# taz.de -- Klimakonferenz in Bonn: Erst das Trauma, dann der Traum
       
       > Nach dem Scheitern des Kopenhagener Gipfels diskutiert die vielfältige
       > Klimabewegung in Bonn über die Klimagerechtigkeit von morgen und neue
       > Perspektiven des Protests.
       
 (IMG) Bild: Klimaaktivisten protestieren in Bonn.
       
       BONN taz | Vielleicht ist es die Szene dieses Wochenendes: "Schade", sagen
       sie - und lachen. 200 Klima-AktivistInnen haben vor einer Stunde eine
       Tankstelle besetzt. "Geschlossen wegen Klimawandel" steht an der Zapfsäule.
       Vom Dach flattert ein Transparent "Total = Aral = Shell = BP - Bohrlöcher
       zumachen!" steht darauf. Darüber schwingen ein paar Autonome heroisch die
       schwarz-rote Fahne. Und auf der Straße vor der Kreuzung trommeln und tanzen
       sie. Nur die Polizei spielt nicht mit: Sie will die Blockade nicht räumen,
       sondern bis zum Ende dulden. "Man kann ja nicht bestreiten, dass diese
       Menschen inhaltlich Recht haben", sagt ein leitender Beamter am Rande. Und
       jetzt sind einige der AktivistInnen enttäuscht, weil keine Räumung droht.
       
       Was diese Szene so besonders macht: Das Anliegen der Klima-AktivistInnen
       ist angekommen. Hier steht es nun in grüner Uniform und stiller Zuneigung -
       und das ist zugleich Hoffnung und Problem jener Klimabewegung, die am
       Wochenende in Bonn über neue Strategien für eine weltweite
       Klimagerechtigkeit debattierte.
       
       "Nach den gescheiterten Klimaverhandlungen in Kopenhagen gibt es bei vielen
       Aktivisten eine Post-Kopenhagen-Depression", sagt Daniel Häfner,
       Vorstandsmitglied bei Robin Wood. "Aber diese Krise der Institutionen hat
       einen riesigen politischen Spielraum für die Basisbewegungen eröffnet, der
       bislang noch zu wenig genutzt wurde."
       
       Bonn, das ist an diesem Wochenende Ort und Forum einer Bewegung, sich neu
       zu sortieren. Hier verhandeln noch bis Freitag rund 4.500 Klima-ExpertInnen
       aus 182 Staaten und bereiten den nächsten Klimagipfel vor, der Ende des
       Jahres im mexikanischen Cancún stattfinden soll.
       
       Timo ist einer, der dagegen an der Basis mitdebattiert. Er gehört zu den
       Organisatoren des Klimacamps am Rande von Bonn. Rund 300 Menschen haben
       dort in der letzten Woche diskutiert und protestiert. Mit symbolischen
       Blockaden, Großpuppen, Fahrraddemos, zuletzt mit einer Demonstration am
       Samstag, zu der 1.500 Menschen kamen.
       
       "Dadurch, dass Kopenhagen so radikal gescheitert ist, sehen auch die
       Nichtregierungsorganisationen jetzt, dass sie sich weiter öffnen müssen. Da
       hat es schon eine Verschiebung nach links gegeben, die uns die
       Zusammenarbeit erleichtert", sagt Timo. An diesem Wochenende heißt diese
       Verschiebung "Wachstum". Auf dem - im Gegensatz zum Klimacamp weitaus
       gesetzteren - Klimaforum, einer vom Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND)
       und dem Netzwerk Attac organisierten Alternativkonferenz in Bonn,
       beherrscht die Wachstums- und Kapitalismuskritik die Debatten.
       
       "Das Stichwort Klimagerechtigkeit hat das Potenzial, Menschen aus den
       verschiedensten Kontexten zusammenzubringen", sagt Tadzio Müller von
       Climate Justice Action. "Kopenhagen war ein Desaster für die diplomatische
       Klimapolitik, aber auch ein Erfolg für die Klimagerechtigkeitsbewegung",
       sagt er. "Das Verhältnis von Nichtregierungsorganisationen und sozialen
       Bewegungen, das lange schwierig war, wird heute neu gedacht."
       
       Er meint wohl dies: Der Caritasverband und das Mieterforum, klassische
       Umweltbewegungen, Gegner von Massentierhaltung, Anti-AKW- und
       antirassistische Gruppen diskutieren, wie aus all ihren Anliegen ein
       starkes Ganzes werden kann. Nach Kopenhagen teilen sie eine Erfahrung: "Es
       kann sich nur etwas verändern, wenn der Druck von der Straße kommt."
       
       Das sagt Laura Grainger, 21, die aus Belgien angereist ist. Sie saß im
       Dezember noch mit am Verhandlungstisch in Kopenhagen - und hat ihr
       Vertrauen in die Regierungen verloren. "Jetzt müssen wir die Menschen
       mobilisieren."
       
       Doch wie buchstabieren etwa gestandene Autonome eigentlich einen Begriff
       wie "den Erhalt von Mutter Erde"? Sie haben ihren Platz auf dieser
       Samstagsdemo. Es ist ein kleiner schwarzer Block, seine Parole: "Autonome
       schützen das Klima, abgebrannte Autos fahren nie wieder!" Und dies ist das
       Besondere an diesem Spektrum: hier der zugeneigte Polizist, dort der
       schwarze Block. Und drum herum auch "Mutter Erde". Vielleicht steht dieses
       Bild für kaum zu verbindende Gegensätze. Vielleicht aber auch für das
       Potenzial einer Bewegung, die noch auf der Suche ist.
       
       6 Jun 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Kaul
       
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