# taz.de -- Abstimmung in Krigisien: Status der Rechtlosigkeit
> Die Übergangsregierung will über eine neue Verfassung abstimmen. Sie
> verspricht sich dadurch Legitimität und erklärt eine internationale
> Verschwörung für die Unruhen verantwortlich.
(IMG) Bild: Nach einem Referendum könnte sie auch international so selbstsicher auftreten wie hier: Rosa Otunbajewa, Kirigisiens Interimspräsidentin.
BISCHKEK taz | Die kirgisische Staatsmacht versendet seit Tagen SMS und
ruft so für Sonntag zur Stimmabgabe auf. Die Übergangsregierung will über
die neue Verfassung abstimmen lassen, obwohl Osch und Dschalalabad, die
zwei wichtigsten Städte im Süden, in Trümmern liegen, hunderttausende
Menschen geflohen sind und vielleicht bis zu 2.000 Menschen bei den Unruhen
vor zwei Wochen umkamen. "Ich war in der Zone des Konflikts und habe mich
vom gesunden Menschenverstand und der Toleranz der Völker überzeugt", sagt
Interimspräsidentin Rosa Otunbajewa in einem Aufruf. Bei ihren Besuchen im
Süden hatte sie es allerdings vermieden, sich mit Usbeken zu zeigen. Die
Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hat ihre
Beobachtermission eingeschränkt und aus Sicherheitsgründen darauf
verzichtet, Wahlbeobachter zu entsenden. Im Land halten sich nur die 36
ständigen OSZE-Beobachter auf.
Das Referendum wird auch in Osch und Dschalalabad durchgeführt. Die
Übergangsregierung braucht das Votum, um ihrer Macht eine Grundlage zu
geben. "Das Referendum bedeutet Legitimität, Legitimität bedeutet
Stabilität", sagt ein Zuarbeiter der Machthaber.
Am 7. April wurde der kirgisische Präsident Kurmanbek Bakijew durch blutige
Proteste vertrieben. In Bischkek übernahm eine Übergangsregierung die
Macht, die seitdem mit Dekreten regiert. Das Parlament, das dem gestürzten
Präsidenten hörig war, hatten die Umstürzler aufgelöst. Ein strategischer
Fehler, denn sie beraubten sich dadurch des Instruments, ihre Macht durch
das Parlament zu legalisieren. Denn vermutlich wären die meisten der
Abgeordneten zu den neuen Herren übergelaufen.
Kirgisien schwebt im Status der Rechtlosigkeit. Vor allem im Süden
zündelten die Anhänger des Expräsidenten und legten sich mit der
usbekischen Minderheit an. Vor zwei Wochen eskalierten die Spannungen. Die
neue Verfassung soll unter anderem das Parlament stärken. Doch das ist kaum
noch wichtig. Wichtiger ist für die Machthaber, dass durch das Referendum
indirekt auch Präsidentin Otunbajewa bestätigt würde und sie international
überzeugender auftreten könnte.
Am Donnerstag versuchte die Übergangsregierung, Kirgisien zum Opfer einer
internationalen Verschwörung zu machen. Der Sicherheitschef sagte, dass
neben den Anhängern des Expräsidenten auch die Taliban, die islamische
Bewegung Usbekistans und die in Deutschland bekannte Islamische
Dschihad-Union die Unruhen angezettelt hätten. Sicherheitskräfte gaben am
Freitag bekannt, dass sie bei Dschalalabad einen Neffen des Expräsidenten
verhaftet hätten.
Soldaten der Armee wurden bereits am Freitag zur Abstimmung geschickt,
damit sie am Sonntag bereitstehen, falls Gewalt aufflackert. Für die
Übergangsregierung wäre es schon ein Sieg, wenn es im Land ruhig bliebe. An
der Annahme der Verfassung zweifelt kaum jemand, denn in Zentralasien ist
nicht wichtig, wie abgestimmt wird, sondern wer zählt.
27 Jun 2010
## AUTOREN
(DIR) Marcus Bensmann
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