# taz.de -- Zensierte Karikaturen in Kolumbien: Chávez im Planschbecken
       
       > Eine kritische Karikatur ist auch in Kolumbien nicht gerne gesehen. Wer
       > Chávez Arm in Arm mit der FARC zeichnet, wird abgehängt. Die Angst ist
       > stärker als die kritische Meinung.
       
 (IMG) Bild: Ein Fall für die Zensur: Chávez planscht mit der Guerilla.
       
       Die Karikaturisten in Kolumbien erzählen die nationale Geschichte des
       Landes aus einem aufrichtigen, geistreichen und kritischen Blickwinkel. Ein
       überzeugendes Bild hat durch die Hintertür des Humors oft mehr Aussagekraft
       und Macht, die nicht selten schmerzhaften Wahrheiten zu transportieren, als
       es so mancher Text vermag.
       
       Bis zum 15. Juni 2010 läuft in Bogotá noch die Ausstellung "Die Karikatur
       in Kolumbien seit der Unabhängigkeit". Es ist ziemlich kurios, dass eben
       aus genau jener Ausstellung die Karikatur des jungen Künstlers Miguel
       Cárdenas entfernt wurde. Das Bild zeigt den Präsidenten von Venezuela, Hugo
       Chávez, in einem Planschbecken Arm in Arm mit Mono Jojoy, dem Kommandanten
       der größten kolumbianischen Guerilla FARC und Tirofijo, ihrem verstorbenen
       Gründer.
       
       Die Karikatur bezieht sich auf das angeblich enge Verhältnis von Chávez und
       der kolumbianischen Guerilla. In der Überschrift "Zona de Distensión"
       (Entspannungszone) steckt ein Wortspiel: So hieß ein offiziell als neutral
       deklarierte Gebiet, das einst der FARC zur Verfügung gestellt wurde, um
       dort ohne militärischen Druck Verhandlungen zwischen der Guerilla-Bewegung
       und der Regierung stattfinden zu lassen. In der Karikatur sagt Chávez zu
       Mono Jojoy, dass er ihn zum Gouverneur der "Provinz Kolumbien" machen will.
       Chávez, der linke Regionalimperialist.
       
       Das ist nun immerhin eine Aussage, die mit den Ansichten der konservativen
       Regierung Kolumbiens durchaus vereinbar wäre. Warum wurde das Bild
       abgenommen? Laut Aussagen des Künstlers Miguel Cardenas hing das Bild nur
       drei Wochen und verschwand dann einfach von der Wand. Die Kuratorin der
       Exposition erklärt, man habe das Bild entfernt, da es nicht versichert war
       und die Versicherung das Aufhängen verboten habe. "Es wäre auf alle Fälle
       einfacher gewesen uns anzurufen, um den Wert der Karikatur zu erfragen und
       es versichern zu lassen, als es einfach abzuhängen. Obendrein wurde das
       Problem bis heute nicht gelöst", bekräftigt Cárdenas seine Unzufriedenheit.
       
       Für den jungen Künstler wirkt die Diskussion um die fehlende Versicherung
       nur wie eine schlechte Ausrede. Besonders, weil ihm ein Mitglied aus dem
       Kuratorenteam persönlich verraten hatte, dass eine Delegation aus Venezuela
       die Ausstellung im Januar besucht hat. Den Veranstaltern schien es zu
       heikel, eine Karikatur über die Politik und Nähe von Chávez zur
       kolumbianischen FARC zu präsentieren. Auf Anfrage der taz wollte sich
       jedoch niemand offiziell an diesen Besuch erinnern.
       
       Ein anderer Fall in Kolumbien ereignete sich im vergangenen Jahr und betraf
       eine Karikatur des Künstlers Harold Trujillo, in Kolumbien besser bekannt
       unter seinem Künstlernamen Chócolo. Er publiziert in der kolumbianischen
       Tageszeitung El Espectator und wurde im Regionalzentrum der Künstler in
       Armenia ausgestellt. Einige Tage vor Eröffnung der Ausstellung wurden
       Chócolos Bilder jedoch wegen ihrer politischen Inhalte verhängt - die
       Kommunikationsministerin kam im Zuge einer Veranstaltung des Ministeriums
       persönlich auf Besuch vorbei.
       
       "Das Wandbild, das mit wirklich kritischem Humor auf ein Ereignis anspielt,
       welches das ganze Land verängstigt und empört hat, wurde für die Dauer von
       zwei Stunden der Zensur unterworfen, weil der Ausstellungsraum an das
       Ministerium vermietet worden ist", berichtete El Espectator. Dabei ging es
       um eine Karikatur, die den Skandal der Falsos Positivos zum Thema hatte,
       das sind erschossene Zivilisten, denen Kopfgeldjäger Guerillakleidung
       überstreifen, um das Kopfgeld zu kassieren. Chócolos Zeichnung spielte auf
       den ersten bekannt gewordenen Skandal 2008 an, als in einem Massengrab die
       Leichen zwölf junger Männer gefunden wurden, die Kleidung und
       Erkennungsmerkmale von FARC-Kämpfern trugen. Sie waren jedoch keine
       bewaffneten Rebellen, sondern zuvor aus einem Armenviertel von Bogotá
       verschwunden.
       
       Der Hintergrund: Seit 2005 zahlt das Verteidigungsministerium für getötete
       hochrangige FARC-Führer 2,5 Millionen Dollar, für mittlere Führer 900.000
       Dollar und für erschossene Kämpfer nie driger Ränge immerhin noch einige
       hundert Dollar. Das reizt - und so werden immer mehr Fälle publik, wo
       vornehmlich Minderjährige, geistig Behinderte, Drogensüchtige oder
       Slumbewohner Opfer der Geldgier einiger Militärs werden. Über diese
       Vorfälle erzählt das Bild. Und das war den Augen der Ministerdelegation
       wohl nicht zuzumuten.
       
       Die Organisatoren der Ausstellung und der Karikaturist selbst sehen einen
       klaren Fall von Zensur. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass es Leute
       aus dem Organisationsteam waren, die das Bild verhängt hatten. Mehr als ein
       realer Akt der Zensur, war es also das Vorgehen einer Person, die den
       Eindruck hatte, dass eine regierungskritische Karikatur während einer
       Regierungsveranstaltung nichts zu suchen hat.
       
       Beide Fälle lassen sich als Zensur betrachten, und zweifelsohne hat in
       beiden Fällen die Angst über die kritische Meinung überwogen.
       
       Aus dem Spanischen übersetzt von Julia Herrnböck.
       
       7 May 2010
       
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