# taz.de -- Kommentar Wulff und die Folgen: Was zur Wahl stand - und steht
       
       > Wer meint, vom Wahlverhalten der Linken ein ungeklärtes Verhältnis zur
       > Stasi ableiten zu können, argumentiert demagogisch. Er zeigt, dass er
       > Inhalte in der Politik für bedeutungslos hält.
       
       Die Gelegenheit zur Versöhnung wurde vertan und die Chance zur
       Vergangenheitsbewältigung verspielt. Nein, das ist nicht das Ergebnis einer
       Paartherapie. So kommentieren SPD und Grünen das Abstimmungsverhalten der
       Linken bei der Wahl des Bundespräsidenten. Die meisten Journalisten nehmen
       diese Äußerungen ernst, statt darauf mit der einzig richtigen Geste zu
       reagieren: nämlich den Oppositionspolitikern einen Vogel zu zeigen.
       
       SPD und Grüne tun so, als ob sie einen verbrieften Anspruch darauf hätten,
       dass die Linke ihnen jederzeit als Mehrheitsbeschafferin zur Verfügung
       steht. Darin werden sie von zahlreichen Medien bestärkt. Dennoch ist es ein
       Irrtum. Die Linke ist eine eigenständige Partei, die - wie alle anderen
       auch - jede gesetzlich zulässige Position vertreten darf, sogar blanken
       Unfug.
       
       Joachim Gauck nicht gewählt zu haben war seitens der Linken kein Unfug,
       sondern eine Konsequenz, die sich zwingend aus den jeweiligen Standpunkten
       ergab. Außenpolitisch und sozialpolitisch könnten die Gräben tiefer nicht
       sein. Wer angesichts dessen meint, aus der Ablehnung von Gauck ein
       ungeklärtes Verhältnis zur Stasi ableiten zu können, argumentiert entweder
       demagogisch oder zeigt, dass er Inhalte in der Politik für bedeutungslos
       hält und ihn allein die koalitionäre Farbenlehre interessiert. Im Hinblick
       auf einen möglichen Regierungswechsel stimmt das nicht hoffnungsvoll. Für
       das Prinzip Beliebigkeit werden Neuwahlen nicht gebraucht.
       
       Stehen die denn nun ins Haus? Formal betrachtet ist ja nichts passiert. Der
       Kandidat der Kanzlerin wurde gewählt, die Umstände der Wahl sind bereits
       Geschichte. Alltag wäre möglich.
       
       Aber eben nur theoretisch. Gefühle spielen bei Regierungsbündnissen eine
       größere Rolle als Formalitäten - und das Ende einer Koalition hat sich
       bisher noch jedes Mal so angefühlt wie die gegenwärtige Atmosphäre in
       Berlin. Wenn Angela Merkel entschlussfreudig wäre, dann würde sie jetzt
       Neuwahlen herbeiführen. Zu einem Zeitpunkt also, zu dem sie innerparteilich
       keine Konkurrenz fürchten muss.
       
       Das mutmaßliche Ergebnis: FDP geschwächt oder raus, Grüne stark, Union
       stärker als die SPD. Also: schwarz-grün. Siehe inhaltliche Beliebigkeit.
       Aber Angela Merkel ist eben nicht entschlussfreudig.
       
       1 Jul 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bettina Gaus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA