# taz.de -- Streit der Woche: Machen soziale Netzwerke unsozial?
       
       > Der Ansturm auf soziale Netzwerke ist weiterhin groß. Während Kritiker
       > von Vereinsamungs-Tendenzen warnen, nutzen besonders Jugendliche Facebook
       > & Co selbstverständlich als neue Kommunikationsform.
       
 (IMG) Bild: Früher hätte man sich auf dieser Bank wohl noch etwas zu sagen gehabt.
       
       BERLIN taz | Dreißig Millionen Deutsche sind mittlerweile Mitglied bei
       wenigstens einem sozialen Netzwerk. Gerade junge Menschen nutzen die
       Onlineplattformen teils mehrere Stunden am Tag, sammeln hunderte
       Online-Freunde und organisieren auch ihr Leben außerhalb des Webs über das
       Web.
       
       Bilder, Videos und Links werden veröffentlicht, auf virtuellen Pinnwänden
       mehr oder weniger wichtige Nachrichten hinterlassen und in Statusmeldungen
       über Alltägliches und Besonderes berichtet. Für viele Nutzer sind soziale
       Netzwerken ein neuer Weg, miteinander in Kontakt zu treten und zu bleiben,
       unverkrampft geben sie persönliche Informationen über sich preis. Einige
       Wissenschaftler aber warnen vor Vereinsamung.
       
       Der britische Kulturkritiker William Deresjewicz etwa argumentierte
       kürzlich in einem Interview, soziale Netzwerke förderten die Quantität von
       Freundschaften statt der Qualität. Trivialität statt Tiefe stehe bei
       Onlinenetzwerken im Vordergrund. Es gebe keine Abstufung der Freundschaften
       mehr. Vom langjährig besten Freund über den entfernten Bekannten bis hin
       zum Chef, im Club der vermeintlichen Online-Freunde sind sie alle gleich.
       Für den Nutzer selbst bestehe die Gefahr, dass er zum „Avatar seiner
       Selbst“ werde, wenn er merkt, dass sein digitales Ich auf Facebook ein
       aufregenderes Leben führe als er selbst.
       
       Durch den Boom der sozialen Netzwerke und die Verjüngung der Nutzer –
       vorangetrieben etwa durch Portale wie schülerVZ – wird zudem Cyber-Mobbing
       zum Problem. Für die Täter sind die Hemmschwellen im Netz geringer. Wo
       früher Hänseleien an der Schulhofgrenze ein Ende fanden, werden sie heute
       durch das Netz in den Nachmittag getragen. Kompromittierende Bilder, Videos
       oder Kommentare werden gepostet, Fake-Accounts erstellt oder ganze Gruppen
       gegründet, die sich gezielt gegen einzelne Personen richten. 20-25 Prozent
       der deutschen Schüler sollen laut unterschiedlicher Studien bereits Opfer
       von Cyber-Mobbing geworden sein.
       
       Auf der anderen Seite haben soziale Netzwerke auch viele positive Effekte.
       Was der alte Schulfreund in den vergangenen zehn Jahren in Brasilien
       gemacht hat, hätte man ohne Facebook wohl nie erfahren. Ohne die extra
       gegründete Gruppe „Spanien 2009“ bei StudiVZ wäre die Organisation des
       Urlaubs mit den zehn Freunden deutlich komplizierter und langwieriger
       geworden.
       
       Und seitdem die eigene Mutter bei Facebook ist, hat man auch zu ihr
       deutlich mehr Kontakt, über die seltenen Besuche und Telefonate hinaus.
       Außerdem wird der Kontakt zu im analogen Leben vollkommen Fremden wird
       vereinfacht: Teilt man ein gemeinsames Interesse und tritt online in
       Kontakt, kann eine digitale Freundschaft wachsen, wo eine analoge keine
       Chance hätte.
       
       Was meinen Sie – machen soziale Netzwerke unsozial?
       
       5 Apr 2010
       
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