# taz.de -- Lenzerheide: "Liacht in die Knü gehe"
       
       > Beim Frauen-Langlauf-Festival können Langläuferinnen die verschiedenen
       > Techniken erlernen
       
 (IMG) Bild: Langlauf: beliebter Breiten- und Leistungssport
       
       "Liacht in die Knü gehe, uffstütze und abstoße", erklärt Thomas, während er
       sich von seinen Stöcken wegdrückt und ein paar Meter durch die Loipe
       gleiten lässt. "Dabei schaffe mia mit die Muschkulatur, wo am stärkschte
       isch, dem Rumpf." Es ist die erste Lektion im klassischen Skilanglauf und
       eigentlich gar nicht so schwer. Trotzdem muss ich mich höllisch
       konzentrieren, um die Anweisungen zu verstehen. Als Skilehrer in Graubünden
       spricht Thomas nur dann Hochdeutsch, wenn jemand ausdrücklich darauf
       besteht. Und das will ich als einzige Deutsche unter Schweizerinnen lieber
       nicht.
       
       Zwar hat sich in der Alpenrepublik das Rossignol Women’s Langlauf Festival
       nach drei Jahren zu einer Art Institution entwickelt, doch anderswo scheint
       es sich noch nicht herumgesprochen zu haben, dass das zweite
       Januarwochenende für Frauen eine ideale Möglichkeit bietet, den sanften
       Wintersport zu erlernen oder zu perfektionieren. Dreieinhalb Tage lang
       stehen Langlauftraining, Ausflüge, Schneeschuhwanderungen, Power Yoga und
       Pilates auf dem Programm. Dazu Vorträge über Ernährung, Wellness im Hamam
       des Festivalhotels und sogar eine Girls Night.
       
       Wobei frau in Sachen Après-Ski keine allzu großen Erwartungen haben darf.
       Im Gegensatz zu St. Moritz ist das Langlaufmekka Lenzerheide noch ein mehr
       oder weniger beschauliches Bilderbuchdorf. Protagonist ist nach wie vor die
       Märchenlandschaft auf dem Graubündner Hochplateau. Ringsum grüßen Gipfel
       wie das 2.575 Meter hohe Stätzerhorn oder das 2.865 Meter hohe Rothorn, von
       denen rasante Pisten ins Tal führen, unten geht es auf 80 Kilometer
       präparierten Winterwanderwegen und 52 Kilometer gespurten Loipen durch
       Wälder und Ebenen.
       
       Beim Begrüßungs-Apéro im Schweizerhof stehen 130 Frauen um mich herum.
       Überwiegend jung, dynamisch und sportlich sehen sie aus. Ob Madeleine aus
       Luzern oder Manuela aus der Nähe von Zürich - fast alle sind
       Schweizerinnen, die mitten im Leben stehen, im Alltag regelmäßig Sport
       treiben und hoch motiviert sind, hier etwas zu dazuzulernen.
       
       Morgens um 9.30 treffen wir uns zum Warm-up auf dem Skischulsammelplatz.
       130 Frauen und eine Skilehrerin, die auf dem Podest steht und sozusagen
       vorturnt. Aus dem Lautsprecher tönt greller Discosound, während wir von
       einem Bein auf das andere hüpfen und dabei passend zum Rhythmus die
       Skistöcke über den Kopf strecken. Es muss ziemlich lächerlich aussehen,
       aber bei Temperaturen von minus vier oder fünf Grad bleibt einem nichts
       anderes übrig als Bewegung. Danach verteilen wir uns auf acht oder zehn
       Langlaufkurse, je nachdem, ob es die klassische oder die Skating-Variante
       sein soll und welche Vorkenntnisse vorhanden sind. Während die überwiegende
       Mehrheit zum trendigen Skaten tendiert, finde ich mich in der relativ
       kleinen Gruppe von Thomas wieder, der die Einführung in den klassischen
       Langlauf macht.
       
       Erst lässt er uns ein paar Vorübungen machen - zum Beispiel mit einem Ski
       Fußball oder Handball spielen, was meine Mitstreiterinnen mit erstaunlicher
       Begeisterung aufgreifen; dann weiht er uns in den Bewegungsablauf ein. Es
       dauert nicht lange, und wir gleiten durch die Loipe in Richtung Valbella.
       Nach zwei Stunden sind wir bereits in der Lage zu bremsen, wenn es abwärts
       geht, und bei leichten Steigungen aufzubretteln.
       
       Nach dem Mittagessen gleiten wir ganz gemächlich auf der Loipe in Richtung
       Lantsch. Inzwischen können wir die Augen auch schon mal von den Brettern
       lösen. Der Himmel ist strahlend blau, der Schnee glitzert in der Sonne,
       hier und da taucht aus dem weißen Pulver eine Holzhütte oder Tanne auf: die
       reinste Postkartenidylle, der Anblick setzt spürbar Endorphine frei. Am
       liebsten würden wir jetzt noch ein Stündchen weiterlaufen. Doch um vier Uhr
       beginnt bereits der Pilates-Workshop. Wir hetzen also von der Loipe in den
       Plenumsaal des Schweizerhofs, wo zwanzig bis dreißig Gummimatten auf uns
       warten. Entspannung ist das Motto. Doch wie kann ich entspannen, wenn ich
       die Instruktionen der Trainerin nicht verstehe? Immerhin begreife ich mit
       der Zeit, dass sie uns mit "Imma schön schnufe!" ermahnt, das Atmen nicht
       zu vergessen.
       
       Abends gibt es die Girls Night. Zugegeben, die Veranstalter haben sich mit
       der Vorbereitung viel Mühe gegeben, und die legendäre Lärchenlounge des
       Kurhaushotels, wo früher schon Brigitte Bardot und Gunter Sachs, Horst
       Buchholz und Paul Kuhn das Tanzbein geschwungen haben sollen, ist eine
       nette Location.
       
       Aber nach so viel Sport und frischer Luft hält es hier kaum ein Girl länger
       aus als bis 23 Uhr. Da hatten sich einige Herren, die das Frauen-Event
       neugierig aus der Ferne beäugten, wohl vergebliche Hoffnungen gemacht?
       
       18 Feb 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrike Wiebrecht
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Reiseland Schweiz
       
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