# taz.de -- Kommentar Fußballnationalismus: Eine multikulturelle Farbkonstruktion
       
       > In Migrantenvierteln werden die deutschen Siege in Südafrika gefeiert.
       > Denn sich des wichtigsten nationalen Zeichens zu bemächtigen deutet an,
       > dass man sich mit diesem Land identifizier.
       
 (IMG) Bild: Fußball WM Südafrika: Symbolischer Akt gegen Rassismus vor dem Spiel Deutschland gegen Argentinien.
       
       Konservative mögen die Farben der deutschen Nationalflagge für die ihrigen
       halten - womöglich in der Hoffnung, dass sie niemals für migrantische
       Deutsche annehmbar sein können: Schwarz-Rot-Gold als Trikolore, in der nur
       Ureinwohnerhaft-Deutsches sich wiederfinden kann. Das sollen sie ruhig
       weiter hoffen - aber im wahren Leben wird dieser Glaube momentan grandios
       unterlaufen. Gerade in migrantischen Vierteln, in Berlin-Neukölln, auf St.
       Pauli in Hamburg oder in Köln-Mülheim, dort, wo Naturblondes eher weniger
       beheimatet ist, werden die deutschen Siege in Südafrika gefeiert, lärmend,
       krass, vernehmlich, unverhohlen, jubelnd.
       
       Das ist wenigstens ein Grund zur Freude. Denn sich des wichtigsten
       nationalen Zeichens zu bemächtigen deutet an, dass man sich mit diesem Land
       identifiziert, dass frau bzw. man gern in Deutschland lebt - und dass man
       sich alsbald nicht mehr mit dem Mitjubeln zufriedengeben, sondern sich auf
       allen anderen Ebenen, politischen wie gesellschaftlichen, Gehör und
       Mitbestimmung verschaffen wird. In diesem schwarz-rot-goldenen Vergnügen
       steckt insofern auch ein subtil-souveränes Versprechen: Weil dies auch
       unser Land ist, werden wir uns unsere Teilhabe noch in ganz anderer
       Hinsicht erobern - fangen wir in Sachen Selbstfeier mal beim Fußball an.
       
       Selbstfeier? Ja was denn sonst? In der Begeisterung über das deutsche Spiel
       liegt dieses Moment im Kern geborgen. Und das liegt, wie gern nahegelegt
       wird, nicht an Spielern wie Özil oder Khedira, sondern an den Spielen des
       Kaders von Joachim Löw selbst. In diesen erkennt der neodeutsche Fußballfan
       - verfassungspatriotisch gesehen - einen Teil von sich selbst:
       Identifikation mit einem repräsentativen und in diesen südafrikanischen
       Tagen lustvoll gesinnten Teil seiner neuen Heimat.
       
       Der Wahn von Autonomen oder Antideutschen, diese schwarz-rot-goldene
       Euphorie der neuen BürgerInnen als Eventhuberei abzutun, ja alles Nationale
       zu verachten, spricht für sich. Im Kampf gegen Rassismus, im Allgemeinen
       nötiger denn je, haben sie nie darauf gewettet, dass die neodeutschen
       Deutschen es mit der Teilhabe, im spielerischen wie politischen Sinn, mal
       ernst nehmen würden. Sich mit dem eigenen, neuen Land zu identifizieren
       heißt für Migranten aber immer auch: daran Freude zu haben, ein Teil eines
       Gesellschaftlichen zu sein und immer mehr zu werden.
       
       1 Jul 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Feddersen
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Deniz Yücel
       
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