von der konservativen "Demokratischen Partei
       Serbiens" (DSS) hält es für unerhört, sich selbst als ein "Volk von
       Völkermördern zu brandmarken" - wegen eines "angeblichen" Verbrechens.
       DSS-Chef und Expremier Vojislav Kostunica hält eine Resolution über
       Srebrenica für "eine Erniedrigung des eigenen Volkes".
       
       Im Februar 2007 bezeichnete der Internationale Gerichtshof in Den Haag
       (IGH) das von den Truppen der bosnischen Serbenrepublik Republika Srpska
       (RS) verübte Massaker in Srebrenica in seinem Urteilsspruch als
       "Völkermord". Das Gericht hob die Mitverantwortung Serbiens hervor. Sowohl
       das Europaparlament als auch der US-Kongress verabschiedeten
       Srebrenica-Resolutionen, die den Genozid verurteilten. Der 11. Juli wurde
       in der EU zum Gedenktag für die Opfer aus Srebrenica erklärt.
       
       Der Versuch des Präsidenten, eine Srebrenica-Resolution durchzuboxen, habe
       wenig mit Vergangenheitsbewältigung zu tun, meinen Analytiker. Er sei
       außenpolitisch motiviert. Belgrad hat im Dezember 2009 in Brüssel die
       EU-Mitgliedschaft beantragt und hofft bis Jahresende, den Kandidatenstatus
       zu bekommen. Zudem ist vor dem IGH auf Initiative Serbiens ein Prozess über
       die Legalität der Unabhängigkeit des Kosovo anhängig.
       
       "Was soll Serbien von dem IGH im Kosovo-Prozess erwarten, wenn es dessen
       Urteil über den Genozid in Srebrenica ignoriert?", fragt der Völkerrechtler
       Vojin Dimitrijevic. Eine Srebrenica-Resolution habe niemand von Serbien
       explizit gefordert, doch sie würde die außenpolitische Position des Landes
       stärken.
       
       Doch die Initiative von Tadic könnte zu einem Fiasko werden und dem
       internationalen Ruf Serbiens großen Schaden zufügen. Eine Einigung im
       Parlament, ob in Srebrenica ein "Genozid" oder ein "Verbrechen" geschehen
       ist, was überhaupt in der Resolution stehen soll und ob es eine oder zwei
       werden, ist nicht in Sicht.
       
       Eine verwässerte, mit knapper Mehrheit verabschiedete Resolution hätte
       wenig Sinn. Ein schwacher Trost ist, dass wieder über Srebrenica geredet
       wird. Der mutmaßliche Hauptverantwortliche für den einzigen rechtskräftigen
       Genozid nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa, der vom UN-Tribunal gesuchte
       bosnisch-serbische Exgeneral Ratko Mladic, befindet sich weiter auf der
       Flucht.
       
       11 Feb 2010
       
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