# taz.de -- Gesundheitskommission startet: Rösler braucht irgendeine Pauschale
       
       > Eine Kommission von acht Ministern soll ab Mittwoch die Reform des
       > Gesundheitssystems voranbringen. Für Minister Rösler geht es um seine
       > politische Zukunft.
       
 (IMG) Bild: Wer soll was bezahlen? Ärzte begutachten Röntgenbild in Klinik.
       
       Für das erste Treffen der Regierungskommission zur Gesundheitspolitik hat
       sich Philipp Rösler ein wenig Heimatgefühl organisiert. Am heutigen
       Mittwoch treffen sich acht Bundesminister in der niedersächsischen
       Landesvertretung in Berlin, für den Niedersachsen Rösler aus der FDP wird
       es der Auftakt zur schwierigsten Aufgabe seiner Amtszeit. Die Reform des
       Gesundheitssektors - der finanziell aus den Fugen geraten ist.
       
       Rösler hat bereits vor Wochen angekündigt, dass ihn keiner mehr als
       Minister haben wolle, wenn er scheitert. Er wollte damit ein Zeichen
       setzen, er hat sein Schicksal mit der Reform verbunden.
       
       Die Zahlen sind in der Tat dramatisch: Nach OECD-Berechnungen gibt
       Deutschland gut 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Gesundheit aus,
       1,5 Prozent mehr als der Durchschnitt. Der Grund: Hohe Ausgaben für
       Medikamente, Arzthonorare und Verwaltung. Doch dies interessiert die
       Regierung kaum, kritisiert SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach: "Die
       Kommission kümmert sich nur darum, wie für ein ineffizientes System mehr
       Geld besorgt werden kann - dies ist die völlig falsche Frage." Viele
       PatientInnen spüren die Folgen seit diesem Jahr durch Zusatzbeiträge, im
       nächsten Jahr kommt es noch schlimmer: Das Finanzdefizit soll auf 11
       Milliarden anwachsen.
       
       Viel zu tun also für die Regierung, die als Antwort die Kopfpauschale
       plant, so steht es im Koalitionsvertrag. Demnach sollen die Beiträge von
       der Arbeit abgekoppelt werden und von ArbeitnehmerInnen allein gezahlt
       werden - einkommensunabhängig. Viel zitiert wurde das Beispiel des
       Bankvorstands, der fortan den gleichen Betrag wie die Kassiererin zahlen
       darf. Die Arbeitgeberbeiträge sollen eingefroren werden, Kostensteigerungen
       müssten die PatientInnen tragen.
       
       Ungleichheiten, für die ein Sozialausgleich geschaffen werden muss. Das ist
       Konsens. Doch genau dafür fehlen laut Finanzministerium 35 Milliarden Euro
       - während sich Röslers FDP parallel am Plan einer kostspieligen
       Steuerreform verbeißt. Man müsse sagen, wo das Geld herkommen soll, hatte
       Finanzminister Wolfgang Schäuble bereits Röslers Pläne gebremst. Die FDP
       wird nun auch bescheidener: "Wir werden die Kosten für den Sozialausgleich
       unter 10 Milliarden halten", sagte die Gesundheitspolitikerin Ulrike Flach
       der taz, "wir werden den schrittweisen Übergang zur Gesundheitsprämie
       einleiten." Auch der CSU-Politiker Johannes Singhammer erwartet ein
       "rasches Arbeiten" der Koalition. "Zu strittigen Fragen wird man einen
       Kompromiss finden", sagte Singhammer. Es ist ein erstaunlicher Optimismus,
       den die KoalitionspolitikerInnen an den Tag legen. Monatelang hatten sich
       besonders CSU und FDP auf dem Feld bemerkenswerte Auseinandersetzungen
       geliefert. Das beispiellose Aufgebot an MinisterInnen zeigt, dass jeder an
       der Reform mitreden will, um eigene Interessen durchzusetzen. Nahezu alle
       Vorschläge Philipp Röslers wurden in Echtzeit kommentiert, insbesondere der
       bayerische Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) ließ keine Gelegenheit
       aus, sein Missfallen an der Kopfpauschale zu äußern und gleichzeitig ein
       beherzteres Vorgehen Röslers einzufordern.
       
       Ein wenig Ruhe ist eingekehrt in den Tagen vor dem Kommissionsstart, nur
       kurz sorgte eine Indiskretion aus dem Gesundheitsministerium für
       Aufmerksamkeit: Rösler plane eine Minipauschale von 29 Euro, hieß es.
       Röslers Sprecher Christian Lipicki reagierte pikiert, dementieren wollte er
       aber nicht. Druck wird besonders von der CSU zumindest momentan nur noch
       indirekt ausgeübt, das klingt dann so: "Gesundheitsminister Philipp Rösler
       hat aktuell eines der schwierigsten politischen Ämter in Deutschland", sagt
       Singhammer.
       
       "Im Augenblick bin ich ganz zufrieden, weil die schrillen Töne weg sind",
       betont Ulrike Flach, sagt aber auch: "Die Reform ist im Koalitionsvertrag
       festgelegt - es gibt keinen Anlass daran zu zweifeln, dass die
       Fraktionskollegen die Pläne unterstützen wollen."
       
       In Wahrheit sind die Fronten verhärtet, für den Minister vielleicht
       unauflösbar: Rösler braucht irgendeine Pauschale als Erfolg, die Union ist
       dagegen. Sie weiß, dass 80 Prozent der Bevölkerung die Pauschale ablehnen,
       Zehntausende dagegen unterschreiben, sie sich zum Symbolthema für soziale
       Kälte entwickelt. "Die Koalition muss sich entscheiden: Entweder die
       Kopfpauschale kommt gegen den Willen der Bevölkerung und Schwarz-Gelb
       verliert alle kommenden Wahlen", sagt SPD-Mann Lauterbach, "oder sie opfern
       ihren Minister."
       
       Für diesen gibt es dann nur noch eine logische Konsequenz: "Wenn am Ende
       keine Kopfpauschale oder nur eine Minilösung kommt", sagt Karl Lauterbach.
       "dann bleibt Philipp Rösler nur der Rücktritt."
       
       16 Mar 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gordon Repinski
       
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