# taz.de -- Hochwasser in Polen: Mit Gott gegen die Naturgewalt
       
       > Der polnische Regierungschef spricht von einer dramatischen Situation.
       > Das Hochwasser hat fatale Folgen für die Menschen. Eine der Ursachen:
       > Schlamperei.
       
 (IMG) Bild: 15 Menschen starben bislang in der Jahrhundertflut.
       
       WARSCHAU taz | "Alles verloren - außer dem Personalausweis." Das ist die
       häufige Reaktion von Menschen in Polen, wenn sie derzeit von Journalisten
       befragt werden. Im Hintergrund sieht man ihren Besitz: ein paar Dächer, die
       aus einer endlos erscheinenden braunen Suppe ragen.
       
       Der polnische Regierungschef Donald Tusk sprach von einer dramatischen
       Situation in Südpolen, nur zwei Provinzen seien noch nicht von der
       Hochwasserbedrohung betroffen. Trotz der verbesserten Wetterlage werde sich
       die Situation auch in den kommenden Tagen nicht normalisieren.
       
       Die Bürgermeisterin der polnischen Hauptstadt ließ am Montag als
       Vorsichtsmaßnahme die Schulen in Flussnähe schließen.
       
       Seit einer Woche leiden die Polen unter dem massiven Hochwasser. Nach den
       Verheerungen im gebirgsnahen Süden bedroht die Flutwelle nun den Norden des
       Landes. Immer wieder durchbricht die Weichsel Dämme im oberen Teil der
       Woiwodschaft Masowien.
       
       Bei der Industriestadt Plock wurde eine kontrollierte Sprengung
       vorgenommen, so kann das bereits über die Ufer getretene Wasser besser
       zurückfließen, um Plock zu entlassen.
       
       Es sind seit Tagen die gleichen Bilder: Bewohner der umliegenden Häuser
       bauen Mauern aus weißen Sandsäcken und hoffen, dass diese halten werden.
       Bislang mussten über 20.000 Menschen evakuiert werden. Nach pessimistischen
       Schätzungen kommen noch weitere 10.000 hinzu. Doch viele weigern sich, ihre
       Häuser zu verlassen. Sie sitzen auf den Dächern, oft ist ihr Besitz nicht
       versichert.
       
       In dem Dorf Nowy Troszyn befahl der Priester die Evakuierung des ganzen
       Dorfes, harrte aber selber im Pfarrhaus aus. Der Krakauer Erzbischof
       stellte gar eine Figur des heiligen Stanislaus von Krakau auf die Mauern
       der Wawelburg, um die Flut zu mäßigen.
       
       Das Schlimmste hat die Hauptstadt hinter sich. Seit Samstag sinkt der
       Pegel, dessen Höchststand bei 7,80 Metern lag. Allerdings sind die Dämme
       aus Sandsäcken durch nächtlichen Regen durchnässt, sodass auf der Ostseite
       eine flussnahe Verkehrsstraße gesperrt werden musste, was ein Verkehrschaos
       im Warschauer Stadtteil Praga zur Folge hatte.
       
       Anfangs noch gab Premier Donald Tusk Entwarnung: Das jetzige Hochwasser
       habe nichts mit der "Jahrhundertflut" von 1997 zu tun. Doch jetzt herrscht
       Einigkeit: Das aktuelle Hochwasser ist schlimmer.
       
       15 Menschen starben bislang in der Flut. Die Schäden lassen sich noch nicht
       überblicken. Denn die Wetterprognosen sind mies. Für die nächsten Tage ist
       wieder mit Regen zu rechnen.
       
       Am Montag stellt Innenminister Jerzy Miller Katstrophenhilfe in Aussicht.
       Jede geschädigte Familie soll etwa 1.500 Euro Soforthilfe erhalten.
       
       Der polnische EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek versprach vage, dass die
       EU in Gebieten mit besonderen Schäden Gelder bereit stellen werde.
       
       Mit dem Rückgang des Wassers wird auch das große Aufräumen beginnen müssen.
       An politischen Verantwortlichkeiten werden sich die Emotionen entzünden.
       Der Rechtspolitiker Jaroslaw Kaczynski, der für das Präsidentenamt
       kandidiert, schlug in seiner ersten Wahlkampfrede am Samstag sanfte Töne an
       und appellierte angesichts des Hochwassers an den Gemeinsinn der Polen.
       "Die Regierung hat viel zu langsam reagiert", beschweren sich jedoch seine
       Parteikollegen von der Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS).
       
       Die Verantwortlichen der konservativ-liberalen Partei "Bürgerplattform"
       (PO) haben es nicht geschafft, einen Wasserkatastrophenplan aufzustellen",
       monierte die rechte Oppositionspartei PiS, obwohl dies schon im letzten
       Jahr von der "Obersten Kontrollkammer" angemahnt wurde.
       
       Doch an vielen Stellen, wo die Flut bereits 1997 Schäden angerichtet hatte,
       wurde aus Trägheit oder Geldmangel kein Damm gebaut. Dies wurde auch in der
       PiS-Regierungszeit zwischen 2005 und 2007 nicht angepackt.
       
       700 Millionen Euro wurden nach dem Hochwasser von 1997 für die Prävention
       ausgegeben, geplant waren jedoch für das "Programm für die Oder" 2,5
       Milliarden Euro.
       
       24 May 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Nysa
       
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