# taz.de -- Pulitzer goes Online: Emanzipation des Web-Journalismus
       
       > In der Königsdiziplin Investigation geht ein Pulitzer-Preise 2010 an das
       > gemeinnützige Online-Projekt ProPublica.
       
 (IMG) Bild: ProPublica stellt für viele sogar "die" Antwort auf die Frage dar, wie in Zeiten der US-Zeitungskrise Qualitätsjournalismus überleben kann.
       
       Die diesjährigen Gewinner der Pulitzer-Preise sorgen für Aufsehen. Doch
       nicht etwa, dass wie befürchtet, das Regenbogen-Blatt National Enquirer für
       seine mit viel Geld erkauften Einzelheiten über Affären des demokratischen
       Ex-Präsidentschaftskandidaten John Edwards ausgezeichnet worden wäre. Die
       Juroren des wichtigsten Medienpreises der Welt haben vielmehr in einem
       Aufwasch eine Entwicklung nachvollzogen, die - zumindest mit Blick auf die
       USA - überfällig war: Seit gestern 15 Uhr Ortszeit ist die Emanzipation des
       Online-Journalismus perfekt. Gleich drei Online-Angebote - ProPublica, der
       Twitter-Dienst der Seattle Times und die Website des San Francisco
       Chronicle räumten die begehrte Auszeichnung ab.
       
       Bemerkenswert ist dabei vor allem der Preis in der Kategorie
       "Investigativer Journalismus" für ProPublica. Sheri Fink hat für das
       gemeinnützige Projekt monatelang in New Orleans über die medizinische
       Versorgung von Opfern von Hurricane Katrina recherchiert. Der
       ausgezeichnete Beitrag, "The Deadly Choices at Memorial," deckte auf, dass
       manche Ärzte im allgemeinen Chaos einigen Patienten tödliche Injektionen
       verpassten - weil sie fürchteten, diese würden mangels Möglichkeit, sie zu
       evakuieren, einen noch schlimmeren Tod sterben.
       
       Mit ProPublica wird nun zum einen ein überwiegend im Netz stattfindendes
       Projekt gewürdigt, dass für viele sogar "die" Antwort auf die Frage
       darstellt, wie in Zeiten der US-Zeitungskrise Qualitätsjournalismus
       überleben kann: Gefördert durch Spenden - und in Zusammenarbeit mit den
       "noch" existierenden klassischen Medien.
       
       "Donate", zu deutsch "Spende!" grüßt in freundlichem grün ein Button auf
       der Homepage - ProPublica versteht sich selbst als "unabhängiger, nicht
       gewinnorientierter Newsroom". Das Ziel heißt "investigativer Journalismus
       für die Öffentlichkeit". Und die kann sich nehmen, was sie möchte: "Steal
       our stories", klau unsere Geschichten. fordert ein anderer Button auf der
       Homepage auf. Solange Beiträge nicht speziell gekennzeichnet sind, dürfen
       und sollen Artikel und Grafiken kostenlos weiterverbreitet werden. Die
       einzigen Bedingungen: Keine Veränderungen an den Texten, ein Credit für
       ProPublica - und natürlich ein Link.
       
       "Für ProPublica arbeiten heute einige der besten investigativen
       Journalisten der USA", sagt die Washington Post-Reporterin Anne Hull, 2008
       selbst Pulitzer-Preisträgerin - von daher sei es "gar nicht mal eine so
       große Überraschung", dass eine von ProPublica finanzierte Recherche
       gewonnen habe. Mit rund 35 festen Reportern ist ProPublica nicht einmal
       besonders groß - doch haben fast alle von ihnen bislang für die "großen"
       Blätter und Magazine gearbeitet.
       
       Chefredakteur Paul Steiger kommt beispielsweise vom Wall Street Journal. Er
       feierte den Preis als ein "Signal, dass unser Modell funktioniert". Sheri
       Finks Recherchen seien außerdem "ein Beispiel par excellence, wozu
       ProPublica gegründet wurde", so Steiger: Aufzuklären, vor allem über
       "Missbrauch von Macht, das Interesse der Allgemeinheit an solchen
       Verfehlungen wach zu halten und Alternativen aufzuzeigen". Doch dieser
       "Watch Dog"-Journalismus ist teuer - weshalb ProPublica nur weiter
       existieren kann, wenn die "reichen Leute, die schon das Geld zur Gründung
       gegeben haben, ProPublica weiter unterstützten", sagt Hull. Außerdem
       brauchten Online-Projekte wie ProPublica "zumindest im Moment noch" die
       traditionellen Medien als Plattform, um ihre Beiträge zu veröffentlichen
       und bekannt zu machen.
       
       Das stimmt auch im aktuellen Fall. Auch der 13.000 Wörter lange, jetzt mit
       dem Pulitzer-Preis bedachte Beitrag von Sheri Fink über ihre Recherchen in
       New Orleans wurde "in Zusammenarbeit mit der New York Times" produziert,
       wie es in der Pulitzer-Preisliste heißt: Es stand (auch) im New York Times
       Magazine.
       
       14 Apr 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Steffen Grimberg
       
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