# taz.de -- Konzert mit Randy Newman: Kleiner Mann, große Geschichten
       
       > Randy Newman war nie ein Rock-n-Roll-Star. Stattdessen zeigt der
       > Chefkritiker des amerikanischen Lifestyles bei seinem Konzert in Berlin
       > ein Statement des Antiheldentums.
       
 (IMG) Bild: Zeigte bei "You Can Leave Your Hat On", was Joe Cocker mit seiner Coverversion zerstört hat: Randy Newman.
       
       BERLIN taz | Ein kleiner Mann kommt auf eine große Bühne geschlurft. Alt,
       grau, leicht gebeugt. Setzt sich ans Piano. Randy Newman ist in Berlin,
       Admiralspalast. Spielt los. "Its Money that I love". Mit den wunderbaren
       Zeilen: "Used to worry bout the Poor / Now I dont worry any more." Da ist
       alles drin, was Newman im Verständnis der Betrachter zu einer Art
       misanthropischem Chefkritiker des amerikanischen Lifestyles hat werden
       lassen.
       
       Newmans letztes Album "Harps and Angels" ist 2008 erschienen. Offiziell ist
       er damit jetzt auf Europatour. Berlin ist der einzige Deutschland-Stopp.
       Newman, 66, war nie ein Rock-n-Roll-Star wie seine Zeitgenossen Dylan,
       Young, Simon. Aber er gehört in die Kategorie der Gründerväter der
       klassischen Rockmusik.
       
       Es handelt sich eindeutig um ein klassisches Konzert. Sitzplätze. Ein
       Anzugträger am Piano, ein bürgerliches Publikum fortgeschrittenen Alters.
       Komplizierte Arrangements zwischen Fats Domino, New Orleans und Hollywood.
       Newmans solitäre Stimme. Mehr braucht es nicht. Der Beifall zustimmend,
       aber beherrscht. Zwischendurch ruft einer "Huh" oder "Wuh", aber diese
       Rockismen fühlen sich seltsam an. Pünktlicher Beginn um acht, Ende viertel
       elf. Newman sagt, er sei seit zwölf Jahren nicht mehr so lang aufgeblieben.
       Er ist ein guter Geschichtenerzähler. Bisschen Stand-up, bisschen
       autobiografisch, bisschen was über seinen Hauptjob derzeit, als Komponist
       von Filmmusik in Hollywood. Er ist sehr lustig, gar nicht zynisch,
       vielleicht altersmilde. Manches ist auch in den Songs nicht mehr so scharf,
       wie es in den 70ern gewesen sein mag.
       
       Angenehmerweise keine Überfrachtung mit politischen Botschaften, sondern
       elegante Einbindung der Politsongs in den Unterhaltungsabend; von der
       Vietnamkrieg-Aufarbeitung "Political Science" zu "A few Words in Defense of
       our Country". Das ist vom letzten Album und sei entstanden, als er Mitte
       der Nullerjahre mitbekommen habe, dass man in Europa offenbar was gegen die
       USA hatte. Das Lied ist die Parodie des Versuchs einer Rechtfertigung, dass
       die Bush-Politiker zwar die schlimmsten seien, die man jemals hatte, aber
       nicht die schlimmsten, die es jemals gab. Man denke nur an den römischen
       Kaiser, der sein Pferd zum Konsul machte. Plus selbstverständlich Hitler
       und Stalin.
       
       Das Newman-Prinzip lautete stets: Irritation, um Spielraum für geistigen
       Fortschritt zu schaffen. Bestes Beispiel: Sein einziger Single-Hit "Short
       People" von 1977, in dem er behauptet, dass kleine Menschen eigentlich
       keinen Grund zum Leben hätten, weil sie kleine Hände hätten und lügen
       würden, dass sich die Balken biegen. "Short People" kommt früh und danach
       noch fast alles, was zum Kanon gehört; "Baltimore", "Birmingham", "In
       Germany Before The War", "Sail Away", "Lonely At The Top".
       
       Nicht zu vergessen "I Love L. A.", solitär in Newmans Ouevre, weil das ein
       so starker Popsong ist, dass Arrangement und Ironie nicht dagegen ankommen.
       Bei "You Can Leave Your Hat On" wird klar, was Joe Cocker mit seiner
       Coverversion zerstört hat, indem er aus Newmans tiefem Humor hohles Pathos
       machte. Selbstverständlich benutzt auch Newman Pathos, aber es ist
       eingewoben in seinen ironischen Grundton - wie auch sein heiliger Ernst,
       der sich doch wohl hoffentlich im Kern der komplizierten Inszenierung
       verbirgt.
       
       Am Ende verneigt sich Randy Newman etwas linkisch, der Anzug sieht dabei
       etwas zu groß aus. Es ist ein Statement des Antiheldentums und kommt so
       authentisch, dass es fast schon wieder eingeübt sein könnte.
       
       5 May 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Peter Unfried
 (DIR) Peter Unfried
       
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