# taz.de -- Wiederaufbau von Preußen: Potsdams Disney-Schloss mit Stil
       
       > Mit dem "Ersten Spatenstich" beginnt heute der Wiederaufbau des
       > Stadtschlosses. Hinter die barocke Fassade zieht 2013 das Brandenburger
       > Landesparlament in einen modernen Plenarsaal.
       
 (IMG) Bild: Der Spender als Bauherr: Günther Jauch beim Bau des Fortunaportals
       
       Auf Vergleiche mit Berlin reagiert die brandenburgische Landeshauptstadt
       Potsdam schon seit einiger Zeit mit einem gewissen Understatement. Dies hat
       damit zu tun, dass Potsdam sich gegenüber Berlin in ein paar nicht
       unwesentlichen Dingen ganz vorn weiß: Die Stadt boomt, hat Geld sowie
       Zuwächse in der Bevölkerung und bald - vor Berlin - ein rekonstruiertes
       Stadtschloss in seiner Mitte als Sitz des brandenburgischen Landtags.
       
       Am heutigen Donnerstag setzen Ministerpräsident Matthias Platzeck und
       Landtagspräsident Gunter Fritsch (beide SPD) gemeinsam mit dem Architekten
       Peter Kulka zum "Ersten Spatenstich" für den 119 Millionen Euro teuren
       Landtagsneubau auf dem Alten Markt an. Im Sommer wird Grundsteinlegung
       sein, 2013 soll das Parlament dort einziehen.
       
       Der Vergleich mit dem ungeliebten Berliner Schlossvorhaben ist zulässig,
       waren doch hier wie dort die Voraussetzungen und Debatten ähnlich: ein zu
       DDR-Zeiten zerstörter preußischer Bau, der zentrale Standort, Streit über
       die Nutzung und die Frage, ob eine Rekonstruktion oder moderne Architektur
       das Erscheinungsbild prägen soll.
       
       Doch im Unterschied zum Berliner Humboldt-Forum, wo bis dato über Kosten,
       die historisierende Fassade, den Architekten Franco Stella oder die museale
       Nutzung der Kopf geschüttelt wird, hat man in Potsdam weitaus mehr richtig
       gemacht. Der Landtag beschloss 2005 sowie im April 2008 den Wiederaufbau
       des von Knobelsdorff 1751 fertiggestellten und 1960 gesprengten Barockbaus.
       Zugleich wurde die Nutzung als neues Landesparlament und die dafür nötigen
       Kosten in Höhe von 120 Millionen Euro festgeschrieben.
       
       Hilfreich für die Kostendeckelung war die erfolgreiche Spendenpraxis in
       Potsdam. 2008 legte TV-Moderator Günther Jauch ein paar Millionen Euro für
       das Fortunaportal, der markante Eingang zum Schlosshof, auf den Tisch. Im
       gleichen Jahr sagte der Ex-SAP-Mitgesellschafter und Milliardär Hasso
       Plattner 20 Millionen Euro zu. Wilhelm von Boddien, der Berliner
       Spendensammler, hat nach vielen Jahren Arbeit nicht eine annähernd hohe
       Summe vorzuweisen.
       
       Die ebenfalls in Potsdam zwischen der Linken sowie nostalgischen
       Preußenfans und CDU-Kreisen strittige Frage, ob im historisierenden Gewand
       oder modern gebaut werden soll, begegnete die Landesregierung 2009 mit
       einem klugen Entwurf von Peter Kulka. Während die äußere Hülle der
       Dreiflügel-Anlage eine barocke Anmutung erhält, wird die Architektur dem
       Inneren einen zeitgemäßen Ausdruck verleihen. Kulka: "Hier entsteht im
       ehemaligen Stadtschloss ein moderner, funktionsfähiger Landtag."
       
       Schließlich holten sich die Abgeordneten in dieser stadträumlich und
       politisch wichtigen Frage die Meinung der Potsdamer Bürger ein. Nachdem
       2006 Potsdams Stadtverordnete die Rekonstruktion noch knapp gekippt hatten,
       votierte 2007 bei der Bürgerbefragung zum Landtagsneubau eine Mehrheit für
       den Bau des einstigen Stadtschlosses. Mehr Legitimation geht kaum.
       
       Mit dem Baubeginn erhält "Potsdam quasi sein herausgerissenes Herz zurück",
       meint Fritsch. Klar, dass das Projekt pathetisch aufgeladen wird angesichts
       seiner geschichtlichen Rolle und den Perspektiven des Ortes für Potsdam.
       Aber richtiger wäre es, von demokratischer Inbesitznahme der historischen
       Potsdamer Mitte durch das Parlament zu sprechen. Denn neben den neobarocken
       Fassadenteilen sowie einem rekonstruierten Knobelsdorff-Treppenhaus hat
       sich Kulka einer nüchternen und überaus funktionalen Architektursprache
       beim Dachterrassenaufbau und besonders im Innern des Gebäudes verschrieben.
       
       Statt drei steckt Kulka zum Teil vier Geschosse in den Schlossbau. Kern des
       Baus wird der neue Plenarsaal im ersten Geschoss des Mittelflügels sein.
       Ein lichtes Foyer und Galerien führen die Abgeordneten in einen
       rechteckigen, hohen, modernen Raum. Im Halbrund werden die knapp 100
       Parlamentarier platziert, darüber können Besucher auf Tribünen die Debatten
       verfolgen. Neben dem Plenarsaal wird es Büros und Fraktionsräume für die
       Abgeordneten geben.
       
       Insgesamt sind 371 Büro- und 21 Beratungsräume sowie Flächen für die
       Bibliothek, das Restaurant, für Ausstellungen und Festveranstaltungen
       vorgesehen. Den Plenarsaal hat Kulka so groß entworfen, dass er auf 150
       Plätze erweiterbar ist. Denn: Sollten die Länder Berlin und Brandenburg
       doch noch fusionieren, wäre dies der Sitz der gemeinsamen Landesregierung.
       Berlin müsste sich tagtäglich in Potsdam beweisen. Schon darum sieht man
       hier gewissen Konkurrenzen lässiger entgegen.
       
       25 Mar 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rolf Lautenschläger
       
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