# taz.de -- Überprüfung von Medikamenten-Nutzen: Industrie gegen strenge Regeln
       
       > Künftig sollen neue Medikamente zügig auf ihre Wirksamkeit überprüft
       > werden. Experten verlangen Druck auf die Industrie, damit dafür schnell
       > alle Daten auf den Tisch kommen.
       
 (IMG) Bild: Für eine Hand voll Pillen: Arzneimittel-Produktion beim Pharmakonzern Stada.
       
       KASSEL taz Die Pharmaindustrie muss derzeit um eine komfortable Lage in
       Deutschland bangen. Noch können die Hersteller hier für neue
       patentgeschützte Arzneimittel Preise verlangen, die sie selbst festlegen.
       Die Krankenkassen müssen gleich nach der Zulassung zahlen. Erst weit im
       Nachhinein erfolgt eine Bewertung, ob das Präparat Vorteile gegenüber
       verfügbaren Therapien bringt.
       
       Die Bundesregierung hat angekündigt, dies ändern zu wollen. In ihren Ende
       April beschlossenen Eckpunkten für die Arzneimittelversorgung hat sie eine
       Schnellbewertung angekündigt. Spätestens drei Monate nach Zulassung eines
       Medikaments soll das Urteil über dessen Zusatznutzen vorliegen. Bei
       Mitteln, die durchfallen, würde dann die Kostenübernahmen gedeckelt.
       
       In Kassenkreisen hat Schwarz-Gelb viel Lob für diese Pläne geerntet. Mit
       der Schnellbewertung könne es gelingen, "die Spreu vom Weizen zu trennen",
       erklärte der AOK-Bundesverband, nachdem die Eckpunkte beschlossen waren.
       Der Ersatzkassenverband vdek nannte es "mutig", wie weit Schwarz-Gelb
       bereit sei, sich mit der Pharmaindustrie anzulegen.
       
       Andere sind zurückhaltender. Zu ihnen gehört der Jurist Rainer Hess,
       Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses der Krankenversicherungen
       und damit des Gremiums, das die Nutzen-Bewertungen veranlassen und über
       Kostendeckelungen entscheiden muss. Hess verlangte Druck auf die Industrie,
       damit für die Schnellbewertung auch tatsächlich alle Daten auf den Tisch
       kommen. Das müsse der Gesetzentwurf klar regeln, forderte er kürzlich beim
       "Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit": "Wir werden keine lasche
       Regelung akzeptieren."
       
       Wer heute Daten zum Nutzen von Arzneimitteln zusammentragen will, erlebt zu
       oft, dass Hersteller unliebsame Studienergebnisse erst spät oder gar nicht
       veröffentlichen. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
       fordert an dieser Stelle seit langem mehr Transparenz. Probleme gibt es
       auch mit Manipulationen in publizierten Studien. Untersuchungen, die von
       der Industrie gesponsert wurden, fallen häufiger günstig für die Firmen aus
       als in unabhängigen Studien, belegte unlängst eine Auswertung im Deutschen
       Ärzteblatt.
       
       Die schnelle Nutzenbewertung kann schon aus Zeitgründen nicht auf
       unabhängige Untersuchungen zurückgreifen. Die Prüfung soll auf der
       Grundlage von Dossiers erfolgen, die die Pharmafirmen zusammenstellen.
       Damit die nicht geschönt werden können, schlug Hess strenge Sanktionen vor:
       Stelle sich heraus, dass Studien unterdrückt wurden, dürfe ein Präparat
       nicht als Innovation eingestuft werden. Die Industrie wehrt sich gegen zu
       strenge Regeln. Ende Juni soll ein Gesetzentwurf für diesen Teil der
       Pharmareform vorliegen. Dann wird klarer, wer die Oberhand gewinnt.
       
       Bis dahin könnte auch eine für die Schnellbewertung zentrale Personalie
       geklärt sein: Wer steht ab September an der Spitze des Instituts für
       Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)? Das Institut
       übernimmt die Prüfungen für den Bundesausschuss. Der bisherige
       IQWiG-Leiter, Peter Sawicki, war darüber heftig mit der Industrie
       aneinandergeraten. Kurz nach dem Regierungswechsel wurde seine Stelle nicht
       verlängert.
       
       18 May 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katja Schmidt
       
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