# taz.de -- Grüner Giegold über Griechenland-Darlehen: "Die Oberschicht zahlt die Zinsen nicht"
       
       > Grünen-Finanzexperte Giegold wirft Deutschland vor, sich an den Darlehen
       > für Griechenland zu bereichern. Die Regierung nehme Kredite für 3 Prozent
       > auf und reiche sie für 5 Prozent weiter.
       
 (IMG) Bild: "Merkel hat auf den Boulevard Rücksicht genommen": Sven Giegold.
       
       taz: Herr Giegold, Griechenland soll 45 Milliarden Euro vom Internationalen
       Währungsfonds und der EU erhalten. Ist das Land gerettet? 
       
       Sven Giegold: Nein. Die griechische Ökonomie ist nicht wettbewerbsfähig.
       
       Also Löhne runter? 
       
       Die Gehälter in der Privatwirtschaft sind nicht das Problem. Viele
       Arbeitnehmer verdienen nur das Existenzminimum.
       
       Was schlagen Sie dann vor? 
       
       Die EU hat es versäumt, ihre Zusagen an einen Lastenausgleich innerhalb der
       griechischen Gesellschaft zu koppeln. Die Oberschicht hat sich in der
       Vergangenheit die Taschen vollgestopft - durch Korruption, Steuerflucht und
       klientelistische Staatsaufträge. Diese illegitimen Vermögen werden weiter
       geschont. Auch die Militärausgaben sind völlig überdimensioniert.
       
       Kurz: Das Haushaltsdefizit der Griechen wird nicht sinken - und das Land
       weitere Milliardenhilfen benötigen? 
       
       Das sind keine Hilfen! Stattdessen erhalten die Griechen sehr teure
       Kredite, die 5 Prozent Zinsen kosten - während das überschuldete Lettland
       an den Internationalen Währungsfonds nur 3,5 Prozent Zinsen zahlen muss.
       
       Kanzlerin Angela Merkel wollte ursprünglich sogar Zinsen "in Marktnähe",
       die noch höher liegen. Hat sie auf EU-Ebene verloren? 
       
       Nein. Leider hat sie sich durchgesetzt. Jetzt macht Deutschland sogar
       Profit auf Kosten der Griechen: Man nimmt die Kredite für rund 3 Prozent
       Zinsen auf dem Kapitalmarkt auf - und reicht sie für 5 Prozent an Athen
       weiter. Merkel hat auf den Boulevard Rücksicht genommen. Vor der NRW-Wahl
       sollte es nicht so aussehen, als bekämen die Griechen etwas geschenkt.
       Getroffen werden die Falschen: Nicht die griechische Oberschicht zahlt die
       Zinsen, sondern die Masse der Bevölkerung.
       
       Die Milliardenkredite retten nicht nur Griechenland - sondern auch die
       Banken und Investoren, die Griechenland Geld geliehen haben. Warum werden
       diese Gläubiger nicht an der Rettung beteiligt? 
       
       Natürlich wäre es schön, wenn es ein geordnetes Insolvenzverfahren gäbe.
       Aber momentan ist es unmöglich, die Gläubiger an eventuellen Rettungskosten
       zu beteiligen. Wenn die Gläubiger die Sorge hätten, dass sie enteignet
       werden, dann würde dies die Zinssätze für alle Staaten dramatisch in die
       Höhe treiben, die als potenziell gefährdet gelten: also Spanien, Italien,
       Irland oder Portugal. Dann wäre nicht nur Griechenland pleite. In dieser
       Krisensituation ist die EU erpressbar.
       
       Seit Monaten haben Fonds und Banken auf einen griechischen Staatsbankrott
       spekuliert. Haben sie die Krise beschleunigt? 
       
       Eindeutig. Es gibt eine neue Studie, dass die Wahrscheinlichkeit bei mehr
       als 99 Prozent liegt, dass die Spekulation mit Kreditausfallversicherungen
       (CDS) die Zinssätze für griechische Staatsanleihen in die Höhe getrieben
       haben.
       
       Neoklassische Ökonomen könnten einwenden, dass Griechenland in jedem Fall
       irgendwann pleite gewesen wäre und dass die Spekulation diese Entwicklung
       nur vorweggenommen hat. 
       
       Das ist wieder diese irrige These, dass die Märkte effizient seien. Es gibt
       aber grenzenlose Übertreibungen. Die Spekulation mit CDS auf griechische
       Staatsanleihen sollte sofort ausgesetzt werden.
       
       Sie sind EU-Abgeordneter. Aber Ihr Parlament hat bei der Rettungsaktion
       nichts zu sagen. 
       
       Die Kredite für Griechenland sind zu Recht eine Aufgabe der Exekutive. Sie
       muss sogar noch ausgebaut werden: Europa braucht eine einheitliche
       Wirtschaftsregierung. Aber jede Regierung muss sich gegenüber Abgeordneten
       verantworten. Deswegen müssen die Kontrollrechte des EU-Parlaments gestärkt
       werden.
       
       INTERVIEW: ULRIKE HERRMANN
       
       13 Apr 2010
       
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