# taz.de -- Mängel in der Mindestlohnkontrolle: Arbeitgeber können tricksen
       
       > Rund 2,2 Millionen Beschäftigte aus neun Branchen erhalten einen
       > Mindestlohn. Doch Arbeitgeber können können über fingierte
       > Stundenaufzeichnungen dies umgehen.
       
 (IMG) Bild: Klaus Wiesehügel von der IG BAU kritisiert die unzureichende Mindestlohnkontrolle.
       
       In Deutschland erhalten mittlerweile rund 2,2 Millionen Beschäftigte aus
       neun Branchen einen Mindestlohn. Doch es gibt viele Möglichkeiten für
       Arbeitgeber, diese zu umgehen - und dies aufzudecken, ist kompliziert.
       
       Zuständig dafür ist die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS). Sie untersteht
       der Zollabteilung des Bundesfinanzministeriums und beschäftigt bundesweit
       an 113 Standorten 6.500 Mitarbeiter. Viel zu wenige seien das für die erst
       einige Jahre alte Aufgabe Mindestlohnkontrolle, findet Klaus Wiesehügel,
       Bundesvorsitzender der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU).
       
       Er forderte Ende letzter Woche 4.800 weitere Zollkontrolleure. "Wenn die
       Mindestlöhne effizient überwacht werden sollen, führt an zusätzlichem
       Personal kein Weg vorbei", sagte Wiesehügel. Allein im Baugewerbe habe man
       es jährlich mit rund 60.000 Baustellen zu tun und täglich würden bis zu
       vier Millionen Gebäude geputzt.
       
       "Mindestlohnkontrollen sind immer ein Teil der Schwarzarbeitskontrollen",
       erklärt Michael Kulus, Sprecher des Berliner Hauptzollamtes. "Wir
       kontrollieren zudem, ob Steuern gezahlt werden, eine Aufenthaltsgenehmigung
       vorliegt oder ein Gewerbe angemeldet ist." Bei der FKS geht man anonymen
       Hinweisen nach oder führt Stichprobenkontrollen durch. "Aber wenn sie die
       Geschäftsunterlagen eines Unternehmens prüfen, bekommen sie oft nur das zu
       sehen, was sie sehen sollen", sagt Kulus.
       
       2008 befragte die FKS in Berlin 20.000 Arbeitnehmer und prüfte 3.700
       Unternehmen. Wie viele Mindestlohnverstöße aufgedeckt wurden, darüber
       liegen keine gesonderten Angaben vor. 2008 verschaften Zahlen der
       Sozialkasse des Berliner Baugewerbes einen ersten Eindruck: Nach der
       Auswertung von Daten zu Arbeitszeiten und Löhnen schätzte die Kasse, dass
       mindestens jeder dritte der rund 1.800 mittelständischen Baubetriebe in
       Berlin den Mindestlohn nicht zahle. Bei solchen Verstößen droht
       Arbeitgebern ein Bußgeld von bis zu 500.000 Euro.
       
       "Getrickst wird vor allem über fingierte Stundenaufzeichnungen", erklärt
       Michael Winkelmann, Bereichsleiter der FKS Berlin. Mehr Hinweise, wie man
       Arbeitgebern auf die Schliche kommt, will er nicht geben.
       
       "Zum Teil müssen Beschäftigte Blankounterschriften abliefern, dann trägt
       der Chef nachträglich statt 55 geleisteter Arbeitsstunden 40 ein", wird
       Frank Schmidt-Hullmann, Sprecher der IG BAU, deutlicher. Im Baugewerbe und
       bei den Gebäudereinigern seien Mindestlohnverstöße besonders häufig.
       
       Während man auf dem Bau vor allem über Arbeitszeiten trickse, geschehe es
       bei den Gebäudereinigern über die Fläche. "Beschäftigte bekommen einen
       neuen Arbeitsvertrag, die zu reinigende Fläche wird größer, obwohl es nicht
       zu schaffen ist", erklärt Peter Riedel, Fachreferent für die
       Gebäudereinigung bei der IG BAU. Ein Problem ist, dass es keine allgemein
       anerkannten Richtwerte gibt, welche Flächen in welcher Zeit realistisch
       geputzt werden können. Derzeit erarbeitet die IG BAU dafür Empfehlungen.
       
       Doch wären allein mit mehr Zollbeamten effektivere Kontrollen für den
       größer gewordenen Aufgabenbereich möglich? 2008 monierte der
       Bundesrechnungshof in einem Bericht, dass die vorgegebene Außendienstquote
       von 50 Prozent von den FKS-Mitarbeitern "deutlich verfehlt" werde. Die als
       "Regelfall gedachte Prüfung am Ort der Leistungserbringung war in der
       Praxis die Ausnahme", stellten die Rechnungsprüfer fest.
       
       Im Klartext heißt das: Zu viele Zollbeamte sitzen im Büro, statt vor Ort zu
       kontrollieren. Der Bericht führt auch aus, dass in strukturschwachen
       Regionen wie Schwedt oder Oderberg ein Personalüberhang bestehe - während
       in strukturstarken Gebieten wie Großstädten schlichtweg Personal fehle.
       
       13 Apr 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eva Völpel
       
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