# taz.de -- G20-Gipfel in Toronto: Die Pläne der Mächtigen
       
       > Seit der Finanzkrise sind Maßnahmen zur Regulierung der Banken,
       > Schuldenbewältigung und Konjunkturbelebung zentrale Themen. Was wurde
       > eigentlich erreicht?
       
 (IMG) Bild: Protest vorab: Teilnehmerin einer Lesben- und Schwulenparade in Toronto mit einer Maske des kanadischen Premierministers.
       
       Am Wochenende tagen die Regierungschefs der 20 führenden Staaten. Was haben
       sie seit dem letzten Treffen erreicht?
       
       Finanzaufsicht: Investoren unter Kontrolle 
       
       Die wesentliche Lehre, die die G-20-Regierungen aus der Finanzkrise gezogen
       haben, lautet: Kein Markt, kein Akteur und kein Produkt solle künftig ohne
       Aufsicht bleiben. So hat sich die EU durchgerungen, drei neue Behörden für
       die Kontrolle von Banken, Versicherungen und Wertpapieren zu gründen. In
       gewissem Maße dürfen diese bald auch in die Kompetenzen der bislang
       ausschließlich nationalen Behörden eingreifen.
       
       Ein konkretes Beispiel für die neue Aufsicht des Staates über die Märkte
       ist die Registrierung der Ratingagenturen. Den Bewertungsfirmen legen die
       Politiker eine Mitschuld an der Krise zur Last, deshalb müssen sich die
       Agenturen künftig beim Staat registrieren lassen - auch in Deutschland.
       Diese Funktion übernimmt hier die Finanzaufsicht Bafin. Regelmäßig sollen
       fortan Überprüfungen stattfinden, ob die Ratingfirmen solide arbeiten. Der
       wesentliche Interessenkonflikt allerdings bleibt bestehen: Auch in Zukunft
       werden die Agenturen von den Verkäufern der bewerteten Papiere bezahlt. Die
       Befürchtung liegt nahe, dass manche Ratings deshalb zu positiv ausfallen.
       Die Alternative wäre, eine zusätzliche öffentliche Ratingagentur zu
       gründen.
       
       Eine ähnliche Regulierung wie bei den Agenturen ist in Bezug auf die
       Hedgefonds bislang gescheitert. Unter anderem Großbritannien wehrt sich
       gegen zu starke Regelungen. In London hat sich die Bundesregierung unlängst
       schon unbeliebt gemacht, als sie ungedeckte Leerverkäufe von Aktien und
       Staatspapieren der Eurozone in Deutschland einfach untersagte. Damit wollen
       Finanzminister Wolfgang Schäuble und Kanzlerin Angela Merkel
       Spekulationsspiralen verhindern, die im Falle Griechenlands fast zum
       Bankrott des Landes geführt hätten.
       
       Konjunktur: Sparen statt Investieren 
       
       Es waren gewaltige Zahlen, die beim G-20-Gipfel in London angekündigt
       wurden: mehr als eine Billion Dollar an zusätzlichen Krediten, überwiegend
       über den Internationalen Währungsfonds, um "weltweit Wachstum und
       Arbeitsplätze wiederherzustellen". Zudem betonte die Abschlusserklärung,
       dass die Industriestaaten Konkunkturprogramme im Gesamtumfang von 5
       Billionen Euro auflegen, um einen weiteren Absturz der Weltwirtschaft zu
       verhindern. Tatsächlich sind in den Jahren 2009 und 2010 enorme Summen in
       den öffentlichen Haushalten bereitgestellt worden, auch in Deutschland -
       teils für echte Investitionen, teils in Form zusätzlicher Sozialleistungen,
       teils aber auch für umstrittene Steuersenkungen, die man als
       konjunkturstützend erachtete.
       
       Doch mittlerweile ist von einem "kooperativen und koordinierten" Vorgehen,
       wie es die G 20 in Pittsburgh vereinbart hatten, nicht mehr viel zu spüren.
       Denn unter dem Eindruck der nur mühsam verhinderten Griechenland-Pleite und
       der zunehmend bedrohlichen Verschuldungsquote anderer EU-Mitglieder und der
       dadurch ausgelösten Eurokrise sind in der EU gewaltige Zahlen inzwischen
       nicht mehr beim Ausgeben, sondern nur beim Sparen gefragt. Nicht nur die
       größten Defizitsünder haben sich Sparpakete verordnet - auch die
       wirtschaftlich wichtigsten Staaten Deutschland, Frankreich und zuletzt
       Großbritannien wollen ihre Ausgaben massiv zusammenstreichen. Dass es
       darüber in Toronto Streit geben wird, ist absehbar: US-Präsident Barack
       Obama, der Konjunkturprogramme weiterhin für notwendig hält, warf den
       Europäern im Vorfeld vor, aus internen Gründen globale Notwendigkeiten zu
       vernachlässigen - was Kanzlerin Angela Merkel deutlich zurückwies.
       
