# taz.de -- Kritik an Putin-Regierung: Wer öffentlich kritisiert, gilt als Extremist
       
       > Die Polizei beschlagnahmt 100.000 Exemplare einer Putin-kritischen
       > Broschüre, die von der oppositionellen Bewegung "Solidarnost"
       > herausgegeben wird.
       
 (IMG) Bild: Furchtlos: Russlands Präsident Putin ganz mutig bei einem Staatsbesuch in Paris.
       
       MOSKAU taz | Die russische Polizei hat Mitte der Woche 100.000 Exemplare
       einer Broschüre beschlagnahmt, die sich kritisch mit der Regierung Wladimir
       Putins auseinandersetzt. "Zehn Jahre Putin, eine Bilanz" heißt der Bericht,
       den die oppositionelle Bewegung "Solidarnost" herausgegeben hat.
       
       Die Analyse sollte auf dem in diesen Tagen in St. Petersburg stattfindenden
       internationalen Wirtschaftsforum vertrieben werden, an dem hochrangige
       Wirtschaftsbosse und Politiker aus dem Westen teilnehmen. Im Zentrum des
       Berichts stehen die "zersetzende Korruption" und Russlands Abhängigkeit vom
       Rohstoffexport, die unter Putin erheblich zugenommen hat. Auch auf die
       "aussichtslose Lage im Kaukasus" und das soziale Gefälle zwischen Arm und
       Reich gehen die Autoren ein.
       
       Geschrieben ist der Text vom Co-Vorsitzenden der Solidarnost, Boris Nemzow,
       und Wladimir Milow. Nemzow war in den 90er-Jahren russischer Vizepremier
       und Milow noch unter Putin Energieminister.
       
       Die Polizei hielt den Lkw mit der brisanten Ladung auf dem Weg zum Büro der
       Partei Jabloko im Zentrum Petersburgs an. Da der Transporter keine
       Fahrerlaubnis für die Innenstadt besaß, setzte die Polizei die Kontrolle
       fort und wurde fündig.
       
       Inzwischen hat sich auch die Staatssicherheit eingeschaltet. Deren Experten
       untersuchen die Schrift nun auf den Tatbestand der Verbreitung
       extremistischen Gedankenguts. Da die Autoren in dem Bericht Polizei und
       Miliz wiederholt der Willkürherrschaft bezichtigen, dürfte nach dem
       strengen russischen Extremismusgesetz der Verdacht erhärtet werden. Als
       Extremist gilt bereits, wer Beamte und Politiker öffentlich kritisiert.
       Dass die Initiatoren der Broschüre den Behörden durch Desorganisation
       formale Vorwände lieferten, wirft ein schlechtes Licht auf den Zustand der
       Opposition.
       
       Die Broschüre soll mit einer Auflage von einer Million landesweit
       vertrieben werden. Um ähnliche Vorfälle zu vermeiden, übernehmen die
       Solidarnost-Büros in Sibirien und anderen fernen Regionen den Druck in
       Eigenregie. Wladimir Milow hält die Konfiszierung erst für den Anfang: "Die
       Machthaber wissen, wie gefährlich die Wahrheit ist. Ich fürchte, auch die
       Vertreiber werden noch festgenommen." Der Fahrer des Lkws wurde
       mittlerweile jedoch auf freien Fuß gesetzt.
       
       19 Jun 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus-Helge Donath
       
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