# taz.de -- Vivantes sieht sich als politischer Spielball: Krankenhäuser dringen auf Behandlung jedweder Art
       
       > Der kommunale Krankenhauskonzern dringt auf eine politische Entscheidung
       > über seine Zukunft und übt den Schulterschluss mit der Charité. Warnung
       > vor Investitionsstau.
       
 (IMG) Bild: Auf Krankenhausfluren könnte es bald noch leerer werden: Die Berliner Kliniken sehen sich vor einer unsicheren Zukunft.
       
       Das Warten auf die Diagnose ärgert Joachim Bovelet sichtlich. "Wir brauchen
       eine schnelle Entscheidung - egal, ob es eine gute oder eine schlechte für
       die jeweilige Seite ist", sagte der Chef des Krankenhauskonzerns Vivantes
       am Montag. Die Klinikbetriebe müssten aus der Beliebigkeit
       haushaltspolitischer Spielereien herauskommen. Bovelet schlug damit in
       dieselbe Kerbe wie sein Kollege Karl Max Einhäupl von der Charité: Beide
       wollen wissen, welche Zukunft der Senat für die Krankenhäuser entwirft.
       Seit Monaten kursieren Gerüchte über Schließung, Zusammen- und Verlegung
       von Standorten. Vor einer Entscheidung aber drücken sich die politisch
       Verantwortlichen - und provozieren damit einen Investitionsstau und
       Finanzlücken.
       
       Klar ist, dass sich Vivantes und die landeseigene Charité in ihrer jetzigen
       Form nicht dauerhaft halten können. Der Vivantes-Konzern mit seinen 13.000
       Mitarbeitern steht dabei wirtschaftlich gut da. Im vergangenen Jahr schrieb
       das Unternehmen erneut schwarze Zahlen, der Umsatz stieg, mit 93 Millionen
       Euro investierte Vivantes fast doppelt so viel wie im Vorjahr. In diesem
       Jahr will der Konzern bis zu 70 Millionen Euro in seine medizinischen
       Einrichtungen stecken. Schon im kommenden Jahr aber würde es eng. "Dann
       brauchen wir andere Finanzierungsquellen", warnte Finanz-Geschäftsführer
       Peter Schnitzler.
       
       Beim defizitären Uni-Klinikum Charité ist die Lage brisanter, dort sind
       manche Gebäude schon jetzt marode. Die Charité hat dabei 2009 nach einem
       rigiden Sparkurs ihren Verlust auf 19 Millionen Euro begrenzt.
       Mittelfristig sind sowohl bei Vivantes als auch bei der Charité hunderte
       Millionen Euro Investitionen nötig - die das Land Berlin nicht wird stemmen
       können.
       
       Dazu belastet die Unsicherheit Mitarbeiter und Management: Das
       Auguste-Viktoria-Klinikum (AVK) in Schöneberg etwa ist das wirtschaftliche
       Zugpferd von Vivantes. Doch seit Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos)
       laut überlegt hat, den Standort zu schließen und im Gegenzug das nahe
       Charité-Klinikum Benjamin Franklin zu stärken, hat Vivantes einen
       Investitionsstopp über das AVK verhängt.
       
       Das Verhältnis zwischen den eigentlich konkurrierenden Häusern scheint sich
       in der Not entspannt zu haben. Bovelet sprach von erfolgreicher Kooperation
       in Teilbereichen und konstruktiven, regelmäßigen Gesprächen. Er erwähnte
       auch ein zwischen Charité und Vivantes abgestimmtes Papier, nach dem eine
       Fusion allein 45 Millionen Euro durch Synergien in der Verwaltung
       freisetzen würde. Ob ein Zusammenschluss sinnvoll sei, wollte der
       Vorsitzende der Vivantes-Geschäftsführung indes dahingestellt sein lassen.
       
       Bliebe Vivantes als Einzelkonzern bestehen, sei die Umwandlung in eine
       kommunale Aktiengesellschaft (AG) denkbar, sagte Bovelet stattdessen.
       Vivantes käme als AG zu frischem Kapitel, könnte Kliniken zukaufen und
       damit den Umsatz ankurbeln. Anteilseigner könnten zunächst Land und Kommune
       werden; an die Börse müsste Vivantes als Aktiengesellschaft nicht
       zwangsläufig. Eine Alternative wären womöglich zinsverbindliche
       Kommunaldarlehen, um städtische Vorsorge jenseits privater Kliniken zu
       betreiben.
       
       All diese Vorschläge bleiben indes Fantasien, solange die Politik zögert.
       Kritiker fürchten, dass vor den Parlamentswahlen im Herbst 2011 gar nichts
       mehr passiert - und danach Monate vergehen, bis die Politiker sich
       Sachthemen widmen. Die Verwaltung tat am Montag nichts, diese Szenarien zu
       entkräften. "Es gibt keine Bewegung bei diesem Thema, keine Einigkeit und
       keinen Termin", sagte eine Sprecherin der Senatsgesundheitsverwaltung.
       Geplant ist bislang, dass die Senatoren für Finanzen, Gesundheit und
       Wissenschaft den Abgeordneten im Juni ein gemeinsames Strategiepapier für
       die Zukunft von Vivantes und Charité vorlegen. Ob sich daran mehr als ein
       paar Diskussionen anschließen, die die Sommerpause dann ohnehin abwürgt,
       ist fraglich.
       
       3 May 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kristina Pezzei
       
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