# taz.de -- Integrationsgesetz: "Das ist ein Sonnenscheingesetz"
       
       > Bis Dienstag haben Migrantenvertreter Zeit, Stellungnahmen zum geplanten
       > Integrationsgesetz abzugeben. Nicht alle finden es gut: Kritik übt etwa
       > Maryam Stibenz, Integrationsbeauftragte im Bezirk Mitte.
       
 (IMG) Bild: Vereidigung von Nachwuchspolizisten in Berlin: Auch die Polizei muss diverser werden
       
       taz: Frau Stibenz, was haben Sie gegen das geplante Integrations- und
       Partizipationsgesetz? Es soll doch Migranten fördern. 
       
       Maryam Stibenz: Das Gesetz ist nicht zu Ende gedacht. Es ist realitätsfern.
       Wir brauchen kein Gesetz, dessen juristische Möglichkeiten nicht über
       bereits vorhandene hinausgehen. Schließlich haben wir schon das Grundgesetz
       und das Antidiskriminierungsgesetz. Solche Gesetze müssen weiterentwickelt
       und dann auch eingesetzt werden. So bleibt es doch ein Sonnenscheingesetz,
       das nichts bewirkt! Außerdem wird immer noch nicht die Frage geklärt, wer
       wohin integriert werden soll.
       
       In dem Eckpunktepapier scheint das doch ganz klar: Es geht um Integration
       von Menschen mit Migrationshintergrund in die deutsche Gesellschaft und in
       die Verwaltung. 
       
       Bei diesen Begrifflichkeiten fangen meine Probleme an: Der Begriff
       "Migrationshintergrund" ist schwammig und rassifizierend. Er findet keine
       Anwendung auf "Migranten", die aus weißen, christlichen und abendländischen
       Zusammenhängen kommen, sondern markiert alle "Anderen" als defizitär. Der
       Begriff ist mittlerweile völlig negativ besetzt. Wer an
       Migrationshintergrund denkt, denkt an sogenannte ausländische
       Sozialschmarotzer, die sich nicht integrieren wollen.
       
       Welchen Begriff würden Sie denn verwenden? 
       
       Meiner Meinung nach geht es um Menschen, die ressourcenarm sind: Menschen,
       die aufgrund eines Mangels an Geld, Bildung und anderen Kompetenzen nicht
       ihren Platz in der Gesellschaft finden konnten. Das betrifft nicht nur
       Menschen mit Migrationshintergrund.
       
       Wo sollte man demnach ansetzen? 
       
       Man muss die Gesellschaft stärker sensibilisieren. Vor allem bei der
       Personalentwicklung. In der Verwaltung haben wir zum Beispiel kaum
       Möglichkeiten, externe Leute einzustellen. Es hapert an der Finanzierung.
       Wie soll man denn da eine breite Vielfalt an unterschiedlichen Mitarbeitern
       zu Stande bekommen?
       
       Das will das Gesetz ja erreichen. Warum trauen Sie ihm das nicht zu? 
       
       Das Gesetz ändert an dieser Lage ja nichts. Stattdessen werden Menschen mal
       wieder stigmatisiert, wird ihnen ein Etikett verpasst. Und dieses Mal sogar
       ein gesetzlich verankertes. Es sendet ein fatales Signal für die
       Identitätsbildung unserer Jugendlichen. Man unterstreicht, dass sie nicht
       deutsch sind. Zudem befürchte ich eine Neiddebatte, denn es spaltet die
       Gesellschaft in Menschen mit und ohne Migrationshintergrund.
       
       Gibt es denn gar nichts Positives an dem Gesetz? 
       
       Als Gesetz lehne ich es definitiv ab. Ich sehe aber in der Debatte darüber
       ein positives Signal. Denn die Forderung, dass Verwaltungsstrukturen ein
       Abbild der Gesellschaft darstellen sollen, halte ich für richtig. 40
       Prozent aller BerlinerInnen haben eine wie auch immer geartete
       plurikulturelle Prägung. Eine Gesellschaft kann nur funktionieren, wenn
       ihre BürgerInnen um ihre Chancengleichheit und Aufstiegsmöglichkeiten
       wissen. Wir dürfen aber keine Opferrollen schaffen, sondern müssen unsere
       Mitbürger stärken, fördern und ein klares Signal setzen: Das ist eure
       Heimat. Gestaltet sie mit!
       
       MARYAM STIBENZ
       
       5 Jul 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gülseren Ölcüm
       
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