# taz.de -- Organisierte Kriminailtät im Krankenhaus: Ärztepfusch in DRK-Kliniken
       
       > Jahrelang sollen Ärzte an DRK-Kliniken Patienten operiert haben, obwohl
       > sie dafür nicht ausgebildet waren. Ermittelt wird wegen Körperverletzung
       > und Betrug. Drei mutmaßliche Drahtzieher in Haft.
       
 (IMG) Bild: Rauchen ist verboten, andere Verbote werden hier offenbar nicht so beachtet: Eine der Berliner DRK-Kliniken
       
       Die Sprecherin der DRK-Schwesternschaft klang am Mittag noch ganz
       geschockt. Zu unglaublich hörte sich an, was Doreen Fuhr am Morgen per
       Telefonanruf einer Beamtin des Landeskriminalamts erfahren hatte: 150
       Polizisten durchsuchten zu dieser Zeit mehrere Kliniken des Deutschen Roten
       Kreuzes (DRK), den Firmensitz, eine Privatklinik sowie 22 Privatwohnungen
       in Berlin und Brandenburg.
       
       Es bestehe Verdacht auf banden- und gewerbsmäßigen Abrechnungsbetrug sowie
       auf Körperverletzung. Zwei Geschäftsführer und ein Chefarzt seien verhaftet
       worden. "Wir müssen das jetzt alles erst einmal prüfen, wir haben doch
       selbst erst gerade davon erfahren", sagte Fuhr.
       
       Für Kriminalhauptkommissar Karsten Fischer hingegen war die Zeit des
       ungläubigen Staunens längst vorbei. Im Sommer vergangenen Jahres erreichte
       den Beamten der LKA-Abteilung drei für organisierte Wirtschaftskriminalität
       eine anonyme Anzeige, die wohl jeden potenziellen Patienten schaudern
       lässt: Dutzende Male sollen Ärzte in DRK-Kliniken auf Weisung von ganz oben
       Kranke operiert haben, obwohl sie dafür gar nicht ausgebildet waren. Für
       die Krankenkassen abgezeichnet hätten die eigentlich berechtigten
       Fachärzte.
       
       Nach einer ersten Durchsuchung im September wurde klar, "dass es sich nicht
       um Einzelfälle handelt, sondern um bandenmäßigen Betrug", sagte der
       Leitende Kriminaldirektor Volker Klemstein. Monatelang bereiteten sich die
       Ermittler vor, am Mittwoch klingelten sie dann an den DRK-Kliniken im
       Wedding, in Köpenick und im Westend. Auch die Privatklinik, die der
       Radiologie-Chefarzt nebenbei in Mitte betreibt, wurde durchsucht. Offenbar
       mit Erfolg: "Wir haben sehr viele Beweismittel gefunden", sagte Klemstein.
       
       Jahrelang sollen Assistenzärzte Patienten radiologisch untersucht und
       behandelt haben, obwohl nur speziell geschulte Fachärzte die Maßnahmen
       hätten durchführen dürfen. "Die Ärzte waren nicht befugt", erklärte
       Oberstaatsanwalt Frank Thiel. Die Untersuchungen fielen in den Bereich der
       Angiografie, der Darstellung von Gefäßen etwa durch Röntgenstrahlen und
       Magnetresonanztomografie (MRT), oder es waren Untersuchungen mit Sonden.
       Verengungen oder Verschlüsse durch Ablagerungen wurden dann häufig von den
       Ärzten direkt behandelt. Da sie dafür nicht qualifiziert waren, machten sie
       sich der Körperverletzung schuldig. Ermittelt werde in 128 Fällen wegen
       Betrugs, dazu in 56 Fällen wegen Körperverletzung, so die
       Staatsanwaltschaft. Die Ermittler gehen von 24 Beschuldigten aus.
       
       Drahtzieher sollen zwei Geschäftsführer sein sowie der Chefarzt der
       Radiologie im DRK-Klinikum Mitte. Die Beschuldigten sitzen wegen Flucht-
       und Verdunklungsgefahr in Haft. "Die Beschuldigten haben auf Zeugen
       Einfluss genommen", sagte Thiel. Die Staatsanwaltschaft strebt mehrjährige
       Haftstrafen an. Den Männern wird vorgeworfen, seit 2005 die
       Falschabrechnungen in Auftrag gegeben zu haben. Bislang deutet laut Polizei
       nichts darauf hin, dass die Assistenzärzte finanziell von dem Handel
       profitierten. Vielmehr sind sie wohl erpresst worden. "Es gibt
       Beweismittel, dass die Mitarbeiter bewusst aufgefordert wurden, so zu
       handeln", sagte Thiel. Offenbar waren sich die Hauptbeschuldigten ihrer
       Sache ziemlich sicher - nach der ersten Durchsuchung im September 2009
       sollen sie ihr Handeln unbeirrt fortgesetzt haben. "Ich konnte davon
       ausgehen, dass man sich aufgrund der komplexen Materie sehr sicher fühlte",
       sagte Fischer.
       
       Der bisher ermittelte Schaden für die Krankenkassen liegt bei 170.000 Euro,
       die Staatsanwaltschaft rechnet indes mit einer Schadensgesamtsumme von mehr
       als einer Million. "Wir sind erst an der Spitze eines Eisbergs", sagte
       Thiel. In einem Fall besteht zudem der Verdacht, dass ein Patient zum
       Intensivpflegefall wurde - wegen Behandlungsfehlern.
       
       Den Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen wollte
       Oberstaatsanwalt Thiel erst einmal keinen Vorwurf machen. Das
       Abrechnungswesen sei eindeutig und ermutige nicht zum Betrug, sagte er.
       Laut Polizei gibt es bislang auch keinen Hinweis darauf, dass die
       DRK-Schwesternschaft als Träger von den kriminellen Machenschaften wusste.
       Für Doreen Fuhr ist das ein schwacher Trost. "Wie groß der Schaden für uns
       als gemeinnützige Einrichtung ist, das können wir jetzt noch gar nicht
       absehen", sagte sie.
       
       9 Jun 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kristina Pezzei
       
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