# taz.de -- Ein Jahr Netanjahu in Israel: Der Tanz auf dem Vulkan
       
       > Jerusalem ein Pulverfass, das Verhältnis zu den USA vor einem
       > Scherbenhaufen und die Koalition vor der Zerreißprobe. Israels
       > Ministerpräsident hat sich sein Amtsjubiläum wohl anders vorgestellt.
       
 (IMG) Bild: Netanjahu scheint von seiner Politik des Angriffs überzeugt zu sein.
       
       JERUSALEM dpa | Die öffentlichen Rüffel der engsten Verbündeten aus den USA
       und Deutschland haben in Israel Wirkung gezeigt. Jetzt zerren alle am
       Regierungschef - allerdings in verschiedene Richtungen. Das politisch
       rechte Lager drängt Netanjahu, im Streit über die umstrittenen Bauprojekte
       im arabischen Ostteil Jerusalems keinen Zentimeter zurückzuweichen; koste
       es, was es wolle. Mehrere Mitglieder der sozialdemokratischen Arbeitspartei
       drohen damit, die Regierungskoalition zu verlassen, falls es nicht bald
       Fortschritte im Friedensprozess gibt. Der liegt nämlich seit 15 Monaten auf
       Eis.
       
       Und dann muss Netanjahu auch noch den arabischen Ostteil Jerusalems fest im
       Blick behalten. Dort gärt es gewaltig. Am fünften Tag in Folge gingen am
       Dienstag jugendliche Palästinenser auf israelische Sicherheitskräfte los.
       Hunderte zusätzliche Beamte sind inzwischen im Einsatz, um die Wut der
       Palästinenser im Zaum zu halten.
       
       Und was macht die israelische Regierung in dem Tohuwabohu? Sie handelt frei
       nach dem Motto: Angriff ist die beste Verteidigung. "Israel erwartet von
       der internationalen Gemeinschaft ein objektiveres und konstruktiveres
       Herangehen", beschied der generell fürs Grobe zuständige Außenminister
       Avigdor Lieberman in einem Telefongespräch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon.
       Israelische Entscheidungen, wie ein zehn Monate langer Baustopp im
       Westjordanland, würden nicht ausreichend gewürdigt, nörgelte er.
       
       Regierungschef Netanjahu verteidigte sich vor dem Parlament. Keine
       Regierung in Israel habe während der vergangenen vier Jahrzehnte
       Einschränkungen beim Bau in Jerusalem akzeptiert, sagte der 60-Jährige.
       "Heute lebt knapp die Hälfte der jüdischen Bevölkerung Jerusalems in diesen
       Vororten."
       
       Alles richtig, merkt der ehemalige linksliberale Minister Jossi Sarid an.
       Nur: Netanjahus Vorgänger als Ministerpräsidenten hätten auch etwas anderes
       getan. Ariel Scharon habe beispielsweise die Siedlungen im Gazastreifen
       geräumt. Und Netanjahus Vorgänger Ehud Olmert habe weitreichende Vorschläge
       in den Friedensgesprächen mit den Palästinensern gemacht.
       
       "Aber die Netanjahu-Regierung hat weniger als nichts getan. Sie hat
       gezündelt und Öl in die Flammen gegossen", schreibt Sarid in der
       Tageszeitung Haaretz. Die USA seien bereit gewesen, bei früheren
       Regierungen ein Auge zuzudrücken. Aber bei Netanjahu rissen sie alle Augen
       weit auf. Schon in der Vergangenheit haben US-Regierungen mit Israel wegen
       des Siedlungsbaus über Kreuz gelegen. Allerdings ist Netanjahu ein
       Wiederholungstäter.
       
       Während seiner ersten Amtszeit (1996 bis 1999) kündigte er den Ausbau einer
       Siedlung im Westjordanland an, unmittelbar nachdem die damalige
       US-Außenministerin Madeleine Albright Israel verlassen hatte. Albright, die
       damals den Friedensprozess wieder in die Spur bringen wollte, sei zur Furie
       geworden, erinnert sich der damalige US-Botschafter Martin Indyk in einem
       Beitrag für das Online-Portal thedailybeast.com. "Sag Bibi (Netanjahu),
       dass er aufhören soll, um seinen rechten Flügel besorgt zu sein, und
       stattdessen anfängt, sich Sorgen um die USA zu machen", habe die damalige
       Chefdiplomatin ins Telefon gebrüllt.
       
       Noch zeichnet sich nicht ab, wie Netanjahu jetzt in der schlimmsten Krise
       zwischen Israel und den USA seit 35 Jahren wieder die Kurve bekommt. Nach
       israelischen Medienberichten will er in der kommenden Woche in Washington
       allen Ärger mit Vizepräsident Joe Biden sowie Außenministerin Hillary
       Clinton ausräumen. Netanjahu wird am Montag zum Jahrestreffen der größten
       israelischen Lobby-Organisation Aipac erwartet.
       
       Nur: Sowohl Biden als auch Clinton machten ein Gespräch davon abhängig,
       dass Netanjahu zuvor Antwort auf mehrere Forderungen der US-Regierung gibt,
       heißt es in Jerusalem. Der US-Nahost-Gesandte George Mitchell hat seine
       Reise nach Israel verschoben. Dies habe aber nichts mit dem Streit über das
       umstrittene Bauprojekt zu tun, sondern "logistische Gründe", teilte die US-
       Botschaft in Tel Aviv lapidar mit.
       
       16 Mar 2010
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Israel
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Nachruf auf den linken Israeli Jossi Sarid: Eloquent, direkt und zielstrebig
       
       Er war Umweltminister, Radiomoderator und Kolumnist. Freunde und Gegner
       schätzten ihn wegen seiner feinen Sprache und profunden Kenntnisse.