# taz.de -- Kommentar Bundespräsidentenwahl: Diesen Konservativen wählen!
       
       > Würde die Linke Gauck wählen, würde dies von Dankbarkeit einem Mann
       > gegenüber zeugen, der der einstigen PDS zu demokratischen Reifeprozessen
       > verhalf.
       
       Gäbe es in dieser Partei noch Leninisten, wäre Lukrezia Jochimsen niemals
       nominiert worden. Eine Frau, die so erwartbar nur die Seele der waidwunden
       Antifa streichelt - das ist nur für romantisch Inspirierte genießbar. Die
       Linke, würde sie sich ernsthaft auf das Politische einlassen, würde Joachim
       Gauck schon deshalb zu einer Chance gegen Christian Wulff verhelfen, weil
       Letzterer der Mann der Schwarz-Gelben ist. Einer linken Opposition kann
       nicht an einem Sieg von Merkelwesterwelle gelegen sein. Aber gut: Das kalte
       Kalkül von Leninisten, das intellektuelle Vermögen von Linken in ihrer
       marxistischen Provenienz ist ja ohnehin im Moskau der Dreißigerjahre
       ausgemerzt worden.
       
       Zur Sache selbst muss gesagt werden: Die Diskreditierung Joachim Gaucks als
       Konservativen, dem man das Bekenntnis zur Freiheit gar abspricht, weil er
       das Soziale ein wenig geringer schätzt als eben das
       Individuell-Freiheitliche, entspringt einem Politikverständnis
       realsozialistischer Herkunft. Im Lob auf das Soziale lugt stets die Haltung
       hervor, in der DDR sei doch nicht alles schlecht gewesen.
       
       Doch, das war es. Gauck steht für ein politisches Credo, das Meinungs- und
       Versammlungsfreiheit höher schätzt als das Vormundschaftlich-Fürsorgliche.
       In Gauck wäre ein Kandidat insofern zu wählen, der für die Linke eine
       Zumutung bedeutet. Ein Mann, der Stasiakten öffnen half - und den Vorgang
       der Transparenz nicht für eine Obszönität, nicht für verfehlt im Sinne der
       Vergangenheitsaufarbeitung hielt und hält.
       
       Gauck hat - auf diese Weise - der einstigen PDS zu demokratischen
       Reifeprozessen verholfen, und würde die Linke ihn jetzt wählen, wäre dies
       auch ein Zeugnis der Dankbarkeit einem Mann gegenüber, der die Linke für
       eine gewöhnliche politische Option hält, aber von ihr Distanz zum
       realsozialistischen Regime verlangte. Die Linke sollte diesen Mann
       verehren. Eine Linke ohne das Aufklärungspathos Gaucks stünde heute nur
       erfahrungsresistent da.
       
       30 Jun 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Feddersen
       
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