# taz.de -- Ökumenischer Kirchentag in München: Das Klima ist rauer geworden
       
       > Für den Kirchentag werden rund 100.000 christliche Laien erwartet. Trotz
       > hunderter Veranstaltungen werden die Themen Ökumene und Missbrauch im
       > Vordergrund stehen.
       
 (IMG) Bild: Der große Aufstand gegen die (katholische) Hierarchie ist auf dem ÖKT kaum zu erwarten.
       
       BERLIN taz | Was war das für eine Aufregung. Schon Wochen vor dem 1.
       Ökumenischen Kirchentag (ÖKT) 2003 geisterte durch die Medien der Plan
       eines gemeinsamen Abendmahls von Katholiken und Protestanten auf dem großen
       Christentreffen in Berlin. Kirchenkritische Gruppen hatten angekündigt,
       diesen - zumindest für die katholische Hierarchie - gezielten Tabubruch am
       Rande des ÖKT wagen zu wollen.
       
       Tatsächlich fanden die beiden Gottesdienste dann statt, heftige
       Medienpräsenz eingeschlossen. Die damals daran teilnahmen, erzählen davon,
       es habe bewegende Momente dabei gegeben. Die zuständigen katholischen
       Bischöfe aber reagierten knallhart: Die zwei daran beteiligten Priester,
       einer davon war der Theologe Gotthold Hasenhüttl, wurden später streng
       gemaßregelt. Auf das bewegte Treffen von über 200.000 einfachen Christinnen
       und Christen der beiden Volkskirchen war ein mächtiger Schatten gefallen.
       
       Deshalb war klar: Ein gemeinsames Abendmahl würde bei dem am Mittwoch
       beginnenden 2. ÖKT in München nicht geben - weder im offiziellen Programm,
       noch am Rande. Einerseits weil man nicht wieder das große Glaubensfest
       durch diese Frage geprägt sehen wollte. Andererseits wohl auch, um nicht
       wieder katholische Priester zu halb freiwilligen, halb unfreiwilligen
       Opfern der Kirchenoberen machen zu wollen.
       
       Der große Eklat wird in München aller Voraussicht also nicht stattfinden,
       die Spannung ist geringer. Es werden auch weniger Teilnehmerinnen und
       Teilnehmer erwartet als vor sieben Jahren in Berlin. Die Organisatoren, der
       Evangelische Kirchentag und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken,
       rechnen mit mindestens 100.000 Gästen. Ist das ein Zeichen, dass die
       Ökumene den Christen hierzulande nicht mehr so auf den Nägeln brennt?
       
       Geht man nach der Masse an Veranstaltungen auf dem ÖKT zum Thema Ökumene
       spricht wenig dafür: Nach Schätzungen von Rüdiger Runge, (evangelischer)
       Pressesprecher des ÖKT, gibt es auf den knapp 3.000 Veranstaltungen in
       München mehrere Hundert zu Fragen der Ökumene. Zwei Zentren des Kirchentags
       beschäftigen sich nur oder hauptsächlich mit diesem Thema.
       
       Und tatsächlich gibt es da immer noch einiges zu besprechen: Da ist das
       Papst-Schreiben "Dominus Jesus" aus dem Jahr 2000, das den protestantischen
       Kirchen aus katholischer Sicht ihr Kirche-Sein schlicht absprach - ein
       Papier, das der heutige Papst Benedikt XVI. sogar unnötiger Weise noch
       einmal bekräftigte. Das Schreiben schmerzt nicht nur die Landesbischöfe der
       protestantischen Kirchen noch beträchtlich.
       
       Hinzu kam im vergangenen Herbst ein interner Text aus der Zentrale der
       Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Hannover zum Stand der
       Ökumene. Ziemlich [1][abschätzige Bemerkungen fanden sich darin zur Lage
       der katholischen Kirche in Deutschland] und zu Robert Zollitsch, der der
       Erzbischof von Freiburg und Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz
       ist. Das hat auf der anderen Seite doch ein wenig weh getan.
       
       Keine Frage: Das ökumenische Klima ist seit dem letzten ÖKT rauer geworden
       - und es wird spannend sein zu sehen, ob die in München versammelten
       "Laien" ihren Kirchenoberen in dieser Hinsicht wieder etwas Dampf machen
       können. Oder ob der gelegentlich anzutreffende Frust, ja der Rückzug auf
       das alt Bekannte der eigenen Konfession zugenommen hat. Eine große Vesper
       nach orthodoxem Ritus an 1.000 Tischen mit gemeinsamen Essen gesegneten
       Brotes auf dem Odeonsplatz in München soll am Freitagabend zumindest für
       ein Bild der ökumenischen Verbundenheit sorgen.
       
       In jedem Fall steht zu erwarten, dass der Missbrauchsskandal der
       vergangenen Monate eine große Rolle in den Diskussionen, Gebeten und
       Meditationen auf dem Kirchentag spielen wird. Es gibt zwar nur wenige
       Veranstaltungen direkt dazu, nämlich gerade mal eine Handvoll. Das aber ist
       vor allem der langen Vorlaufzeit bei der Planung des ÖKT geschuldet, wie
       von den Organisatoren glaubhaft versichert wird. Und absehbar ist auch,
       dass diese Missbrauchs-Veranstaltungen mit ziemlicher Sicherheit überlaufen
       sein werden.
       
       Dennoch: Der große Aufstand gegen die (katholische) Hierarchie ist auf dem
       ÖKT kaum zu erwarten - vor allem weil es ja die Laien sind, die sich hier
       treffen, die Wut, die Scham und die Empörung über den Skandal werden also
       kein direktes Gegenüber in München finden, von den paar anreisenden
       Bischöfen mal abgesehen. Aber ein Stimmungsbarometer auch in dieser Frage
       wird der Kirchentag sicherlich sein.
       
       Diese beiden schweren Themen, die Ökumene und der Missbrauchsskandal,
       werden also aller Voraussicht nach den ÖKT in München bestimmen. Und
       dennoch wird man vor allem den christlichen Glauben über die
       Konfessionsgrenzen hinweg zu feiern wissen. Die Themen Krieg in Afghanistan
       und die Krise der Finanzmärkte werden intensiver diskutiert werden, aber es
       ist unwahrscheinlich, dass sie die Menschen noch so bewegen werden, wie es
       noch am Anfang des Jahres schien. Insofern hat der Missbrauchsskandal doch
       schon jetzt den Kirchentag geprägt – zumal seit Freitag nun auch erstmals
       gegen einen katholischen Oberhirten, den Augsburger Noch-Bischof Walter
       Mixa, Vorermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts sexuellen
       Missbrauchs begonnen haben.
       
       Und leider ist zu befürchten, dass auch dieses Mal, die Nabelschau der
       Christen wie schon beim 1. ÖKT in Berlin im Vergleich zur
       Auseinandersetzung mit den anderen Religionen und Kulturen dominieren wird.
       Es sieht nicht danach aus, dass diese neuen Wege des intensiveren Dialogs
       mit den anderen Religionen in München so häufig gegangen werden, wie es
       erforderlich wäre. Vielleicht wird man dafür ja auf den 3. ÖKT warten
       müssen. Wenn es denn in sieben Jahren wieder einen gibt.
       
       7 May 2010
       
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