# taz.de -- INKLUSION: "Nicht ohne uns über uns"
       
       > Die UN-Konvention über Behindertenrechte muss in Landesrecht und lokale
       > Maßnahmen umgesetzt werden. Zum Beispiel in Hinblick auf die kommenden
       > Wahlen
       
 (IMG) Bild: Bremer Assistenzroboter: Nicht jede Hilfe ist ein Zuwachs an Inklusion
       
       "Nun muss der Schatz gehoben werden", sagt Klaus Lachwitz. Er ist
       Geschäftsführer der Bundesvereinigung "Lebenshilfe" und meint mit "Schatz"
       das "Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit
       Behinderungen". Die lokale Relevanz dieser Ende 2008 vom Bundestag
       ratifizierten Konvention ist groß - falls ihre Paragraphen nicht in
       Schubladen vergraben bleiben.
       
       Zum Beispiel der neunundzwanzigste. Der Paragraph garantiert Behinderten
       die Teilhabe am politischen Leben. Was bedeutet das für die kommenden
       Bürgerschaftswahlen? Dass das neue System, bei dem man fünf Stimmen
       panaschiert oder kumuliert, auch für Menschen mit Lernschwierigkeiten
       verständlich gemacht wird. Oder: Dass der Wahlzettel, der nach jetziger
       Planung raumgreifende Dimensionen hat, auch für Blinde mit ihren Schablonen
       handhabbar ist.
       
       Dieter Stegmann, Vorsitzender der "Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe
       behinderter Menschen", wünscht sich zudem Wahlprogramme, in denen zumindest
       die Kernaussagen auch in "leichter Sprache" verfasst sind. Und dass die
       Grünen wie vor vier Jahren zu Wahlkampf-Veranstaltungen in nicht
       barrierefreien Räumen einladen, "kann es aus unserer Sicht nicht mehr
       geben". Die Konvention umfasst alle Lebensbereiche: ein Paragraf verlangt,
       öffentliche Gebäude auch in Blindenschrift zu beschildern. Bei Nummer 24
       war Bremen schon fleißig: das inklusive Schulgesetz. Nun müsse allerdings
       sichergestellt werden, dass Behinderte tatsächlich unabhängig vom Umfang
       ihres Hilfsbedarfs in wohnortnahe Schulen dürfen, sagt Andreas Hoops von
       der Lebenshilfe Bremen. Wo liegen etwaige Grenzen? "Inklusion um jeden
       Preis ist auch nicht richtig", räumt Hoops ein. Wenn Schüler und Eltern
       Ängste haben, den geschützten Raum eines Förderzentrums zu verlassen, habe
       er Verständnis, sagt auch Stegmann. Grundsätzliches Ziel seines Verbandes
       sei jedoch die Aufhebung von Aussonderung.
       
       Im Detail zeigen sich freilich zahlreiche Partikularperspektiven. Wie etwa
       löst man den klassischen Interessenkonflikt zwischen Blinden und
       Rollstuhlfahrern? Für Letztere sind hohe Bordsteine ein Graus,
       Sehbehinderte orientieren sich an ihnen. Es gibt Lösungen: Etwa die
       "zweifachen Querungsspuren", bei denen ein Blinden-Leitstreifen vor Ampeln
       zum Bordstein führt, sich daneben jedoch eine Rampe senkt. Ob sie in Bremen
       zu Anwendung kommen, ist nach Auskunft des Landesbehindertenbeauftragten
       Joachim Steinbrück allerdings offen.
       
       Für ihn gilt: "Behindertenpolitik muss aus der sozialpolitischen Ecke
       heraus" - also auch vom Wirtschaftsressort gemacht werden. Indem es zum
       Beispiel keine Gaststätten mit Barrieren fördert. Dass dies beim Ausbau der
       Schlachte nicht beachtet wurde, führt derzeit zu intensiven
       Auseinandersetzungen. Steinbrück will die Umsetzungsbemühungen der
       UN-Konvention nun in einem Landesaktionsplan bündeln. Selbstverständlich
       begleitet von einem Beirat, der die Betroffenen vertritt. Stegmann betont
       als Motto: "Nicht ohne uns über uns."
       
       11 Feb 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Henning Bleyl
       
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