# taz.de -- THW Kiel gewinnt Champions League: Zebras zerstreuen Zweifel
       
       > Mit einem 36:34-Final-Triumph gegen den FC Barcelona sind die Handballer
       > vom THW Kiel Champions-League-Sieger geworden. Und konnten endlich den
       > Makel eines unlauteren Siegs beseitigen.
       
 (IMG) Bild: Boerge Lund vom THW Kiel feiert mit der Trophäe in der Hand den Sieg.
       
       KÖLN taz | Auch am Ende des Tages gehorchten die Profis des THW Kiel den
       Worten ihres Trainers. "Wir feiern jetzt bis zum Rückflug am
       Montagvormittag", hatte Alfred Gislason nach dem Triumph in der Champions
       League angeordnet. Die zwei sagenhaften Comebacks, welche die Kieler sowohl
       im Halbfinale gegen den Titelverteidiger BM Ciudad Real (29:27) als auch im
       Finale gegen den FC Barcelona (36:34) auf das Parkett der Arena gezaubert
       hatten und die sicherlich ihren gebührenden Platz in der Handballgeschichte
       finden werden, müssten gebührend begossen werden, meinte der Coach. Und was
       ein Nordisländer wie Gislason eine angemessene Party nennt, kann man sich
       lebhaft vorstellen.
       
       Natürlich konnten auch die Profis um den überragenden Torhüter Thierry
       Omeyer kaum fassen, in den letzten 19 Minuten noch einen
       Sechs-Tore-Rückstand aufgeholt und so den zweiten Kieler Titel in der
       Königsklasse nach 2007 besiegelt zu haben. Und so wurde es ein
       feucht-fröhliches Fest, zunächst in einem urigen Brauhaus am Kölner Dom,
       dann bei der offiziellen "Players Party". Auch wenn der THW noch, wie es
       Linksaußen Dominik Klein formulierte, "einen Job zu erledigen" hat: den
       Gewinn der 16. Deutschen Meisterschaft. Dazu benötigen sie aus den beiden
       letzten Partien gegen Balingen (Mittwoch) und beim TV Großwallstadt
       (Samstag) einen Sieg und ein Remis, um Verfolger HSV Handball in Schach zu
       halten.
       
       Womöglich entwickelt sich das komplizierte Verhältnis des THW Kiel zur
       Champions League doch noch zu einer Liebesgeschichte. Bis zum Sonntagabend
       assoziierten viele Fans mit diesem Wettbewerb fast nur dunkle Momente. Als
       der THW im Jahr 2000, damals gegen den FC Barcelona, erstmals das Finale
       erreichte, fühlten sich Spieler von den Schiedsrichtern um den Sieg
       betrogen. Der Triumph des Jahres 2007, als die "Zebras" nach vielen
       vergeblichen Anläufen gegen die SG Flensburg-Handewitt endlich siegten,
       steht immer noch unter Verdacht: Seit März 2009 steht der Vorwurf im Raum,
       Exmanager Uwe Schwenker und Extrainer Noka Serdarusic hätten diesen Triumph
       nur durch Schiedsrichterbestechung ermöglicht; ein Prozess gegen die beiden
       Figuren, die den Kieler Aufstieg zum Rekordmeister personifizierten, steht
       noch aus.
       
       Die ausgelassene Freude über den Sieg fiel auch deshalb so überschwänglich
       aus, weil das dänische Schiedsrichterduo Per Olesen/Lars Pedersen über alle
       Zweifel erhaben war: Sie enthüllten im März 2009 im Zuge des Kieler
       Skandals, dass ihnen die kroatischen Ausrichter der WM 2009 vor dem Finale
       Prostituierte zuführen wollten. Sie stehen für Aufklärung, nicht für
       Korruption. Am Sonntag lieferten die Unparteiischen wie gewohnt eine
       souveräne Partie. Auch den Vorwürfen durch Ciudad-Real-Coach Talant
       Dushebajew, die beiden rumänischen Schiedsrichter des Halbfinals hätten den
       THW bevorteilt ("wir sind verarscht worden"), prallte an den
       THW-Verantwortlichen ab. Sie verwiesen darauf, dass eine Zeitstrafe wegen
       Wechselfehlers, die Dushebajew als entscheidend moniert hatte, korrekt
       bewertet worden war, wie die Fernsehbilder bewiesen.
       
       THW-Aufsichtsratschef Klaus-Hinrich Vater wollte nicht weiter auf die
       dunklen historischen Kapitel eingehen. "Wir leben nicht in der
       Vergangenheit, sondern in der Gegenwart", sagte der Unternehmer, der das in
       Not geratene Schiff THW mit großer Übersicht lenkt, seitdem Schwenker durch
       den neuen Geschäftsführer Uli Derad ersetzt wurde und die alte Führungscrew
       zurückgetreten war. Er strich stattdessen den Geist des Teams heraus. "Die
       Moral dieser Mannschaft ist einfach herausragend. Dass sie diesen Titel
       geschafft hat, obwohl mit Vid Kavticnik, Nikola Karabatic und Stefan
       Lövgren im letzten Sommer drei Stützen gegangen sind, ist sensationell."
       
       Auch die Einwände der spanischen Kontrahenten, die neue Form des
       Final-Four-Turnier hätten den THW Kiel massiv bevorteilt, weil die
       Zuschauer in der Kölner Arena wie eine Wand hinter dem einzigen deutschen
       Teilnehmer stand, quittierten die Verantwortlichen mit Kopfschütteln.
       Schließlich hatten vor allem die spanischen Klubs diesen Plan der
       Europäischen Handball-Föderation (EHF) unterstützt. Exmanager Schwenker
       hingegen hatte das nie gewollt und eine frühere Einführung dieses Modus
       sogar einmal verhindert. Und auch die neuen Verantwortlichen favorisieren
       den alten Modus mit Hin- und Rückspiel. "Wir würden lieber diese Spiele
       unserem Publikum in Kiel zeigen", sagte der für Finanzen zuständige
       THW-Aufsichtsrat Götz Bormann vor den Halbfinalspielen.
       
       Der neue THW Kiel hat also am Wochenende nicht nur die sportlichen Angriffe
       der spanischen Konkurrenz abgewehrt. Sondern auch alle Attacken außerhalb
       des Feldes. Diesen Titel dürfen die Schleswig-Holsteiner länger genießen
       als den fragwürdigen Erfolg aus dem Jahr 2007.
       
       31 May 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Erik Eggers
       
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