# taz.de -- Krankenhäuser: Noch eine Therapie für die Kliniken
       
       > Auch die Wirtschaft hat eine Zukunftsidee für Vivantes und Charité - sie
       > drückt sich aber vor entscheidenden Fragen.
       
 (IMG) Bild: Bettenhochhaus der Charité in Mitte
       
       Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen - auf kaum ein Berliner
       Thema trifft der Karl-Valentin-Spruch derzeit so zu wie auf die
       Krankenhaus-Reform. Nun haben die Kammern ihren Vorschlag zur Lösung der
       Finanzprobleme von Charité und Vivantes vorgelegt. Es ist die
       Fortschreibung eines Positionspapiers, das IHK und Handwerkskammer schon
       vor vier Jahren verfasst haben - damals auf Wunsch des Senats. Nun stoßen
       Eric Schweitzer (IHK) und Stephan Schwarz (Handwerkskammer) ungefragt vor.
       "Jede weitere Vertagung des Problems ist eine schwere Bürde für den
       Wirtschafts- und Gesundheitsstandort Berlin", begründete Schweitzer am
       Mittwoch den Schritt.
       
       Über die Zukunft der zwei landeseigenen Konzerne wird seit Jahren
       diskutiert. Vor einer tiefgreifenden Reform scheuen die Politiker zurück -
       aus Angst, schmerzhafte Eingriffe könnten Wähler verprellen. So häuften
       sich im Laufe der Jahre bei Vivantes und Charité Schulden und
       Investitionsbedarf an; medizinische Geräte sind veraltet, Gebäude schlecht
       gedämmt, es regnet hinein. Im anhaltenden Wettbewerb pflegten die
       Unternehmen die Doppelstrukturen, anstatt durch Kooperationen sinnvoll zu
       sparen. Und die ständigen Diskussionen um Standortschließungen verunsichern
       Mitarbeiter und verhindern Planungen.
       
       Mit dem Amtsantritt des parteilosen Finanzsenators Ulrich Nußbaum und in
       Anbetracht des dramatischen Investitionsstaus geriet das Thema erneut auf
       die Arbeitstische - und in die Schlagzeilen. Seit Herbst sitzen Nußbaum und
       seine Kollegen Jürgen Zöllner (SPD/Wissenschaft) und Katrin Lompscher
       (Linke/Gesundheit) in einer Steuerungsgruppe; dort verbringen sie ihre Zeit
       damit, auf gegensätzlichen Positionen zu verharren. Der Regierende
       Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hat sich in die Debatte eingeschaltet
       und einen Plan noch vor der Sommerpause angekündigt.
       
       Diese Entscheidung hoffen die Kammern zu beeinflussen. Sie plädieren dafür,
       eine Holding als Dach über Vivantes und Charité zu bauen. Die Holding soll
       als Aktiengesellschaft gestaltet werden und von der Politik möglichst
       unabhängig sein. "Wir denken an eine schlanke Konzernzentrale und rechtlich
       sowie organisatorisch selbstständige Einheiten", sagte Schweitzer. Die
       Konzerne sollten nicht fusioniert werden, betonte er. Vielmehr sollten
       unter dem gemeinsamen Dach mehrere Tochterfirmen eigenständig arbeiten.
       
       Vorteil einer Holding: Strategische Ausrichtung und Finanzplanung lägen in
       einer Hand, Strukturen könnten leichter durchschaut und aufeinander
       abgestimmt werden. Schweitzer rechnet damit, dass die Holding 60 Millionen
       Euro jährlich einsparen und das Geld investieren könnte. Nicht nur durch
       gemeinsamen Einkauf und eine einheitlichere Verwaltung - sondern auch, weil
       der Konkurrenzdruck genommen wäre. So haben die Häuser wegen des
       Bettenabbaus in den letzten Jahren überdurchschnittlich viel Fläche. Kaum
       ein Gebäude wird allerdings aufgegeben, weil dies den jeweiligen Standort
       gegenüber dem Mitbewerber schwächen würde.
       
       Außerdem könnten sich Charité und Vivantes als Holding Geld vom
       Kapitalmarkt holen. Das lehnt der Senat ab, mit Verweis auf die mangelnde
       Liquidität gerade der Charité. "Das Land Berlin hat nicht die Mittel für
       die benötigten 1,7 Milliarden Euro Investitionsbedarf", konterte Schweizer.
       Die Holding soll Charité heißen, um mit dem internationalen Renommee der
       Uniklinik zu werben. Zudem schlagen die Kammern für die Charité einen
       Neubau nördlich des Hauptbahnhofs vor. "Dort soll die Spitzenforschung
       konzentriert werden", sagte Schweitzer. Das Gebiet um die Heidestraße sei
       ideal, dort könnten industrielle und klinische Forschung verknüpft und ein
       Standort Gesundheitswirtschaft geschaffen werden. Das Charité-Bettenhaus in
       Mitte soll zugunsten der "Medical City" aufgegeben werden. Dafür wollen die
       Kammern private Investoren ins Boot holen.
       
       Vor einer hoch emotional besetzten Frage aber drücken sich die
       Wirtschaftsvertreter: Die Holding soll selbst entscheiden, ob und welche
       Standorte sie halten will. Ob das marode Bettenhaus saniert wird, ob der
       Charité-Campus Benjamin Franklin in Steglitz geschlossen wird oder doch
       lieber das nahe gelegene Vivantes-Krankenhaus Auguste-Viktoria - darauf
       wollten sich Schweitzer und Schwarz nicht festlegen.
       
       Mit ihrem Modell kommen die Kammern der Idee von Vivantes-Chef Joachim
       Bovelet nach einer kommunalen Aktiengesellschaft ziemlich nah. Auch Bovelet
       möchte sich so Kredite am Markt holen können, das Land soll Aktionär sein.
       Auch die Charité begrüßte das IHK-Konzept im Grundsatz. Indes müssten
       einige rechtliche Details geklärt werden.
       
       Einhellig kritisierten Schweitzer und Schwarz die angebliche Einigung des
       Senats. Nach dieser soll die Charité zunächst 330 Millionen Euro erhalten
       und im Gegenzug 500 Betten abbauen. "Das ist nichts anderes, als ohnehin
       geplant war", sagte Schweitzer. Dabei dürfe der Senat nicht länger so
       handeln, als sitze er "unter einer Käseglocke". Der Investitionsstau werde
       in einen Innovationsstau münden. "Eigentum verpflichtet, das gilt auch für
       die öffentliche Hand."
       
       IHK-PRÄSIDENT ERIC SCHWEITZER
       
       3 Jun 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kristina Pezzei
       
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