       Managerboni: Es gibt Begrenzungen 
       
       Bonuszahlungen in Millionenhöhe für Investmentbanker - vor der Finanzkrise
       lebten herausgehobene Angestellte großer Banken in Saus und Braus. Die
       Erkenntnis, dass die hohen Gehälter problematisch seien, setzte sich 2008
       bis zu den Regierungschefs der G-20-Staaten durch. Die Aussicht auf
       horrende Erfolgsprämien hätten die Wertpapierhändler verleitet, zu große
       Risiken bei ihren Geschäften einzugehen, fanden Barack Obama, Nicolas
       Sarkozy, Angela Merkel und ihre KollegInnen. Deshalb fassten sie den
       Beschluss, die Bezahlung zu begrenzen.
       
       Diese Bemühungen waren zum Teil erfolgreich. So beschloss der Bundestag
       2009 ein neues Gesetz: Seitdem können die Gehälter von Vorständen
       rückwirkend gekürzt werden, wenn das Unternehmen in Schwierigkeiten gerät.
       Die Manager haften für Verluste mit größeren Summen. Ihre Aktienoptionen
       dürfen sie erst nach Jahren einlösen. Zusätzlich verordnete die
       Bankenaufsicht Bafin, dass mindestens die Hälfte der Boni von der
       "nachhaltigen Wertentwicklung des Instituts" abhängig sein solle. Die
       Botschaft dieser Änderungen: Kurzfristige Supergehälter durch
       Hochrisiko-Spekulation sind nicht mehr erwünscht. Ähnliche Neuerungen gab
       es auch auf europäischer und globaler Ebene.
       
       Eine weitere wesentliche Konsequenz aus der Finanzkrise wollen die
       Regierungen in Toronto beraten und beim nächsten G-20-Gipfel in Seoul im
       November beschließen. Die Institute müssen dann mehr eigenes Geld als
       Sicherheit in Reserve halten, wenn sie sich für Geschäfte fremde Mittel
       leihen. Auch diese Regelung soll dazu dienen, die möglichen Verluste zu
       verringern. Auf konkrete Zahlen für die Eigenkapital-Anforderungen konnten
       sich die Regierungen aber bislang nicht einigen.
       
       Steuerflucht: nur offiziell abgehakt 
       
       Der Kampf gegen Steueroasen galt beim ersten G-20-Gipfel in London als
       zentral - weil viele der schädlichen Finanzgeschäfte an solchen
       unregulierten Handelsplätzen abgewickelt worden waren und weil deren
       fehlende Besteuerung zu großen Einnahmeausfällen führt. "Wir sind bereit,
       Sanktionen zu verhängen, um unsere öffentlichen Finanzen zu verteidigen",
       hieß es in der Abschlusserklärung vom 2. April 2009. "Die Zeit des
       Bankgeheimnisses ist vorbei." Verwiesen wurde in der Erklärung auf eine
       OECD-Liste, die unkooperative Staaten benennen sollte.
       
       Auf dem Papier wirkte die Drohung schnell: Schon wenige Tage später war die
       "schwarze Liste" der OECD leer. Die meisten potenziell betroffenen Staaten
       hatten schon im Vorfeld Zugeständnisse bei ihrer Informationspolitik
       gegenüber ausländischen Steuerbehörden gemacht; und die vier Länder, die
       tatsächlich auf der Liste standen, knickten unmittelbar danach ein.
       Sanktionen der G-20-Staaten gibt es demzufolge nicht; auch die
       Bundesregierung wendet ihre eigens verabschiedete
       "Steuerhinterziehungsbekämpfungsverordnung" nicht an.
       
       In der Realität hat sich hingegen seit London nicht viel verändert,
       kritisiert das NGO-Bündnis Tax Justice Network. "Die Steuerhinterziehung
       geht unvermindert weiter", meint Attac-Finanzexperte Detlev von Larcher. Um
       von der OECD-Liste gestrichen zu werden, habe die Zusage gereicht, bei
       genau spezifizierten Anfragen aus anderen Ländern Informationen
       herauszugeben. Die Anforderungen seien aber so streng, dass es in der
       Praxis kaum zu Auskünften komme.
       
       Das in Steueroasen angelegte Vermögen hat sich laut dem neusten
       Reichtumsbericht der Boston Consulting Group weiter vermehrt: von 6,8
       Billionen Dollar im Jahr 2008 auf 7,4 Billionen in 2009.
       
       23 Jun 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hannes Koch
 (DIR) Malte Kreutzfeldt
       
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