# taz.de -- Jugendschutz im Netz: Bürgerrechtler warnen vor "Kindernet"
       
       > Ein neuer Staatsvertrag soll die Regeln des Jugendschutzes in den Medien
       > aufs Netz übertragen. Die Bloggerszene wittert erneut einen Zensurversuch
       > vom Staat.
       
 (IMG) Bild: Zocken im Kindesalter: Wie soll Jugendschutz im Web realisiert werden?
       
       Die geplante Novelle des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags hat eine
       kontroverse Diskussion ausgelöst: Die einen sagen, die bestehenden Regeln
       des Jugendschutzes sollen auch stärker für das Internet gelten. Die anderen
       halten das für einen Vorwand, Zensur einzuführen. Vor allem die
       kampagnenerprobte Bloggerszene wittert hier nach dem Netzsperrengesetz
       einen weiteren staatlichen Versuch, das Internet zu zensieren. Es drohe ein
       "Kindernet", warnt beispielsweise der einflussreiche Blog Netzpolitik.org,
       und die Gruppe AK Zensur fordert, der "Entwurf muss vom Tisch!"
       
       Die Staatskanzlei Rheinland-Pfalz, die bei den Verhandlungen zum neuen
       Staatsvertrag federführend ist, ging deshalb bereits direkt auf die
       Netzaktivisten zu: Man sei sich einig, dass "Sperrverfügungen à la
       Zensursula" nicht der richtige Weg seien, hieß es in einer Stellungnahme
       mit Bezug auf den von Aktivisten geprägten Spitznamen von Ursula von der
       Leyen (CDU). Sie hatte das Internetsperren-Gesetz initiiert. Stattdessen,
       so die Staatskanzlei, sollen Medienanbieter nur dazu angehalten werden,
       sich freiwillig im Internet dieselben Beschränkungen aufzuerlegen wie
       offline - die Jugendschützer nennen das "Medienkonvergenz".
       
       So müssten, wenn die Novelle planmäßig bis Ende des Jahres in allen 16
       Landesparlamenten verabschiedet wird, Internetangebote ähnlich wie
       Kinofilme oder Computerspiele mit Altersfreigaben versehen werden: ab 0, 6,
       12 oder 16 Jahren. Provider sollen bei Internetnutzern nötigenfalls eine
       technische Alterskontrolle durchführen.
       
       Weitere Optionen wären, Angebote auf die Abendstunden zu beschränken oder
       Webseiten wenigstens entsprechend zu kennzeichnen. Zwischen den drei
       Alternativen können Anbieter frei wählen. Laut dem aktuellen Entwurf sind
       das Vorschläge, der Anbieter muss ihnen nicht folgen.
       
       Nur, wenn ein Angebot "jugendgefährdend" und somit ab 18 ist, dürfen die
       staatlichen Jugendschützer einschreiten und eine Seite notfalls sperren.
       Was sie bereits heute dürften, aber schon seit Jahren nicht mehr getan
       haben.
       
       Für den AK Zensur stellt die geplante Novelle dennoch den Einstieg in ein
       neues Zwangssystem dar. Wenn die Provider das System der abgestuften
       Altersfreigaben von 0 bis 16 Jahren nicht "freiwillig" übernähmen, dann
       könne in ein paar Jahren leicht eine Rechtspflicht nachgeschoben werden,
       warnt AK-Sprecher Alvar Freude.
       
       "Das mag man so sehen", entgegnet Wolf-Dieter Ring, der Vorsitzende der
       Kommission für Jugendmedienschutz (KJM). "Im Entwurf steht davon nichts
       drin." Die Vermutung der Netzaktivisten, die KJM wolle künftig wieder von
       ihrer Möglichkeit Gebrauch machen, indizierte Seiten zu sperren, weist Ring
       als "Unsinn" zurück. Das sehe man derzeit nicht als sinnvollen Weg an.
       
       Die Bürgerrechtler indes können sich offenbar nicht recht entscheiden, wie
       gefährlich sie den Vertrag nun wirklich finden sollen. Der Ansicht, dass
       Kinder im Internet nicht mit Inhalten konfrontiert werden sollten, die "für
       die jeweilige Altersgruppe offensichtlich ungeeignet sind", ist auch der AK
       Zensur. Auf Seitenbetreiber solle man durchaus entsprechenden "Druck"
       ausüben, heißt es auf der Homepage der Gruppe. Ist der bloße Vorschlag von
       sichtbaren Alterskennzeichnungen da schon zu viel des "Drucks"? Der Frage
       weicht Alvar Freude aus. Vielleicht, antwortet er, gehe es am Ende ja eher
       darum, "wie man das Internet generell sieht".
       
       Für viele Politiker sei dieses Medium nichts anderes als ein Fernseher mit
       einer Milliarde Kanälen, meint Freude. Ganz falsch, findet er. Das Internet
       gleiche eher dem Telefon. Und dort würde man sich staatliches
       Content-Management schließlich auch verbitten.
       
       2 Mar 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ron Steinke
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA