# taz.de -- Pro und Kontra: Parteien beim Anti-Atom-Protest?
       
       > Einige Atomkraftgegner wollen bei den Protestaktionen am Wochenende keine
       > politischen Parteien sehen. Andere sagen: Jeder Einzelne zählt und ist
       > auch willkommen.
       
 (IMG) Bild: Atomkraftgegner protestieren in Gorleben gegen das rot-grüne Führungsdou Schröder/Fischer (Archivbild von 2000).
       
       Pro 
       
       Wenn eine Masse von Menschen für die gleichen Ziele eintritt, ist es ein
       Gebot der Vernunft, dass alle Beteiligten am selben Strang ziehen. So
       scheint es nur logisch, dass Atomkraftgegner aus unterschiedlichen
       Bewegungen, Gruppierungen und auch aus Parteien gemeinsam auf die Straße
       gehen, um ein Zeichen zu setzen. Je mehr Menschen sich beteiligen, um so
       mehr Gehör können sie sich verschaffen - getreu dem Motto "Zusammen sind
       wir stark!".
       
       Es ist unwahrscheinlich, dass die Anti-Atom-Bewegung allein genug Menschen
       wird mobilisieren können, um die geplante 120 Kilometer lange
       Anti-Atom-Menschenkette zu schließen. Zu klein sind die Gruppen, zu wenig
       verbreitet in ländlichen Regionen. Wenn sich Parteien wie SPD, Grüne oder
       Linke mit ihrer grundsätzlich atomkraftkritischen Einstellung dem Protest
       anschließen, kann die Bewegung nur profitieren. Über ein engmaschiges Netz
       können die Parteien ihre Anhänger schnell mobilisieren und der
       Menschenkette mehr Substanz verleihen.
       
       Was macht es da für einen Unterschied, ob jemand mit oder ohne Parteibuch
       in den Reihen steht? Wichtig ist, dass der gemeinsame Grundgedanke stimmt:
       "Atomkraft? - Nein danke!" Auch wenn sich die Forderungen nach dem
       Atomausstieg im Detail unterscheiden, sind Animositäten und Ressentiments
       in der eigenen Mannschaft kontraproduktiv. Nur mit vereinten Kräften lässt
       sich der wahre Gegner - die Atomlobby - bezwingen.
       
       Zwar mag der Vorwurf berechtigt sein, dass Parteien die Aktion als
       Wahlkampfplattform nutzen, doch das muss nicht gleich negativ sein. Denn
       ein rot-grüner Sieg bei der NRW-Wahl könnte nicht nur die schwarz-gelbe
       Landesregierung ablösen - ein jähes Ende finden könnten auch die Pläne von
       CDU und FDP zur Laufzeitverlängerung der AKWs.
       
       Davon profitieren nicht zuletzt die Atomkraftgegner. Allein können sie
       wenig bewirken, auch wenn heute noch so viele Menschen auf die Straße
       gehen. Die Entscheidungen zum Atomausstieg werden nun einmal in der Politik
       gefällt.
       
       Julia Henke (29) ist Praktikantin bei der taz. 
       
       **********************************
       
       Kontra 
       
       Die Anti-Atom-Bewegung erlebte vergangenen Herbst ihre beeindruckendste
       Renaissance seit der Tschernobyl-Katastrophe 1986. Mehr als 50.000 Menschen
       zogen am 5. September 2009 durch Berlin, um wenige Tage vor den
       Bundestagswahlen die Forderung nach einem sofortigen Ausstieg aus der
       menschen- und naturfeindlichen Technologie zu bekräftigen. Nur eins trübte
       das großartige Bild: das grüne Fahnenmeer.
       
       Nun ist damit zu rechnen, dass bei der geplanten Anti-Atom-Menschen- und
       -Aktionskette vom Atomkraftwerk Brunsbüttel über Hamburg bis zum
       Skandalreaktor Krümmel neben den gelben Fahnen mit der Anti-Atom-Sonne
       erneut die Farbe Grün dominieren wird. Und auch die SPD mit ihrem Chef
       Sigmar Gabriel und die Linkspartei buhlen mit ihren Spitzenpolitikern um
       die Kettenspitze.
       
       Nicht dass alle Atomkraftgegner mit grünem und auch nicht mit linkem oder
       sozialdemokratischem Parteibuch an einem Tag wie diesem zu Hause bleiben
       müssten - im Gegenteil: Der zahlenmäßig spektakuläre Wiederaufstieg der
       Anti-Atom-Bewegung ist nicht zuletzt der Rückkehr vor allem der Grünen auf
       die Straße zu verdanken, hatten sie doch unter Rot-Grün zu sehr auf
       Kompromiss mit der unnachgiebigen Atomlobby gesetzt und sich deswegen immer
       zögerlicher unter die Aktivisten gemischt. Aber dominieren sollen die
       Parteien die Sache nicht.
       
       Gerade vor den Wahlen in NRW mag ein mediales Großereignis wie die
       Menschenkette ein attraktives und zudem unaufwendiges - weil nicht von
       ihnen organisiertes - Wahlkampfspektakel sein. Doch die hohe Parteipräsenz
       schadet der Bewegung. Die Anti-AKW-Bewegung hat ihre Stärke immer daraus
       gewonnen, dass sie unabhängig agiert und es ihr stets gelungen ist, nicht
       parteipolitisch instrumentalisiert zu werden. Nur deshalb waren und sind
       auch nach 30 Jahren so unterschiedliche gesellschaftliche Kräfte beteiligt.
       
       Grüne, Linke, Sozialdemokraten, auch CDUler sollen sich am Samstag gern an
       den Händen fassen und in die Kette einreihen. Ihre Parteifahnen sollen sie
       aber bitte zu Hause lassen.
       
       Felix Lee (35) ist taz-Redakteur für Politik von unten. 
       
       *************
       
       Dieser Text ist für Sie kostenlos verfügbar. Dennoch wurde er nicht ohne
       Kosten hergestellt! Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, würden wir uns
       freuen, wenn Sie der taz dafür einen kleinen Betrag bezahlen. Das können
       wenige Cent sein - wir überlassen es Ihnen. 
       
       Für unabhängigen Journalismus: taz-Konto 39316106 | BLZ: 10010010 |
       Postbank Berlin - Verwendungszweck "taz.de".
       
       24 Apr 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Julia Henke
 (DIR) Felix Lee
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA