# taz.de -- Rechtsextreme Zuschauer: Die Hetzer von Mügeln
       
       > Wenn Roter Stern Leipzig ins Umland reist, muss sie mit dem Schlimmsten
       > rechnen. Nach antisemitischen Parolen kam es jetzt wieder zu einem
       > Spielabbruch, diesmal in Mügeln.
       
 (IMG) Bild: Mügelns Vereinspräsident Gotthard Deuse will nichts gehört haben.
       
       BERLIN taz | Am Samstagabend saßen Fans und einige Spieler des "Roten Stern
       Leipzig" in ihrem Stammlokal beisammen, wie sie es nach Spielen immer tun.
       Doch Sophia Bormann kam nicht dazu, sich aufs Essen zu konzentrieren.
       Ständig klingelte das Telefon, denn ihr Verein war soeben mal wieder zur
       Zielscheibe von Neonazis geworden. Der Rote Stern ist ein alternativer
       Breitensportverein, der jüngst mit dem "Sächsischen Förderpreis für
       Demokratie" ausgezeichnet wurde.
       
       Seine erste Herrenmannschaft ist so gut, dass sie in der achtklassigen
       Bezirksklasse, Staffel II mittun darf. Das beinhaltet Fahrten in die
       nordsächsische Provinz, und die ist ein regelrechter Gegenentwurf zum
       bunten Leben im Leipziger Szenestadtteil Connewitz. Die Gegend um Grimma,
       Delitzsch und Mügeln ist eine der landesweiten Hochburgen der rechten
       Szene. Quasi zeitgleich mit dem Spiel fand im etwa 40 Kilometer entfernten
       Torgau eine Neonazi-Demo mit 170 Teilnehmern statt.
       
       10 bis 15 rechtsextremistische Jugendliche sind bisher immer aufgekreuzt,
       wenn der Rote Stern in Orten wie Oschatz oder Schkeuditz spielte. Im
       Oktober kam es zu einem Spielabbruch, als Dutzende zum Teil bewaffneter
       Neonazis Spieler und Fans des RSL in Brandis attackierten.
       
       Am Samstag folgte der zweite Abbruch binnen einem halben Jahr. Beim FSV
       Mügeln/Ablaß hatten sich 50 Rechte eingefunden. "Die haben die ganze Partie
       über Spieler und Fans rassistisch beschimpft", berichtet Bormann, "schon
       als wir ankamen, wurde der Hitlergruß gezeigt." Auch das sogenannte
       U-Bahn-Lied ("von Jerusalem bis nach Auschwitz") und ähnliche
       antisemitische Parolen wurden gesungen.
       
       Die RSL-Spieler votierten zunächst dafür weiterzuspielen. Nachdem der
       Schiedsrichter Winfried Bohrmann in der ersten Halbzeit die Partie bereits
       einmal unterbrochen hatte, weil Polizei und RSL-Fans aneinandergeraten
       waren, bat er nun zwei Mügelner Spieler, die rechten Fans zur Ruhe zu
       bringen. Als dies nicht fruchtete, hatte der Leipziger Keeper acht Minuten
       vor Schluss die Nase voll.
       
       "Unter diesem Schwall von Nazigesängen wollte er nicht weiterspielen",
       erklärt Bohrmann. Der Referee unterbrach die Partei daraufhin. "Das war aus
       meiner Sicht nicht mehr tolerierbar", sagte er der Leipziger Volkszeitung. 
       
       Ganz anders sah das ein Mann, der bereits 2007 bundesweit für Schlagzeilen
       gesorgt hatte: "Solange ich beim Spiel war, habe ich keine Nazi-Sprüche
       gehört", behauptete Vereinspräsident Gotthard Deuse; er habe auch keine
       Neonazis gesehen. Das wiederum ist nicht weiter verwunderlich. Schon 2007
       hatte der FDP-Mann in seiner Eigenschaft als Oberbürgermeister von Mügeln
       überrascht. Nachdem 50 Männer unter "Ausländer raus"-Rufen acht Inder
       durchs Dorf gejagt hatten, meinte er: "Ich sage klipp und klar:
       Rechtsextremismus schließe ich aus."
       
       Laut Statistik der sächsischen Opferberatungsstellen ist Mügeln die Stadt
       mit den meisten rechtsextrem motivierten Übergriffen in Sachsen. Beim
       gastgebenden Verein war man zunächst sauer über den Spielabbruch beim Stand
       von 2:0.
       
       Dass der Stadionsprecher den RSL unmittelbar nach dem Spielabbruch als
       "feige" bezeichnete, mag dem Affekt geschuldet sein. "Er meinte, man müsse
       über solche Parolen hinwegsehen", berichtet RSL-Vertreterin Bormann,
       "Oliver Kahn sei schließlich auch immer mit Bananen beworfen worden."
       
       Vereinssprecher Jan Greschner, gleichzeitig Torwart des Clubs, bezog am
       Sonntag Stellung: "Der Verein möchte die rechten Gesänge einer Gruppe, die
       noch niemals in Mügeln zum Fußball erschienen war, in keinster Weise
       leugnen oder gar beschönigen", heißt es. Es sei aber auch nicht
       hinzunehmen, dass RSL-Fans Mügelner Spieler als "Nazis" beschimpften.
       
       Ähnlich argumentierte der sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU), der
       es bedauerte, "dass der Fußball von linken und rechten gewaltbereiten
       Extremisten benutzt wird". Dieses Argumentationsmuster ist klassisch in
       einem Bundesland, wo sich nach jedem rassistischen Übergriff ein Politiker
       findet, der vor "Gewalt von links und rechts" warnt.
       
       "Dieses Gerede ist hier gang und gäbe, geht aber völlig an den Realitäten
       vorbei", sagt Bastian Pauly von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Leipzig,
       "das verkennt, dass der Rechtsextremismus die alltägliche Realität in
       Nordsachsen ist, und relativiert das Bedrohungspotenzial für alle, die
       nicht in das Weltbild der Neonazis passen".
       
       Gewissermaßen müssen einem die Vereine in der Bezirksklasse Staffel II
       leidtun. Schließlich kommen die rechten Jugendlichen oft wohl wirklich nur
       dann geballt zu deren Spielen, wenn mit dem Roten Stern ihr politisches
       Feindbild auftritt. Wo die Szene - wie in weiten Teilen des Leipziger
       Umlandes - zur dominierenden Jugendkultur geworden ist, setzt sie ihren
       Hegemonieanspruch mit aller Macht durch. Schon der Jugendliche mit dem
       falschen Button (NPD-Diktion: "Gesinnungsknopf") lebt hier gefährlich.
       
       Wenn 150 alternative Leipziger in die Provinz kommen, wird das als
       Kriegserklärung aufgefasst, zumal wenn es sich um Fußballfans handelt,
       agieren die doch auf dem Territorium, das die Rechten längst als eines der
       Agitationsfelder entdeckt haben. Die Kameraden in der Region spielen
       übrigens auch selbst Fußball.
       
       Pfingsten 2009 trafen sich Kameradschaftsaktivisten und andere Neonazis zum
       "Nationalen Fußballwettstreit". Es siegte die Terror Crew Muldental vor den
       Freien Nationalisten Delitzsch und den Nationalen Sozialisten Muldental.
       
       27 Apr 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christoph Ruf
       
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 (DIR) Staatsanwalt
       
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