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       > Benachteiligtensport - Bei den Hartzolympics wird wieder gesiegt.
       
 (IMG) Bild: Wer es nicht im vorgegebenen Zeitrahmen schafft, bekommt Strafpunkte.
       
       Jens Sparkammer schwitzt - obwohl durch die Schweriner Ostsee-Arena ein
       eisiger Nordostwind pfeift. Mit rhythmischen Stößen treibt er seine
       Schaufel in den Schneeberg, unter den Anfeuerungsrufen der begeisterten
       Zuschauer befördert er Schippe um Schippe mit präzisem Schwung in den
       danebenstehenden Container. Noch fünf, noch vier, noch drei, zwei, eins -
       dann hat er es geschafft. Dann ist Jens Sparkammer souveräner Gewinner im
       Schneeschippen, vor dem favorisierten Russen Igor Kusmikow und dem Finnen
       Juki Kyppiainen. Er hat die erste Goldmedaille der Hartzolympics für
       Deutschland geholt, und das auch noch in der Königsdisziplin.
       
       Als Sparkammer in seinem verschwitzten Aldi-Outfit zur Siegerehrung aufs
       Podest steigt, als die deutsche Nationalhymne erklingt und die Medaillen
       umgehängt werden, fließt so manche Träne der Rührung über die Wangen des
       glücklichen Siegers. "Dabei sein ist alles", erklärt Michael Mronz, der
       Organisator der Hartzolympics, "allein die Teilnahme an den Wettbewerben
       gibt dem trostlosen Leben dieser Langzeitarbeitslosen wieder einen Sinn."
       Mronz ist Präsident der Organisation Ein Herz für Hartzer, die die
       Olympischen Spiele der gesellschaftlich Ausgegrenzten gegen alle
       Widerstände auf den Weg gebracht hat. "Plötzlich sind diese Menschen nicht
       mehr die Versager - plötzlich stehen sie im Rampenlicht der Öffentlichkeit
       und können zeigen, dass sie mehr draufhaben, als nur den ganzen Tag mit der
       Bierflasche in der Hand vor der Trinkhalle herumzulungern", schwärmt der
       umtriebige Eventmanager Mronz von den therapeutischen Segnungen seiner
       Hartzolympics. Und in der Tat, die Wettbewerbe haben es in sich. Hier
       zeigen Sozialfälle aus aller Welt, dass sich auch im gesellschaftlichen
       Abseits bestimmte Fähigkeiten bestens trainieren lassen.
       
       Silvio Machnow zum Beispiel, Schweriner Lokalmatador und seit Jahren
       arbeitslos, zählt zu den klaren Favoriten beim Bierathlon. Der
       5-Kilometer-Rundkurs verlangt den Athleten alles ab - insgesamt müssen drei
       Runden zu Fuß zurückgelegt werden, und nach jeder Runde ist an einem
       Stehausschank eine Sonderprüfung abzulegen: Fünf Bierflaschen müssen mit
       den Zähnen geöffnet und anschließend ausgetrunken werden. Wer es nicht im
       vorgegebenen Zeitrahmen schafft, bekommt Strafpunkte. Dank langjährigen
       Trainings kann dies alles Silvio Machnow nicht schrecken. Mit stoischem
       Gleichmut zieht er seine Runden, und auch die Sonderprüfungen absolviert er
       mit der souveränen Gelassenheit des Meisters. Während seine Konkurrenten
       noch mit den letzten Kronkorken kämpfen, geht Machnow unter dem
       frenetischen Jubel seiner Landsleute über die Ziellinie. Der leicht
       schwankende Sieger bekennt freimütig, dass die Aussicht auf unzählige
       Freibiere bei ihm einen unglaublichen Motivationsschub bewirkt habe. Der
       gelernte Maschinenschlosser, der seit Jahren keine Fabrikhalle mehr von
       innen gesehen hat, zeigt sich dabei als glasklarer Vertreter des
       Leistungsprinzips. "Leistung muss sich lohnen - meinen Sie etwa, ich tue
       mir diese Strapaze für eine Medaille und einen warmen Händedruck an?" Der
       Ausnahme-Bierathlet Silvio Machnow hat sich mit seinem Sieg einen
       lukrativen Werbevertrag einer mittelständischen Brauerei erkämpft. Für
       Michael Mronz, den Spiritus Rector der Hartzolympics, ist dies alles der
       Beweis, dass auch Langzeitarbeitslose bei zielgruppengerechter Förderung
       durchaus Höchstleistungen zu erbringen vermögen. "Wir fordern und fördern
       mit unseren Wettbewerben. Wir kitzeln die Leistungsreserven aus diesen
       Hidden Champions heraus, und wir machen sie gleichzeitig fit für den
       Alltag." Der Liberale aus Leidenschaft weiß, dass der Schalter nur
       umgelegt, Leistung nur abgerufen und der Kessel nur unter Dampf gehalten
       werden kann, wenn die Benachteiligtensportler auch für ihre
       Lebenswirklichkeit profitieren können. Diesem Ziel ist denn auch der
       Schlusswettbewerb der diesjährigen Hartzolympics verpflichtet: Beim
       4-mal-100-Euro-Staffellauf gewinnt die Mannschaft, die in möglichst kurzer
       Zeit für die insgesamt 400 Euro möglichst viel Ware zusammenraffen kann.
       Die polnische Schnäppchenstaffel holte sich hier in überlegener Manier
       Gold. Das Geheimnis ihres Erfolgs verriet der strahlende Schlussläufer
       Krzysztof Janukowski:
       
       "Erst Aldi, dann Lidl, dann Norma, dann Netto. Und immer nur Sonderangebote
       kaufen - das ist Schlüssel zu Erfolg!"
       
       RÜDIGER KIND
       
       22 Mar 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rüdiger Kind
       
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